Gut 100 Milliarden Euro, mehr als alle im DAX gehandelten VW-Aktien wert sind, will Europas größter Autokonzern in den kommenden fünf Jahren investieren. Mit dem gewaltigen finanziellen Schub wollen die Wolfsburger den Konkurrenten Toyota bis 2018 überholen und größter Autobauer der Welt werden. Konzernchef Martin Winterkorn stellt Aktionäre auf eine Aufholjagd ohne Kompromisse ein: "Der Konzern hat alles, um seine ehrgeizigen Ziele zu erreichen."

Knapp 20 der 100 Milliarden Euro sind für den weltgrößten Automarkt China reserviert. Wer auf diesem Parcours erfolgreich ist, hat sehr gute Chancen, in fünf Jahren die globale Nummer 1 zu sein - Toyota, General Motors oder Volkswagen. Aber nicht nur die ganz Großen geben Gas: Premiumhersteller BMW erweitert seine Kapazitäten in Amerika. Rivale Daimler muss in China viel investieren, weil die Stuttgarter dort Nachzügler sind.

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Besser als der MDAX

Auf die Zulieferer wirken die Investitionen der Autokonzerne wie Konjunkturprogramme. Die meisten Firmen sind besser ins Jahr gestartet als erwartet - und auch an der Börse macht sich der Antrieb bemerkbar. Die Aktienkurse der meisten Autozulieferkonzerne laufen seit Jahresanfang besser als die Vergleichsindizes. Selbst teure Aktien, etwa die Papiere des Roboterbauers Kuka, überraschen mit einer starken Kursentwicklung.

Kein Wunder: Dem führenden Lieferanten von Robotern für die Autobranche glückte ein exzellenter Start ins Jahr. Der Auftragseingang stieg im ersten Quartal um mehr als ein Viertel auf 615 Millionen Euro und erreichte damit "einen Spitzenwert in der Firmengeschichte", jubelt Konzernchef Till Reuter. Vor allem die Nachfrage in China sorgte für einen kräftigen Schub bei den Aufträgen. In der Nähe von Shanghai betreibt Kuka inzwischen ein eigenes Werk.

Ein weiterer langjähriger Favorit der Anleger hingegen hat einen schwachen Start hingelegt. Dürr, Hersteller von Lackieranlagen, enttäuschte mit einem Rückgang beim Auftragseingang von Januar bis März um 17 Prozent. Im laufenden Quartal erwartet der Weltmarktführer mit Sitz in Stuttgart jedoch einen deutlichen Auftragsschub - natürlich aus China. Firmenchef Ralf Dieter bestätigte das Jahresziel eines Ordervolumens von 2,3 bis 2,5 Milliarden Euro für 2014 - das entspräche dem Vorjahresniveau.

Weil die Stuttgarter ihr Logistikund Servicenetz auch während der Branchenkrise ausgebaut haben, kann Dürr nach eigenen Angaben Anlagen in jeden Winkel der Welt liefern, dort warten oder umbauen. Damit sind die Schwaben schwer zu ersetzen. "Wenn Autokonzerne in neuen Werken mit hoher Qualität starten wollen, gibt es zu Dürr wenig Alternativen", sagt Jan Dannenberg, Partner der Unternehmensberatung Berylls Strategy Advisors.

Der Branchenprimus kontrolliert inzwischen die Hälfte des Marktes. Künftig soll das profitablere Geschäft mit Wartung und Umbau ausgebaut werden. Bereits im ersten Quartal verdiente Dürr mit Dienstleistungen mehr als erwartet.

Kuka und Dürr gehören zu jenen Ausrüstern , die ihr Geschäft mit der Fahrzeugindustrie auch in schwierigen Zeiten vergrößert haben. Damit haben die Unternehmen sehr früh von der Erholung der Branche profitiert. Beide Aktien sind allerdings schon hoch bewertet.

Der anhaltende Boom in der Autoindustrie dürfte das hohe Bewertungsniveau jedoch stützen. Denn im Reich der Mitte setzt sich der Autoboom trotz schwächerer Konjunktur fort. Auch die zweitgrößte Verkaufsregion der Welt, Nordamerika, entwickelt sich überraschend gut. "Wir erwarten weiterhin positive Impulse aus großen Märkten wie China und Amerika und steigende Erträge bei Autozulieferern", sagt Frank Biller, Analyst der LBBW. Und selbst im lange von der Krise gezeichneten Automarkt Europa ist eine Erholung der Nachfrage insbesondere in Krisenländern wie Spanien oder Italien erkennbar.

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Vollgas mit der Stammklientel

Um den Aufschwung in vollem Umfang mitzunehmen, brauchen Zulieferer jetzt alle verfügbaren Ressourcen. Firmen, die sich nach der schweren Branchenkrise 2008 und 2009 neue Kunden suchten, um die Abhängigkeit von der zyklischen Autoindustrie zu mildern, denken um.

Beispiel Leoni. Der fränkische Spezialist für Verkabelungssysteme, sogenannte Bordnetze, wollte einst langfristig statt 75 lediglich 60 Prozent des Umsatzes mit der Stammklientel einfahren. Das ist heute kein Thema mehr. Chef Klaus Probst baut das Autogeschäft aus und setzt in Asien und Amerika auf Zukäufe.

Für den Wälzlagerhersteller Schaeffler ist Diversifizierung heute ebenfalls zweitrangig. Die Fahrzeugindustrie bringt 70 Prozent des Umsatzes. "Wir gehen nicht davon aus, dass wir das Verhältnis 60 zu 40 wieder erreichen. Das Automotive-Geschäft ist ein Wachstumstreiber", sagt Vorstand Klaus Rosenfeld.

"Beim Versuch zu diversifizieren, haben viele Zulieferer den Aufwand unterschätzt und sind gescheitert", sagt Stefan Bratzel, Professor für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Im Boom müssen die Firmen alle Ressourcen einsetzen, um im Kerngeschäft stark zu bleiben, meint der Automobilexperte.

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Schub durch neue Technologien

"Wegen der Stärke bei Bordnetzen gelang es Leoni vor einigen Jahren sogar, einen Wettbewerber während der laufenden Produktion der CKlasse von Mercedes zu ersetzen", sagt Uwe Treckmann. Der Commerzbank- Analyst traut dem Zulieferer zu, noch in diesem Jahr viele Ausschreibungen für neue Modelle zu gewinnen. "Die Bordnetze für den Porsche Macan dürfte Leoni liefern", glaubt Treckmann. Ein lukrativer Deal: Die Jahresproduktion des kleinen Bruders des Porsche Cayenne ist längst ausverkauft.

Auch neue Technologien, insbesondere bei der Reduzierung von Emissionen, bieten Chancen. Der französische Zulieferer Valeo war lange ein Sanierungsfall. Doch nach einer umfangreichen Restrukturierung eroberten die Franzosen lukrative Nischen: Bei der Start-Stop- Technologie etwa, die Motoren beispielsweise nach dem Ampelstopp automatisch startet, sind die Franzosen die Nummer 1. Die Bank Société Générale schätzt die jährlichen Wachstumsraten in diesem Teilmarkt auf knapp 40 Prozent.

Im Vergleich zu den Überflieger- Aktien der Marktführer Dürr und Kuka sind die Papiere von Valeo noch günstig. Und sie bleiben interessant: Weitere Coups bei neuen Technologien sollen folgen.

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