Mitten in der schwersten Krise der Unternehmensgeschichte verliert der angeschlagene Bau- und Ingenieurdienstleister Bilfinger seinen Chef. Der Norweger Per Utnegaard scheidet nach nur elf Monaten im Amt völlig überraschend zum Ende dieses Monats aus. Die Entscheidung habe rein persönliche Gründe, ein Streit über die Strategie des Mannheimer Konzerns stecke nicht dahinter, hieß es aus Unternehmenskreisen am Mittwoch. Es sei eine freundschaftliche Trennung, und es werde keine Abfindung fließen. Die Suche nach einem Nachfolger für den 56-jährigen Manager, den Aufsichtsratschef Eckhard Cordes nach längerer Suche im vergangenen Jahr als Nachfolger des früheren hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch gewinnen konnte, läuft schon. Vorerst übernimmt Finanzvorstand Axel Salzmann zusätzlich die Aufgaben des Vorstandsvorsitzenden.

Bei Bilfinger geht es seit fast zwei Jahren drunter und drüber. Ausgangspunkt der Krise war das verlustreiche Kraftwerksgeschäft. Die Energiewende und Managementfehler ließen die Aufträge zur Konstruktion und Wartung von Kraftwerken einbrechen. Koch musste nach mehreren Gewinnwarnungen seinen Hut nehmen. Mittlerweile belastet auch der niedrige Ölpreis und die schwache Konjunktur das Geschäft. Innerhalb kurzer Zeit wurde fast der ganze Vorstand ausgewechselt, rund 2000 Arbeitsplätze fielen weg. Der Hauptaktionär Cevian, ein Finanzinvestor aus Schweden, stockte seine Beteiligung auf gut 25 Prozent auf und übernahm die Kontrolle. Durch die Krise hat die Aktie massiv an Wert verloren, sodass Cevians Investment deutlich unter dem Einstiegspreis liegt. Die im MDax gelisteten Aktien rutschten am Mittwoch zweitweise um mehr als vier Prozent ab.

AUF SCHRUMPFKURS



Im vergangenen Jahr verbuchte Bilfinger einen Rekordverlust von knapp einer halben Milliarde Euro. Utnegaard habe das Unternehmen in einer herausfordernden Phase geleitet, erklärte Aufsichtsratschef Eckhard Cordes. An der Strategie, sich auf das "Kerngeschäft" zu fokussieren, ändere sich nichts. "Dieser strategische Weg wird konsequent fortgesetzt und Bilfinger zurück auf einen profitablen Wachstumskurs gebracht."

Mit der Krise ist der Traditionskonzern, dessen Wurzeln bis ins Jahr 1880 zurückreichen, auf Schrumpfkurs. Das kleine Geschäftsfeld Wassertechnologie wurde bereits für gut 200 Millionen Euro abgegeben. Die verlustreiche Kraftwerkssparte steht seit dem vergangenen Jahr zum Verkauf. Hier werde inzwischen geprüft, ob auch ein Verkauf in Teilen statt als Gesamtpaket möglich ist, hieß es aus Unternehmenskreisen. Kaum hatte Utnegaard Ende vergangenen Jahres als Strategie ausgerufen, sich auf die beiden verbleibenden großen Zweige Bau- und Immobiliengeschäft (Building und Facility) sowie Industrieservices zu konzentrieren, da wurde dieses Konzept schon wieder in Frage gestellt. Seit Januar wird auch ein Verkauf von "Building und Facility" geprüft, da sich mehrere Kaufinteressenten gemeldet hätten.

Eine Entscheidung soll bald fallen, voraussichtlich bis zur Hauptversammlung am 11. Mai. Der Betriebsrat und die Gewerkschaften IG Metall und IG BAU hatten den Strategieschwenk scharf kritisiert. Wie Reuters von mehreren Personen erfahren hatte, lichtete sich der Kreis der Bieter. Gespräche liefen noch mit der französischen Engie (ehemals GDF Suez) und mit dem Finanzinvestor EQT. Doch lägen die Vorstellungen über den Preis noch auseinander: Bilfinger verlange 1,3 Milliarden Euro, die potenziellen Käufer wollten aber nicht mehr als 1,1 Milliarden Euro ausgeben.

Reuters