Während der DAX auch bei den Anlegern in Österreich oft im Fokus steht, interessieren sich die deutschen Anleger derzeit eher selten für Unternehmen, die an der Börse in Wien gelistet sind. Vor einigen Jahren stellten die wirtschaftlich wesentlich engeren Verflechtungen zu den Märkten in Osteuropa durchaus eine verlockende Chance dar, inzwischen sieht die Lage spätestens seit der Krise in der Ukraine ganz anders aus. Die Banken leiden unter faulen Krediten, viele Investitionen wurden gekürzt oder gestrichen. Mit Folgen, nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch den Aktienmarkt. Österreichs Leitindex ATX steht rund 50 Prozent unter dem 2007er-Hoch, während der international vergleichbare DAX Kursindex leicht im Plus liegt. Doch es wäre falsch, die Börse in Österreich zu ignorieren und das Land nur als Urlaubsdomizil zu sehen. Einige Weltkonzerne wie Andritz glänzen mit starken Perspektiven. Seit 2007 hat sich der Kurs verdoppelt, schon bald dürfte das Rekordhoch aus dem Frühjahr fallen.

Doch der Reihe nach. Das familiengeführte Unternehmen ist ungewöhnlich breit aufgestellt: Egal ob Automatisierung, Chemikalien, Energie, Futtermittel, Nahrungsmittel, Bergbau, Faserplatten, Altpapier, Pumpen - die Österreicher bieten Anlagen, Ausrüstungen und Services für viele Branchen an. Um hier nicht den Überblick zu verlieren, sorgen vier Segmente für Klarheit. Als einer der weltweit führenden Lieferanten von Anlagen, Ausrüstungen und Serviceleistungen für Wasserkraftwerke ist der Bereich Andritz Hydro eine wesentliche Säule des Konzerns und steuerte in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres knapp ein Drittel zu den Erlösen bei. Geringfügig größer fallen die Umsätze mit der Zellstoff- und Papierindustrie aus (Pulp&Paper). Mit der Metall verarbeitenden Industrie und Stahlindustrie werden rund 27 Prozent der Umsätze generiert. Der Rest entfällt auf Andritz Seperation mit Systemen für die Behandlung von Industrie- und Abwasserschlamm, Bergbau und die Lebensmittelindustrie. Rund 60 Zukäufe in den vergangenen 20 Jahren hätten so manches Management in Schwierigkeiten bei der Integration geführt. Nicht so bei Andritz. Bei den Zukäufen gelten strenge Regeln. In Frage kommen nur Akquisitionen, mit denen sich die Chance bietet, zu den drei besten im jeweiligen Marktsegment aufzusteigen.

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Breite Aufstellung, kaum Sorgen



Natürlich ist auch Andritz nicht immun gegen einen weltweiten Abschwung. Im Frühjahr markierte die Aktie bei 57 Euro ihre bisherige Bestmarke. Sorgen um die Konjunktur in China und damit in der Automobil- und Zulieferindustrie drückten den Kurs anschließend um gut 30 Prozent. Doch wer bei rund 40 Euro verkaufte, dürfte sich jetzt ärgern. Inzwischen holte die Aktie einen Teil der Verluste auf. Hier spielt die breite Aufstellung dem Konzern in die Karten. So wird eine schwächere Nachfrage in einzelnen Bereichen durch weniger zyklische Segmente wie die Wasserkraftwerkssparte kompensiert. Auch regional lauern kaum größere Risiken, denn die Österreicher sind weltweit präsent. In Europa wurden im Zeitraum von Januar bis September 40 Prozent der Erlöse erzielt, auf Nord- und Südamerika sowie Asien entfallen jeweils zwischen 14 bis 23 Prozent.

Wie erfolgreich die Strategie funktioniert, belegen auch jüngsten Zahlen. In den ersten drei Quartalen kletterte der Umsatz der Gruppe um gut elf Prozent auf 4,6 Mrd. Euro, wobei wie auch im Berichtssemester alle vier Geschäftsbereiche Umsatzzuwächse verzeichneten. Bei einem Ebita im dritten Jahresviertel von 110 Mio. Euro erzielte Andritz eine Marge von sieben Prozent, die sowohl über dem Niveau des Vorjahreszeitraums als auch der 2014er-Quote von 6,5 Prozent liegt. Bereinigt um Sondereffekte lag das Ebita der Gruppe bei 135 Mio. Euro und führte zu einer Marge von 8,5 Prozent - zugleich ein Rekordwert für ein drittes Quartal. Besonders die beiden Bereiche Pulp&Paper sowie Metals zeigten sich mit 9,1 und 10,4 Prozent sehr stark - ein klarer Beleg für den Vorteil der breiten Aufstellung.

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Im vierten Quartal klingelt wieder die Kasse



Enttäuschend entwickelte sich hingegen auf den ersten Blick der Auftragseingang, der im dritten Quartal um gut 25 Prozent unter dem hohem Vergleichsquartal des Vorjahres lag. Bezogen auf die ersten drei Quartale steht ein Minus von fast 18 Prozent in den Büchern. Allerdings rechnen die Analysten von Warburg Research bereits für das vierte Quartal mit einem starken Anstieg beim Auftragseingang von 37 Prozent. Besonders der rund 600 Mio. Euro schwere Großauftrag von Fibria zur Lieferung von Ausrüstung für das neue Zellstoffwerk Horizonte 2 in Brasilien dürfte den Jahresabschluss deutlich positiv beeinflussen. Die Experten sehen daher für 2015 nur einen geringen Rückgang beim Auftragseingang von knapp vier Prozent.

Unter Berücksichtigung der unverändert hohen Cashreserven von mehr als eine Mrd. Euro ist die Aktie auch unter dem Blickwinkel der Bewertung mit einem 2016er-KGV von ungefähr 16 durchaus interessant, wobei der Faktor auf liquiditätsbereinigter Basis noch attraktiver ausfällt. Auch die Dividendenrendite von gut drei Prozent kann sich sehen lassen und spricht ebenfalls für die Aktie. Analysten raten überwiegend zum Kauf. JPMorgan, Hauck & Aufhäuser sowie Kepler Cheuvreux sehen das Kursziel zwischen 53,50 Euro bis 57 Euro. Abgesichert mit einem Stopp im Bereich um 37 Euro bietet die Aktie weiterhin beste Chancen, auf die breite Aufstellung eines Weltkonzerns zu setzen, der nicht in Deutschland beheimatet ist, aber dennoch durchweg überzeugt.

Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast beim Deutschen Anlegerfernsehen (DAF), Gastautor bei n-tv und gern gesehener Vortragsredner. Er hält regelmäßig Webinare, referierte unter anderem beim Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD) und betreute mehrere Jahre für die Commerzbank den Zertifikate-Newsletter ideas daily.

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