Die Zeit der quälenden Entscheidungen zum Jahresende rückt näher: Was bloß schickt man den Schwiegereltern, die man zu Thanksgiving nicht besucht? Und was der Tante, die jedes Jahr Weihnachten allein zu Hause feiert? Gerade in den USA stehen zu diesen großen Festtagen Blumen und Essbares als geschickte Gesten hoch im Kurs - vergängliche Geschenke sind unaufdringlich: eine nette Aufmerksamkeit eben, kein für ewig in der Ecke stehender Nippes.

Die Zeit zum Jahresende gilt traditionell als Hochsaison für den Einzelhandel. Viele Anleger übersehen allerdings, dass auch der Blumen- und Geschenkversand 1-800-Flowers.com seit diesem Jahr für den Winter gut aufgestellt ist. Er verschickt zu Weihnachten neben Blumen auch veredelte Birnen und Äpfel, delikate Truthähne aus Schokolade und getrüffeltes Popcorn als Geschenk kreuz und quer durch die USA.

Valentinstag, Muttertag, Thanksgiving



Traditionell floriert der Blumenversand zum Valentinstag im Februar und zum Muttertag im Mai. Doch weil das Unternehmen im September vergangenen Jahres den renommierten Geschenkkorbspezialisten Harry & David übernommen hat, hat man nun eine perfekte Ergänzung fürs Jahresendgeschäft im Sortiment - der stärksten Jahreszeit für Lebensmittelkörbe.

1-800-Flowers.com erwartet für 2016 ein Wachstum um fünf bis sieben Prozent - ein deutlicher Schub im Vergleich zu den traditionellen Wachstumsraten von etwa drei Prozent. Analysten sehen für die Aktie daher ein Potenzial von 40 Prozent.

Unternehmensgründer Jim McCann jobbte 1976 als Barkeeper in Manhattan, bis ihm ein Kunde erzählte, dass er seinen Blumenladen verkaufen wolle. McCann, der in Queens aufgewachsen war und seinem Vater im Baugeschäft geholfen hatte, witterte seine Chance und half dort ein paar Wochen lang aus: "Blumen waren noch überhaupt nicht mcdonaldisiert, wie ich es nenne - es gab noch keine nationale Marke." McCann blätterte 10 000 Dollar für sein erstes Geschäft hin, eröffnete eine Filiale und schlug zu, als er im Radio Reklame für die Telefonnummer 1-800-Flowers hörte. Er kaufte die eingängige Telefonnummer und bewarb sie auf CNN. McCann hatte in kürzester Zeit die erste nationale Marke für Blumenstraußlieferungen.

Doch noch immer ist das Blumengeschäft in den USA stark fragmentiert - die überregionalen Anbieter machen nur einen kleinen Teil des Marktes aus. Das Wachstum lag bisher stabil bei zwei bis drei Prozent. Die Branche hat sich indes jüngst konsolidiert - 1-800-Flowers-Konkurrent FTD Companies fusionierte mit Wettbewerber ProFlowers. Das nimmt den Wettbewerbsdruck aus der Branche - und lässt künftig auf weniger Sonderangebote und damit höhere Gewinnmargen hoffen. Denn in den vergangenen Jahren wurde es für 1-800-Flowers immer schwieriger, weiteres Wachstum zu generieren: Das Umsatzwachstum fiel von 13 Prozent 2011 auf 2,8 Prozent 2014. Deshalb preschte das Unternehmen aggressiv ins Mobile Shopping vor. Die Investitionen in eine Mobile-App machen sich jetzt bezahlt, das personalintensive Telefonordergeschäft dagegen schmilzt. Schon rangiert das Unternehmen auf Platz 65 der größten E-Commerce-Anbieter der USA. 78 Prozent des Geschäfts werden online bestritten.

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Emotionalisierte Blumenkäufer



Die Akquisition von Harry & David erweist sich als Glücksgriff: Nach dem IPO 1999 erlebte die Kette wenig Wachstum, verbrauchte aber viel Cash, sodass sie vor drei Jahren Konkurs anmelden musste. Zum Akquisitionszeitpunkt war der Umsatz wieder auf 400 Millionen Dollar gestiegen - aktuell sorgt Harry & David für etwa die Hälfte des Umsatzes von 1,12 Milliarden Dollar bei 1-800-Flowers. Für die kommenden drei Jahre erwartet McCann Synergien in Höhe von 15 Millionen Dollar aus der Zusammenlegung.

Die 1-800-Flowers-Aktien hatten sich im Halbjahr nach der Übernahme mehr als verdoppelt und im März ein Hoch von 13 Dollar erreicht. Dann jedoch setzte nach Muttertag die Sommerflaute ein, und die Aktien gaben die Hälfte ihres Anstiegs wieder ab. Kunden hatten sich auf Plattformen wie Facebook oder Twitter über die schlechte Qualität ihrer Blumensträuße beschwert - ein Problem, das auch den größten Konkurrenten, FTD, regelmäßig trifft: Blumenkäufer sind emotional stark engagiert - und beschweren sich schnell, auch bei nur leichten Verfehlungen.

Hinzu kommt, dass der Valentinstag 2016 auf einen Sonntag fällt - Analysten erwarten einen großen Nachteil für den Blumenhandel. Statistisch werden 15 Prozent weniger Blumen gekauft, wenn der Valentinstag nicht auf einen Wochentag fällt.

Im Vergleich zum Konkurrenten FTD ist 1-800-Flowers.com an der Börse niedriger bewertet - trotz der besseren Wachstumschancen. McCanns Unternehmen ist mit dem Siebenfachen der erwarteten Gewinne des kommenden Jahres vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen bewertet, FTD dagegen mit dem 8,4-Fachen. Und schon wenn 1-800-Flowers einfach nur mit der Bewertung des Konkurrenten gleichziehen würde, ergäbe dies ein Kurspotenzial von 20 Prozent. Die Zeiten für 1-800-Flowers sollten in den kommenden Monaten rosig sein.

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