Der neue Bilfinger-Chef Per Utnegaard übernimmt mit der Führung des krisengeschüttelten Bau- und Dienstleistungskonzern eine Herkulesaufgabe: Der Norweger, zuletzt Chef des Schweizer Flughafendienstleisters Swissport, muss nach seinem Amtsantritt im Juni den Sparkurs bei dem Traditionskonzern verschärfen, eine neue Strategie finden und das Vertrauen der Börse wieder erlangen. Operativ sei noch viel aufzuräumen, gab Übergangschef Herbert Bodner, der nach dem Abtritt des früheren hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch im August das Amt befristet übernommen hatte, am Donnerstag zu. "Das wird meinen Nachfolger heftig begleiten." Kurz vor der Bekanntgabe des neuen Chefs schockte Bilfinger die Anleger mit der fünften Gewinnwarnung innerhalb von zehn Monaten. Wegen eines weiteren Einbruchs im Kraftwerksgeschäft kehrte Bilfinger die Prognose für 2015 ins Gegenteil: Der operative Gewinn soll nun erheblich unter statt leicht über dem Vorjahreswert von 270 Millionen Euro liegen.

Eine genaue Prognose für diese Jahr sei nun Sache des neuen Vorstandschefs und noch nicht möglich, sagte Bodner. Sie hinge davon ab, wie hoch die Restrukturierungskosten und mögliche erneute Abschreibungen ausfallen würden. Auch zur neuen Strategie, vor allem der Zukunft der Power-Sparte, wollte Bodner dem neuen Chef nichts vorwegnehmen. Es wäre sicher besser gewesen, wenn der dauerhafte Koch-Nachfolger schon früher angefangen hätte. Doch habe es mangels interner Kandidaten keine geeignete Person gegeben, erklärte Bodner.

Utnegaard ist ein Logistik-Fachmann. Zuvor war er Manager bei Danzas/Deutsche Post und TNT. In der Branche des Mannheimer Konzerns - Technikdienstleistungen für den Energiesektor, die Industrie, Bau und Gebäudemanagement - ist der 55-Jährige ein unbeschriebenes Blatt. Von Koch und dessen Vorgänger Bodner übernimmt er nun ein schweres Erbe. Nach den fünf Prognosesenkungen ist Bilfinger an der Börse in Ungnade gefallen. Die im Nebenwertesegment MDax notierte Aktie brach um bis zu 16 Prozent auf gut 48 Euro ein. Equinet-Analyst Ingbert Faust ist der Ansicht, dass das Vertrauen der Anleger in Bilfinger für geraume Zeit gestört sein wird. Norbert Kretlow von der Commerzbank empfahl die Aktie weiter zum Kauf, denn die angekündigte massive Restrukturierung lasse Hoffnung schöpfen.

Bilfingers Hauptaktionär und Finanzinvestor Cevian wollte die Gewinnwarnung nicht kommentieren. Vor drei Wochen erst war der neue Finanzchef Axel Salzmann bei Bilfinger angetreten, den der neue Aufsichtsratschef und Cevian-Vertreter Eckhard Cordes gewonnen hatte.

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MISERE BEI POWER - "SCHÖNWETTERSEGLER"

Der Mannheimer Konzern steckt seit rund einem Jahr in einer schweren Krise. Bilfinger hatte sich in den vergangenen Jahren immer stärker vom Baugeschäft auf Ingenieurdienste verlegt, was sich in der aktuellen Marktlage als schwere Last herausstellt. Wegen der Energiewende in Deutschland werden Kraftwerke stillgelegt, an der Wartung wird gespart. Bilfinger-Großkunden wie der Ölkonzern Statoil fahren wegen des Ölpreisrückgangs die Erneuerung und Wartung ihrer Anlagen zurück. In den USA brechen die Aufträge bei der Schiefergas-Förderung wegen der Konkurrenz des billigen Öls weg. Bilfinger sah das kommen, hat Bodner zufolge aber das Ausmaß unterschätzt. "Wir leiden mehr als wir dachten unter der Situation der Ölpreisentwicklung", sagte er. Die Projektmanager in der zuvor erfolgsverwöhnten, rentablen Sparte hätten auf den Einbruch nicht schnell genug reagiert. "Wenn Sie Schönwettersegler in den Sturm schicken, gibt es Schwierigkeiten", sagte Bodner.

Nun müssten die Kapazitäten in der Sparte Power noch viel stärker abgebaut werden als bisher geplant. Zuletzt sollten 370 Stellen entfallen. Auch in der Hauptsparte Industrie und in der Verwaltung wird der Rotstift angesetzt. Konkrete Zahlen nannte Bodner nicht. Im ersten Quartal rutschte Bilfinger in die roten Zahlen. Operativ stand ein Verlust von acht Millionen Euro zu Buche nach einem Gewinn von 47 Millionen Euro im Jahr zuvor. Die Leistung erreichte 1,76 Milliarden Euro nach 1,72 Milliarden Euro. Einziger Hoffnungsschimmer war der höhere Auftragseingang.

Reuters