Die unscheinbaren, leicht zu übersehenden Produkte aus dem Hause Viscofan liegen in zahllosen Lebensmittelmärkten in den Wurstregalen und Frischfleischtheken aus, ohne dass die Kunden sie wirklich beachten oder wertschätzen würden. Eigenartig eigentlich - denn Viscofan-Produkte sind alles andere als Ladenhüter, sie werden täglich von Millionen Menschen gekauft, benutzt, verbraucht. Das börsennotierte spanische Unternehmen stellt Wurstpellen aus Kunststoff, Zellulose und Kollagen her. Zugegeben: Das ist nicht für jeden Zeitgenossen eine sexy Branche, und nicht jeder mag und isst heutzutage Wurst und Aufschnitt. Unabhängig vom Speiseplan sollten Anlegern bodenständige Firmen wie Viscofan jedoch nicht wurst sein. Die in der nordspanischen Provinz Navarra ansässige Firma ist Weltmarktführer: ein Riese in seiner Nische.

Und ein ziemlich erfolgreicher. Die betrieblichen Standardkennziffern - Umsatzentwicklung, Eigenkapitalrendite, Gewinn - sehen bei Viscofan deftig-gesund aus. Der Aktienkurs ist in den vergangenen zehn Jahren im Schnitt um knapp 20 Prozent im Jahr gestiegen, in einem Zeitraum, in dem Spanien in die größte Wirtschaftskrise seit Generationen schlitterte. Kein Wunder also, dass eine Beteiligungsgesellschaft aus Madrid in großem Stil auf den Wurstpellenproduzenten setzt: eine unter deutschen Anlegern ähnlich unbekannte Holding namens Corporación Financiera Alba. Sie ist an der Börse auch als CF Alba oder Alba bekannt (nicht zu verwechseln mit ähnlich klingenden Unternehmen wie Alba SE, ehemals Interseroh, Alba Group oder Alba Recycling). Im ersten Halbjahr 2016 hat CF Alba den Anteil an Viscofan um 1,95 Prozentpunkte auf 8,8 Prozent erhöht.

CF Alba ist ein florierender Gemischtwarenladen. Im Wesentlichen handelt es sich um eine Holding, die über ihre Beteiligungen viele verschiedene Branchen und ein breites Spektrum der spanischen Volkswirtschaft abdeckt. Ähnlich aufgestellt sind beispielsweise die Holdings Industrivärden und Investor AB aus Schweden, die französisch-belgische Groupe Bruxelles Lambert (GBL) und das von Starinvestor Warren Buffett geführte Unternehmen Berkshire Hathaway mit Sitz im US-amerikanischen Omaha, Nebraska.

Aktienfonds, die einzelne Länder oder Regionen fokussieren, verfolgen einen vergleichbaren Ansatz - mit dem Unterschied, dass beim Kauf von Holdingaktien nur sehr niedrige Gebühren anfallen und eine jährliche Managementgebühr, die bei Fonds die Rendite empfindlich schmälert, entfällt. Hinzu kommt, dass die genannten Holdings an den Börsen oft mit hohen Abschlägen auf ihren Buchwert gehandelt werden und mitunter - die Ausnahme ist Berkshire Hathaway - relativ hohe Dividenden an ihre Aktionäre ausschütten.



Vom Baustoffexperten zur Holding



Ursprünglich war CF Alba, in den 1950er-Jahren noch Cementos Alba genannt, im Baustoffgeschäft aktiv. Die Firma wurde 1986 verkauft, der Erlös investiert: Eine Holding war geboren. Kontrolliert wird CF Alba heute von der 1926 gegründeten Privatbank Banca March, die zum Firmenimperium der weitverzweigten Familie March gehört. An neun börsennotierten Unternehmen in Spanien hält CF Alba aktuell große Aktienpakete (siehe Kasten Seite 3), etwa am Baukonzern ACS, der die deutsche Hochtief-Gruppe kontrolliert, am baskischen Telekombetreiber Euskaltel und am Nahrungsmittelhersteller Ebro Foods.

Dieses breit aufgestellte Beteiligungsportfolio profitiert in diesem Jahr von der insgesamt erfreulichen Entwicklung der spanischen Wirtschaft, die zuletzt deutlich schneller wuchs als der Rest der Eurozone. 2016 könnte das Wachstum bei annähernd drei Prozent liegen, was voraussichtlich der Spitzenplatz wäre. Vor allem der Tourismus, ein für Spanien besonders wichtiger Wirtschaftszweig, boomt, während die niedrigen Ölpreise Unternehmen und Haushalte entlasten. Die chronische Überschuldung des Staates und der Banken scheint zugleich dank einiger Reformen im Land weniger akut als etwa im politisch weitgehend handlungsunfähigen, sklerotischen Italien.

Die Arbeitslosenquote lag im Sommer nach Angaben von Eurostat mit 19,6 Prozent zwar noch immer extrem hoch - zehn Jahre zuvor waren es lediglich 8,5 Prozent gewesen -, allerdings war der Trend zuletzt eindeutig positiv: Seit dem Zenit mit 26,1 Prozent im Jahr 2013 ist die Arbeitslosenquote massiv gesunken.

Dies ist umso bemerkenswerter, als in Spanien seit den Wahlen Ende 2015, die keine klaren Machtverhältnisse erbrachten, ein politisches Vakuum besteht. Ministerpräsident Mariano Rajoy führt das Land, ohne dass seine Regierung über eine Mehrheit oder Durchsetzungskraft verfügt. In Katalonien erstarkt unterdessen die Unabhängigkeitsbewegung. Und doch: Wirtschaftlich scheint das Land zu genesen.

Die Kennziffern der CF-Alba-Aktie überzeugen. Im Krisenjahr 2012 verbuchte das Unternehmen zwar einen herben Verlust von mehr als fünf Euro je Aktie, ist sonst aber profitabel. Das aktuelle Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt unter zehn. Auch der Buchwert um 62 Euro je Anteilschein legt nahe, dass die Aktie geradezu ein Schnäppchen ist. Der Abschlag des Börsenkurses auf den Buchwert beträgt fast 40 Prozent - eine außerordentlich hohe Differenz, die das Unternehmen selbst für risikoaverse Value-Investoren à la Benjamin Graham interessant macht. Die Eigenkapitalquote ist mit mehr als 90 Prozent hoch; die Dividende erhalten Aktionäre zweimal jährlich, ungefähr Mitte Juni und Ende Oktober.

So weit, so gut. Zwei Risiken sollten Anleger bei CF Alba jedoch im Blick behalten. Zum einen ist die Holding eng mit einer spanischen Bank verflochten, und Banken können - in Südeuropa wie anderswo - eines Tages in Schwierigkeiten geraten. Zum anderen deutet vieles darauf hin, dass die Europäische Union und/oder die Eurozone sich seit einigen Jahren in schleichender Auflösung befinden. Früher oder später könnte auch Spaniens Börse ein Opfer dieses Prozesses werden, die nächste Krise würde dann bevorstehen. Sollte Spanien dagegen weiterhin positiv überraschen, haben Aktien wie CF Alba reichlich Luft nach oben.