Es wirkt genauso und kostet weniger als das Originalmedikament, dessen Patentschutz demnächst abläuft: ABP 501 hat grünes Licht von der US-Zulassungsbehörde FDA erhalten. Damit kann das vom Biotechkonzern Amgen entwickelte Präparat gegen Schuppenflechte, Rheuma und fünf weitere Indikationen eingesetzt werden. Jeder einzelne dieser Märkte ist milliardenschwer.

ABP 501 ist kein neues Heilmittel, sondern eine Nachbildung das Antikörpermedikaments Humira. 14 Milliarden US-Dollar - und damit mehr als die Hälfte seiner Erlöse - hat der Pharmakonzern Abbvie damit 2015 umgesetzt.

Für Biotechpionier Amgen bedeutet ABP 501 den Einstieg ins Geschäft mit Kopien von Arzneien, deren Patentschutz abläuft. Damit dreht Amgen den Spieß um, denn das Unternehmen ist selbst von Patentabläufen betroffen: 2015 hatte Sandoz, die Generikasparte des Pharmakonzerns Novartis, die Zulassung für Zarxis bekommen. Dieses Mittel ist eine Kopie von Amgens Blutbildungsmittel Neupogen, dessen Patentschutz abgelaufen ist.

Das Potenzial ist enorm: In den kommenden Jahren wird eine zweite Welle von Patentabläufen bei biotechnologisch hergestellten Medikamenten den Markt aufmischen. Bei zahlreichen Heilmitteln mit Milliardenumsätzen wie Avastin und Herceptin gegen Krebs oder Humira und Enbrel gegen Rheuma läuft der Patentschutz ab. Schätzungen des Branchendienstes IMS Health gehen davon aus, dass sich die Umsätze mit Biosimilars bis 2020 vervielfachen werden (siehe Tabelle Seite 3).

Die Unterschiede zu herkömmlichen Generika, also Kopien gebräuchlicher Arzneien, sind beträchtlich. Die Eiweißstrukturen der Biotech-Medikamente können zwar immer besser nachgebildet werden, sind aber nicht identisch - daher der Name Biosimilars. Um Wirkprofil und Sicherheit zu beweisen, sind daher klinische Studien obligatorisch. Die Gesamtkosten für ein Biosimilar belaufen sich auf 200 bis 500 Millionen US-Dollar.

Bislang waren Biosimilars eine Domäne der Europäer und Asiaten. Doch mit dem zunehmenden Kostendruck wendet sich das Blatt. "Sollte Hillary Clinton die US-Präsidentschaftswahlen gewinnen, werden Reformen im Gesundheitswesen den Biosimilars einen weiteren Wachstumsschub geben", erklärt Harald Schwarz, Geschäftsführer der Investmentberatungsfirma Medical Strategy. "Außerdem haben den Originalherstellern die Preiserhöhungen der vergangenen Jahre vor dem Patentablauf eine extrem attraktive Basis zur Preisreduktion geschaffen. Das wird in Zukunft den Preiskampf mit Biosimilarspezialisten weiter verschärfen."

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Wer zuerst kommt, kassiert zuerst



Wer bei Biosimilars den Ton angeben will, muss einige Erfolgsfaktoren berücksichtigen. "Entscheidend ist es, mit dem Produkt zuerst auf dem Markt zu sein. Zwei bis maximal drei Firmen haben Chancen, mit einem Biosimilarprodukt genügend Marktanteile zu erobern, um Gewinne einzufahren, die deutlich über den Anlaufkosten liegen", sagt Oliver Kubli, Portfoliomanager bei BB Bellevue. Im Hinblick auf die Preissetzungsmacht der Anbieter erläutert sein Kollege Christian Lach: "Für einzelne Medikamentenklassen werden Versicherer teilweise über Exklusivvereinbarungen die Marktdurchdringung antreiben. Wer hier zum Zug kommen will, muss größere Preisabschläge über größere Produktionsmengen kompensieren."

Noch teilt eine Vielzahl von internationalen, regionalen und lokalen Akteuren den Weltmarkt für Biosimilars unter sich auf. Wer vom erwarteten Boom der neuen Medikamentengattung profitieren will, kann zum einen auf ausgewählte Pharma- und Biotechfirmen setzen, deren Biosimilar-Standbein mit ersten Produkten wächst. Amgen ist hier aufgrund der günstigen Bewertung und der sich wieder beschleunigenden Gewinnentwicklung erste Wahl.

Ein besonders spannendes Investment ist Coherus BioSciences. Die Gesellschaft will noch in diesem Jahr den Zulassungsantrag für ein Biosimilar zu Enbrel einreichen. Dieses Medikament von Amgen erzielte zuletzt rund 5,4 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz. Neben einem Sandoz-Produkt gilt das von Coherus als aussichtsreichstes Nachahmerpräparat.

Abwarten ist dagegen beim Sandoz-Mutterkonzern Novartis angesagt. Die Generikasparte verzeichnete zwar im ersten Quartal einen Umsatzsprung von 50 Prozent. Die Aktie ist aber erst kaufenswert, wenn die Gewinne auch im Gesamtkonzern wieder anziehen. Ähnlich sieht es bei Teva Pharma aus, einem globalen Player aus Israel, der in den kommenden Jahren zu den Gewinnern im Biosimilargeschäft zählen dürfte. Trotzdem steht die Aktie unter Druck, Anleger sollten eine Bodenbildung abwarten.

Mit AMP Biosimilars und Formycon gibt es in Deutschland zwei börsennotierte Spezialisten für Biotech-Billigkopien, bei denen sich der Einstieg allerdings noch nicht aufdrängt. Alle vier Substanzen von AMP Biosimilars befinden sich noch in der präklinischen Entwicklung. Formycons am weitesten fortgeschrittener Kandidat ist bereits in der letzten klinischen Testphase. Durchgeführt und finanziert werden die Studien von einer Tochter der Santo Holding. Die Investmentfirma der Hexal-Gründer Strüngmann ist gleichzeitig einer der Formycon-Hauptaktionäre. Externe Kooperationspartner sind bislang noch nicht an Bord.





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