Schon einer der Pioniere in der Geschichte der Werbung haderte mit seinen Anzeigen. "Die Hälfte des Geldes, das ich für Werbung ausgebe, ist verschwendet. Das Problem ist, ich weiß nicht welche", sagte der amerikanische Kaufhausbesitzer John Wanamaker, der als erster Einzelhändler ab 1874 halbseitige Zeitungsannoncen für seine Geschäfte schaltete. Bereits vor 141 Jahren deckte der Unternehmer damit einen Mangel klassischer Werbung auf: Es kann nicht geprüft werden, welcher Kunde aufgrund des Marketings kauft und welcher nicht.

Seit der Erfindung des Internets ist das anders. Jeder Mausklick auf Werbebanner oder Suchwortanzeigen ist nachverfolgbar. Hinzu kommt, dass "das Internet ein günstigerer Weg ist, Werbung zu machen", sagt Citigroup-Analyst Jason Bazinet. Wie sehr sich das niederschlägt, zeigt die Statistik: In die privaten Konsumausgaben werden für jedes Produkt auch die dafür angefallenen Werbe- und Marketingkosten einberechnet. Diese machen inzwischen einen weit kleineren Teil aus als in der Zeit von 1947 bis 1998. Damals lag der Werbeanteil am Privatkonsum in Amerika laut der US-Bank im Schnitt bei 2,4 Prozent, bis heute fiel die Quote auf nur mehr 1,5 Prozent. Das Internet hat dem US-Werbemarkt somit in den vergangenen Jahren gut 100 Milliarden Dollar entzogen.



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Die neuen Werbegiganten



Dank dieses Trends wuchs Google von einer Suchmaschine zu einem Webgiganten heran, dessen Werbeeinahmen allein im zweiten Quartal um elf Prozent auf 16 Milliarden Dollar stiegen. Auch Facebook profitiert davon, dass Unternehmen ihre Ausgaben für Onlinewerbung erhöhen. Mit vier Milliarden Dollar wuchs der Umsatz im zweiten Quartal um 39 Prozent. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Zwar steigern Firmen ihre Werbeausgaben dank der weltweiten Konjunkturerholung insgesamt wieder leicht, stecken aber immer weniger Geld in klassische Medien. "Wir wandeln unproduktive Marketing-Dollar in produktive Werbung. Mit digitalem Suchwortmarketing sowie unseren Social-Media-Programmen erreichen wir verdammt viel mehr mit unserem Geld als mit klassischer Werbung", so fasst der Konsumgütergigant Procter & Gamble (P & G) die Verschiebung der Werbebudgets in digitale Medien markig zusammen. Der US-Konzern zählt mit einem Marketingbudget von mehr als vier Milliarden Dollar zu den größten Werbern der Welt.

Dass P & G seine Kunden online zu einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis erreicht, liegt auch an neuen Werbeformen, die Internetannoncen immer effektiver machen. Bestes Beispiel dafür ist eine "Targeting" genannte Technik. Mit zielgerichteter Onlinewerbung wird dafür gesorgt, dass beispielsweise die Anzeige für den Holzkohlegrill nur dem Grillbegeisterten gezeigt wird, der vorher etwa "Grillkohle" gegoogelt hat.

Ein Spezialist auf diesem Gebiet ist Criteo. Wie begehrt das Angebot der Firma mit Hauptsitz in Paris derzeit ist, zeigt die Tatsache, dass allein im ersten Halbjahr 730 Unternehmen als Neukunden gewonnen wurden, deutlich mehr als üblich. Dank der Nachfrage sprang der Umsatz in den ersten sechs Monaten um 64 Prozent auf rund 271 Millionen Euro nach oben, weshalb Criteo seine Prognose anhob. Mit 470 bis 475 Millionen Euro soll der Umsatz in diesem Jahr um bis zu 15 Millionen höher ausfallen als geplant.

Doch der digitale Wandel kennt auch Verlierer. Nach Teilen der Printbranche könnte das US-Fernsehen das nächste Opfer sein. Denn dank großer Internetbandbreiten, Streaminganbietern und der steigenden Verbreitung von Tablets und Smartphones ist Online-Videowerbung auf dem Vormarsch. So stiegen 2014 in den USA einzig die Ausgaben für Internet-Videowerbung, während die Werbeeinnahmen von nationalen TV-Sendern und Kabel-Pay-TV-Anbietern sanken. Der Rückgang der Werbeausgaben für TV-Spots dürfte zunächst die Kabelnetzwerke treffen. Denn Streaminganbieter wie Netflix nehmen den Bezahlsendern zunehmend Zuschauer ab. Bisher konnten die Kabelsender zwar ihren Reichweitenverlust über Preisanhebungen ausgleichen. Nun aber scheint der Bogen überspannt, im ersten Halbjahr gingen die Werbeeinnahmen der Sender zurück. Hohe Preise für wenig Zuschauer scheinen die Werber nicht mehr zu überzeugen, mehr Spots im Kabelfernsehen zu schalten. Anbietern wie den Kabelketten Scripps oder Discovery stehen damit schwere Zeiten bevor.

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Was Europa und USA unterscheidet



Auch europäische Fernsehsender dürften die Konkurrenz von Online-Videowerbung in Zukunft zu spüren bekommen, auch wenn der hiesige Markt Amerika stets etwas hinterherläuft. Hinzu kommt, dass in den USA der reichweitenstärkste TV-Sender maximal acht Prozent aller Zuschauer erreicht, während die Marktanteile der größten europäischen Sender durchweg bei mehr als zehn Prozent liegen. So schauen 28 Prozent aller Franzosen den Sender TF1, eine höhere Einschaltquote erreicht kein anderer europäischer Kanal.

Zudem hinken die Werbemärkte in Ländern wie Frankreich, Italien oder Spanien ihren einstigen Höchstständen trotz konjunkturellen Aufschwungs hinterher. Anders als ProSiebenSat.1 oder RTL liegt der Kurs von TF1 daher noch um mehr als die Hälfte unter seiner höchsten Notierung von knapp über 28 Euro im Jahr 2007. Bis die digitale Revolution auch Europas TV-Sender erreicht, bietet die Aktie weiter Aufholpotenzial.



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