Viele Anleger blicken derzeit beinahe ungläubig auf die Kurstafel der Frankfurter Börse. Dem DAX gelang Ende Februar das Kunststück, sieben Tage in Folge auf einem neuen Rekordstand zu schließen. Der Leitindex hat reihenweise Hundertermarken gerissen und um die 11 400 Punkte einen Stand erreicht, den die meisten Experten nicht einmal zum Jahresende 2015 für möglich gehalten hätten. Ein Ende des Aufwärtstrends ist nicht in Sicht, zumal die Hauptbelastungsfaktoren der vergangenen Wochen und Monate - Ukraine und Griechenland - sich zusehends entspannen. Zudem treibt die Geldflut der Notenbanken die Börsen weiter an. Ein weiterer Kurstreiber ist die aktuell laufende Bilanzsaison. Beinahe täglich berichten ein oder mehrere DAX-Konzerne über die Geschäftsentwicklung im vergangenen Jahr und geben erste Prognosen zu 2015 ab. Bislang konnten die meisten Unternehmen überzeugen. Der Chemiekonzern Bayer etwa rechnet nach dem Umsatzrekord im vergangenen Jahr für 2015 mit weiter steigenden Umsätzen und Gewinnen. Grund ist vor allem der Erfolg neuer Medikamente. "Wir blicken weiterhin optimistisch in die Zukunft", sagte Bayer-Chef Marijn Dekkers.

Enttäuschende Geschäftszahlen wie von der Allianz machen die Marktteilnehmer derzeit nicht nervös. Bei dem Versicherungskonzern halfen weder der ordentliche Gewinnzuwachs im vergangenen Jahr noch eine Rekorddividende. Denn die Gewinnprognose von Vorstandschef Michael Diekmann fiel mager aus: "Das wirtschaftliche Umfeld wird uns auch in diesem Jahr fordern. Unser aktueller Ausblick für das operative Ergebnis liegt bei 10,4 Milliarden Euro, plus/minus 400 Millionen Euro." Nach drei Jahren mit stärkerem Wachstum wird der Profit im laufenden Jahr damit wohl lediglich das 2014er-Niveau erreichen können.

Die aktuellen Ausblicke der Unternehmenslenker sind eine prima Gelegenheit, unsere Gewinnprognosen auf den Prüfstand zu stellen. BÖRSE ONLINE hat in der aktuellen Heftausgabe daher die 2015er-Ergebnisschätzungen für rund 560 deutsche Dividendenpapiere auf den neuesten Stand gebracht. Zudem haben wir erstmals Prognosen für das kommende Jahr erstellt. Sie finden diese ab sofort im Heft im Datenbankteil "Deutsche Aktien. Auch die Angaben zum Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) beziehen sich nun auf 2016.

Auf Seite 2: 13 wachstumsstarke Kaufkandidaten



13 wachstumsstarke Kaufkandidaten

Zudem haben wir insgesamt 13 Aktien herausgefiltert, bei denen in den kommenden Jahren überdurchschnittlich hohe Wachstumsraten beim Gewinn zu erwarten sind. Jeweils zwei stammen aus den vier Auswahlindizes DAX, MDAX, SDAX und TecDAX.

Im DAX sind die aktuellen Mitglieder drauf und dran, die Rekordgewinnsumme von 85,1 Milliarden Euro aus dem Jahr 2007 zu knacken: Insgesamt dürften die 30 Konzerne im laufenden Jahr mit 85 Milliarden Euro 16,7 Prozent mehr verdienen als im Vorjahr. 2016 könnte die Gewinnsumme dann auf fast 94 Milliarden Euro klettern. Das wäre nochmals ein Plus von 10,5 Prozent. Im Gleichschritt sinken die Bewertungen. Während der DAX aktuell mit dem 14,6-Fachen der geschätzten 2015er-Gewinne bewertet wird, geht die Kennzahl für das Jahr 2016 auf etwa 13,1 zurück.



Unter den Einzelwerten ragt ThyssenKrupp heraus. Der Industriekonzern hat sich nach drei Verlustjahren wieder in die schwarzen Zahlen gekämpft - das Sparprogramm zeigt Wirkung. Unter dem Strich verdiente ThyssenKrupp in dem im September 2014 zu Ende gegangenen Geschäftsjahr 210 Millionen Euro. Im Vorjahr war noch ein Verlust von 1,4 Milliarden Euro angefallen. Für das Geschäftsjahr 2014/2015 kündigte ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger erneut schwarze Zahlen mit einem "deutlich" positiven Jahresüberschuss an. Analysten trauen ThyssenKrupp in der laufenden und in der kommenden Geschäftsperiode ein durchschnittliches Gewinnplus von knapp über 100 Prozent zu.



Mit einem erwarteten Gewinnwachstum von 108,3 Prozent pro Jahr setzt Lanxess noch eins drauf. Das Ergebnis je Aktie könnte sich zwischen 2014 und 2016 von 62 Cent auf 2,82 Euro mehr als vervierfachen. Commerzbank-Analyst Markus Wallner sieht Lanxess als Hauptprofiteur der Euroschwäche. Der Experte hat errechnet, dass eine Abwertung des Euro zum Dollar von fünf Prozent dem Konzern auf operativer Basis zu einem Extra-Gewinnplus von elf Prozent verhelfen würde.

Auf Seite 3: MDAX knackt magische Marke



MDAX knackt magische Marke

Wie an der Schnur gezogen geht es derzeit auch für den MDAX nach oben. Erstmals in seiner Geschichte hat der Index für die mittelgroßen Unternehmen die Marke von 20 000 Punkten gerissen. Basis des Erfolgs sind nicht zuletzt die stetigen Gewinnsteigerungen in dem Index. Während die 50 Unternehmen im vergangenen Jahr ersten Berechnungen zufolge gut 13,5 Milliarden Euro verdient haben, dürfte die Gewinnsumme 2016 die Marke von 17 Milliarden Euro knacken.



Ein Garant für regelmäßig steigende Erträge ist Rheinmetall, auch wenn bei dem Autozulieferer und Rüstungskonzern zwischendurch immer wieder politische Entscheidungen für Unsicherheit sorgen. Wer sich hier engagiert, sollte also einen langen Atem mitbringen, um Kursdellen wie im zweiten Halbjahr 2014 überstehen zu können. Im vergangenen Jahr haben gute Geschäfte mit der Fahrzeugindustrie dem Konzern die Bilanz gerettet. Ab 2015 dürfte sich der harte Sparkurs auszahlen. Analysten erwarten, dass sich das Ergebnis je Aktie dadurch mehr als verdreifachen wird. Für 2016 steht dann ein weiterer Anstieg von 23 Prozent auf der Agenda.

Auf Seite 4: Leoni lockt mit einstelligem KGV



Leoni lockt mit einstelligem KGV

Mit so starken Zuwächsen kann der Autozulieferer und Kabelspezialist Leoni nicht aufwarten. Doch angesichts des erwarteten Gewinnwachstums von 32,2 Prozent per annum bis 2016 ist die Aktie mit einem KGV von rund neun sicherlich alles andere als teuer. Nach dem Rekordjahr 2014 sieht sich das Unternehmen auf Kurs zu seinen Zielen für 2016. Die Nürnberger peilen weiterhin fünf Milliarden Euro Umsatz an. Das wären 22 Prozent mehr als 2014. Vor Zinsen und Steuern sollen dann sieben Prozent des Umsatzes als Gewinn hängen bleiben. Wenn dieses Unterfangen gelingt, besteht bei den Gewinnprognosen noch reichlich Spielraum nach oben.



Mit dem stärksten Ertragswachstum wartet der SDAX auf. Die Gewinne der 50 Mitglieder des Small-Cap-Index dürften zwischen 2014 und 2016 von 1,83 Milliarden auf 3,23 Milliarden Euro zulegen. Voraussichtlich wird dann auch kein einziges SDAX-Unternehmen mehr einen Verlust ausweisen. Im vergangenen Jahr war das immerhin noch bei drei Firmen der Fall: Heidelberger Druck, SGL Carbon und Vossloh.



Magere Zeiten hat Ströer Media hinter sich. Nach zwei Verlustjahren reichte es 2013 wieder zu einem kleinen Gewinn. Seitdem geht es steil nach oben. Im vergangenen Jahr blieben unter dem Strich bereits 54 Cent als Gewinn hängen - fast siebenmal so viel wie in der Periode davor. Der Spezialist für Außenwerbung profitiert von der strategischen Neuausrichtung als integriertes und zunehmend digitales Medienunternehmen. Die Kombination aus Online- und Plakatwerbung begeistert Analysten. Sie trauen dem Unternehmen bis 2016 einen Gewinnanstieg von 69 Prozent pro Jahr zu.



Sogar um fast 100 Prozent jährlich könnte es bei Tom Tailor nach oben gehen - vorausgesetzt, der Modekonzern bekommt sein Sorgenkind Bonita in den Griff. Mit der Übernahme des Labels im Jahr 2012 hatte sich das Unternehmen einen Klotz ans Bein gebunden. Doch nun zeichnet sich Entspannung ab. Da Tom Tailor 2014 insbesondere die Aktivitäten zur Weiterentwicklung der Organisation und die Verbesserung der Umsatzqualität bei Bonita vorantrieb sowie die Steigerung der Profitabilität im Fokus hatte, erzielte das Unternehmen erstmals seit dem Zukauf wieder ein positives Konzernergebnis.

Auf Seite 5: Kräftige Gewinnerholung im TecDAX



Kräftige Gewinnerholung im TecDAX

Eine Sondersituation herrscht im TecDAX vor. Hier brachte der Verlust im dreistelligen Millionenbereich, der bei Telefónica Deutschland aufgrund der Fusion mit E-Plus aufgelaufen war, die Gewinne insgesamt unter Druck. Daher verdienten die 30 Firmen 2014 in der Summe gut 30 Prozent weniger als im Vorjahr. Allerdings dürften sich die Ergebnisse bis 2016 kräftig erholen. Mit geschätzt 2,85 Milliarden Euro werden die Indexmitglieder dann rund 15 Prozent mehr verdienen als 2013.



Allein knapp 300 Millionen Euro wird aller Voraussicht nach Qiagen dazu beitragen. Damit ist die Gesellschaft hinter BB Biotech und United Internet der drittgrößte Gewinnbringer im Index für Technologieaktien. Auch gemessen an der durchschnittlichen Gewinnsteigerungsrate von mehr als 60 Prozent ist das Biotechunternehmen sehr weit vorn zu finden. Qiagen profitiert vom Trend zur personalisierten Medizin. Da die Aktie zudem charttechnisch hervorragend aussieht, hat sie das Potenzial, im laufenden Jahr zu einem Überflieger zu werden.



In Wartestellung ist dagegen die Cancom-Aktie. Der Titel kämpft seit etwa einem Jahr mit dem hartnäckigen Widerstand bei 40 Euro. Angesichts des großen Gewinnsteigerungspotenzials sollte aber schon bald der Sprung darüber gelingen. Der IT-Dienstleister setzt auf den Megatrend Cloud Computing, bietet seine Lösungen also zunehmend über das Internet an. Die Zahlen geben Cancom recht: Im vierten Quartal 2014 sind die Erlöse um 25,2 Prozent auf 245,8 Millionen Euro geklettert. Das operative Ergebnis stieg um 59,4 Prozent auf 10,6 Millionen Euro, also klar überproportional. In diesem Stil dürfte es weitergehen: Analysten gehen von einem durchschnittlichen jährlichen Gewinnwachstum von 41,4 Prozent bis 2016 aus.

Auf Seite 6: Gewinndauerbrenner aus deutschen Indizes