Einen derart spektakulären Einstand dürfte in der knapp 28-jährigen Geschichte des DAX kaum ein Konzernchef erlebt haben. Keine drei Wochen, nachdem Werner Baumann bei Bayer die Spitzenposition übernommen hatte, holte der 53-Jährige zum großen Schlag aus. Das Chemieunternehmen möchte für insgesamt 62 Milliarden US-Dollar den US-Saatgutriesen Monsanto schlucken. Klappt der Deal, würden die Leverkusener die bisher größte Übernahme eines deutschen Unternehmens durchziehen. In einer Investorenkonferenz stellte Baumann den Vorstoß in einen globalen Zusammenhang. Er sieht die Agrarindustrie im Zentrum folgender Herausforderung: "Wie können wir bis 2050 zusätzliche drei Milliarden Menschen auf unserem Planeten ernähren?"

Allem Pathos zum Trotz, die Anleger konnte der Topmanager zunächst nicht von seinen Plänen überzeugen. Seit Bayer am 19. Mai erstmals Gespräche mit Monsanto einräumte, büßte das DAX-Schwergewicht mehr als ein Zehntel an Wert ein. Darüber hinaus holte sich Baumann in den USA eine Abfuhr. Monsanto hält die Offerte für zu niedrig, zeigt sich jedoch für weitere Gespräche offen. Im Klartext: Bayer muss noch tiefer in die Schatulle greifen, um den Aufstieg zum führenden Anbieter von Pflanzenschutzmitteln und Saatgut zu schaffen. Dabei ist die Offerte für das Unternehmen schon jetzt alles andere als günstig. Zu einem Viertel möchte Bayer den Deal über eine Kapitalerhöhung finanzieren - was zu einer Verwässerung der bestehenden Anteile führt. Den Rest sollen Kredite beisteuern. Zwar plant Werner Baumann, die neuen Schulden rasch wieder abzutragen. Allerdings muss sich erst zeigen, ob der Zusammenschluss tatsächlich schnell zu den dazu nötigen Cashflows führt. Da wir insgesamt die Skepsis vieler Investoren teilen, haben wir die Bayer-Aktie auf "Verkaufen" herabgestuft.

Sparsame Bauern



Einfluss auf dieses Urteil nehmen auch das schlechte Image von Monsanto sowie die schwierige Lage im Agrargeschäft. Seit Jahren stehen die Preise von Weizen & Co unter Druck. Daran konnte bis dato auch der von Baumann skizzierte Megatrend wenig ändern. Vielmehr prägen Rekordernten und gut gefüllte Lager den Warenhandel. Diese Entwicklung geht an der Agrochemiebranche nicht spurlos vorbei. 2015 nahm der weltweite Absatz von Pflanzenschutzmitteln um knapp ein Zehntel auf 51,2 Milliarden US-Dollar ab (siehe Grafik auf Seite 3). Insofern überrascht die laufende Konsolidierungswelle nicht.

Monsanto wurde dabei vom Jäger zum Gejagten. Der US-Konzern wollte eigentlich den Agrochemiespezialisten Syngenta übernehmen, holte sich bei den Eidgenossen im vergangenen Jahr allerdings eine Abfuhr. Mittlerweile buhlt Chemchina mit einer 43 Milliarden US-Dollar schweren Offerte um den Konzern. Noch scheinen Investoren Zweifel zu hegen, ob der Deal die regulatorischen Hürden nimmt: Syngenta notiert weit unter dem Angebotspreis, weshalb sich für mutige Anleger eine Arbitragechance bietet. Derweil läuft in den USA die Fusion zwischen Dow Chemical und DuPont. Das Duo möchte das Pflanzenschutz- und Saatgutgeschäft in eine eigenständige Gesellschaft auslagern.

Relativ kalt lässt das Übernahme- und Fusionsfieber bis dato BASF. Der Pflanzenschutzbereich ist mit einem Jahresumsatz von zuletzt 5,8 Milliarden Euro zwar die kleinste Sparte des Chemiekonzerns. Allerdings wirft das Segment die höchste operative Marge ab. Im Kampf gegen Schädlinge und Unkraut ist das DAX-Mitglied fit für die Zukunft. "BASF hat eine sehr gute Pipeline, deren Umsatzpotenzial in den vergangenen Jahren stetig gestiegen ist", meint Commerzbank-Analyst Lutz Grüten. Das Unternehmen traut seinen in der Entwicklung steckenden Produkten Spitzenerlöse von drei Milliarden Euro zu.



Möglicherweise geht BASF ohne eigenes Zutun als Sieger aus der Branchenkonsolidierung hervor. Die Kartellbehörden dürften den Bayer-Monsanto-Deal kaum absegnen, ehe die beiden Unternehmen bereit sind, sich von Teilbereichen zu trennen. Nach Ansicht von Christian Faitz, Analyst bei Kepler Cheuvreux, können die Ludwigshafener zunächst abwarten. "Dann könnten durchaus größere Pakete auf den Markt kommen, wo BASF zu vernünftigen Preisen zukaufen kann", so der Experte. Wir sehen das ähnlich. Da dem Chemieriesen darüber hinaus die Stabilisierung der Weltkonjunktur sowie der steigende Ölpreis in die Hände spielen, stufen wir den Bluechip auf "Kaufen" herauf.

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Solider Small Cap



Chancen bietet auch KWS Saat. Das SDAX-Unternehmen beliefert Landwirte mit Saatgut für Mais, Zuckerrüben und Getreide. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters machte Finanzchefin Eva Kienle vor Kurzem deutlich, dass die Ausweitung dieser Palette derzeit genauso wenig zur Debatte steht wie der Vorstoß in den Pflanzenschutzbereich. "Unser Wachstum ist sehr stark organisch getrieben", betonte die Managerin. Die Zahlen geben ihr Recht. In den vergangenen vier Jahren verbuchte der nach eigenen Angaben viertgrößte Saatguthersteller der Welt im Schnitt ein Umsatzplus von 10,2 Prozent. Wenngleich das operative Ergebnis mit dieser Gangart nicht Schritt halten konnte, fährt KWS beständig eine prozentual zweistellige Marge ein. Dabei soll es auch in der laufenden Geschäftsperiode 2015/16 (30. Juni) bleiben. Die KWS-Aktie reiht sich im bisherigen Jahresverlauf also zu Recht unter den Top-Performern im SDAX ein. Das Unternehmen ist gut aufgestellt und könnte ähnlich wie BASF zu den Profiteuren der Konsolidierungswelle unter den Agrarunternehmen zählen. Typisch für einen Small Cap dürften die Niedersachsen die spektakulären Schlagzeilen weiter den Konzernen aus der ersten Börsenreihe überlassen.



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