Es war Mitte Juli als die US-Notenbankchefin Janet Yellen unter anderem die Bewertung von Biotechnologie-Unternehmen als "gedehnt" bezeichnete. Sie bezog sich dabei zwar vor allem auf kleinere Gesellschaften aus dem Sektor, doch allgemein sind die Bewertungen in der Branche nach mehreren Jahren Hausse deutlich anspruchsvoller geworden. Auch die Analysten von Morgan Stanley hatten unlängst davor gewarnt, im Biotechbereich würden Investoren teilweise die Risiken übersehen. Außer einem kleinen Schluckauf in Reaktion auf die damalige Aussage hat aber weder das noch die Yellen-Warnung viel bewirkt. Der Nasdaq Biotechnology Index notiert heute vielmehr sogar rund 16 Prozent höher als damals und er ist eben erst auf neue Rekorde vorgerückt.



Was Yellen über die Bewertung der großen Biotechkonzern denkt, ist nicht überliefert. Das gilt auch für die Aktie von Applied Molecular GENetics, bekannter unter dem abgekürzten Namen Amgen Inc. (WKN: 867900, 127,971 Euro, 158,94 Dollar). Das 1980 gegründete und in Deutschland mit drei Gesellschaften vertretene Biotechunternehmen gilt als das weltgrößte unabhängige Biotechnologie-Unternehmen. Zu den wichtigsten Produkten zählen Mittel gegen Blutarmut, Krebs und rheumatische Arthritis. Verstärkt hinzukommen sollen außerdem auf biologischer Basis entwickelte Medikamente, wie etwa den Cholesterinsenker Evolocumab, der als potenzieller Blockbuster gilt. Auf diese Entwicklung von Biosimilars (biotechnologisch produzierte Generika) wird verstärkt gesetzt, nachdem wichtige Präparate ihren Patentschutz verloren haben.

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Geschäftsprognosen angehoben

Die Aktivitäten des Unternehmens kommen an der Börse ebenso gut an wie die jüngst vorgelegten neuen Geschäftszahlen. Für das dritte Quartal wurde ein Umsatzplus von 5,9 Prozent auf 5,03 Milliarden Dollar gemeldet und beim bereinigten Gewinn je Aktie reichte es auch dank einer erneuten Profitabilitätssteigerung beim Arthritis-Medikament Enbrel sogar zu einem Zuwachs von 18,6 Prozent auf 2,30 Dollar. Sowohl bei den Umsätzen als auch beim Gewinn je Aktie wurden damit die Markterwartungen von 4,96 Milliarden Dollar und von 2,11 Dollar übertroffen. Die operative Gewinnspanne kam im Jahresvergleich um 6,9 Prozentpunkte auf 46,7 Prozent voran. Auf der Basis dieser Zahlen erhöhte der Vorstand die Prognosen für das Gesamtjahr. Beim Umsatz werden jetzt zwischen 19,8 und 20,0 Milliarden Dollar in Aussicht gestellt nach bisher 19,5 bis 19,7 Milliarden Dollar und beim bereinigten Gewinn je Aktie 8,45 bis 8,55 Dollar nach bisher 8,20 bis 8,40 Dollar.

Zusammen mit dem Versprechen, auch im kommenden Jahr ein starkes Wachstum vorlegen zu können, sorgte das an der Börse für steigende Kurse. Diese reichten aus, um den Titel auf ein neues Rekordniveau zu hieven. Charttechnisch gesehen ist somit dank eines neu generierten prozyklischen Kaufsignals und einem intakten langfristigen Aufwärtstrend somit alles in Butter. Etwas kritischer ist zumindest optisch betrachtet die Bewertung zu sehen. Das geschätzte KGV bewegt sich auf Basis des für 2014 im Analystenkonsens erwarteten Gewinns von 8,58 Dollar bei 18,5. Das ist fast zwei Mal so viel wie der Gewinnanstieg von 10,28 Prozent, den Analysten dem Unternehmen in den kommenden fünf Jahren per anno je Aktie zutrauen. Auch der Börsenwert übersteigt mit fast 97 Milliarden Dollar den für 2014 erwarteten Umsatz um ungefähr das Fünffache.

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Aktivistische Aktionäre machen Druck

Vermutlich sind es diese anspruchsvollen Bewertungsrelationen, warum Analysten im Schnitt dem Wert nur ein Kursziel zubilligen, das mit 165,52 Dollar nur leicht über der aktuellen Notiz liegt. Doch es gibt auch deutlich optimistischere Experten. So hat Citigroup-Analyst Yaron Weber sein Kursziel für Amgen in Reaktion auf die neuen Unternehmensnachrichten um 23 Dollar auf nunmehr 185 Dollar angehoben. Allerdings basiert das auch auf überdurchschnittlich optimistischen Gewinnschätzungen. Konkret rechnet Weber für 2015 jetzt neu mit einem Gewinn je Aktie von 9,73 Dollar und mit 11,06 Dollar für 2016. Zuversichtlich stimmen ihn unter anderem vier neue Produkte, die im kommenden Jahr an den Markt gebracht werden dürften.

Ebenfalls mit einer Anhebung des Kursziels von 172 auf 182 Dollar hat die Investmentbank Jefferies reagiert. Doch das ist nichts im Vergleich zu dem, was eine Investorengruppe um den Hedgefonds Third Point für möglich hält. Dessen Gründer Daniel Loeb hält sogar Notierungen von 249 Dollar für erreichbar. Allerdings sei dafür eine Aufspaltung in zwei Teile erforderlich. Konkret sieht sein Vorschlag eine Teilung in eine "Reife Gesellschaft" mit älteren und etablierten Arzneimitteln vor und in eine "Wachstumsgesellschaft" mit neuen Produkten, die noch am Anfang stehen, aber besonders hohe Zuwächse versprechen.



Die Verantwortlichen bei Amgen stehen diesem Vorschlag derzeit allerdings reserviert gegenüber. Laut Unternehmens-Chef Bob Bradway sei eine Aufspaltung aus Aktionärssicht nicht die beste Idee. Größeren Erfolg verspreche vielmehr die jetzige Bündelung der Ressourcen. Unterstützung bekommt Bradway in seiner Haltung dabei von den Analysten der Royal Bank of Canada. Nach ihrer Meinung benötigt Amgen die gesamte kommerzielle Struktur, um neue Produkte auf den Markt zu bringen. Außerdem würde sich bei einer Aufspaltung die Steuerquote auf 30 bis 35 Prozent verdoppeln.

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Verwöhnprogramm für die Aktionäre

Was aus der Forderung nach einer Aufspaltung auch wird, das Eingreifen so genannter aktivistischer Investoren kann dem Aktienkurs einer Gesellschaft so oder so neues Leben einhauchen. Denn solche Forderungen machen den Verantwortlichen in dem jeweils betroffenen Unternehmen Feuer unter dem Hintern und sie werden versuchen, mit allen Mitteln den Aktienkurs zu steigern, um weiterer Kritik den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Bei Amgen scheint das auch wieder ähnlich zu laufen. Zumindest wurden zuletzt neben der erhöhten Ergebnisprognose auch andere den Aktienkurs stützende Maßnahmen verkündet. So wird die Dividende um 30 Prozent erhöht und die im Vorjahr nach der rund zehn Milliarden Dollar teuren Übernahme des Konkurrenten Onyx Pharmaceuticals gestoppten Aktienrückkäufe werden wieder aufgenommen. Für insgesamt vier Milliarden Dollar darf Amgen eigene Aktien zurückkaufen. Rund zwei Milliarden Dollar sollen dafür 2015 ausgegeben werden.

Bereits im Juli war zudem weltweit die Streichung von bis zu 2.900 Arbeitsplätzen angekündigt worden. Ziel des Abbaus bis zu jeder siebten Stelle ist es, Geld für die Entwicklung neuer Medikamente freizusetzen. Dabei investiert das Unternehmen schon jetzt knapp 20 Prozent des Umsatzes jährlich in die Erforschung und Entwicklung neuer Präparate. Das sind Investitionen, die Sinn machen und die sich hoffentlich auszahlen werden.

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Fazit: Was den Aktienkurs angeht, so spricht derzeit vieles für weiter steigende Notierungen. Etwas kritisch ist die Bewertung zu sehen, doch dieser Schwachpunkte würde sich relativieren, wenn wie von einigen Analysten erwartete die derzeitig offiziell ausgegebenen Geschäftsprognosen übertroffen werden sollten. Zu beachten sind auch die allgemein anspruchsvollen Bewertungsrelationen im Biotechsektor, die irgendwann zu einer Belastung werden könnten, sobald der Wind an den Börsen allgemein drehen sollte.



Derzeit spricht das eindrucksvolle Chartbild aber für den Titel, der Langfristanleger eine beeindruckende Performance beschert hat. Denn wer im Juli 1998 beim Kurstief von 0,54 Dollar nur 540 Dollar eingesetzt und dafür 1.000 Aktie gekauft hat, der verfügt heute über ein Aktienpaket im Wert von 158.940 Dollar.