Der Kontrast könnte größer kaum sein: Als der Vertrag von Martin Blessing als Vorstandschef der Commerzbank 2011 zuletzt verlängert wurde, machte die Bank das verschämt auf Seite 271 eines Börsenprospektes publik. Viereinhalb Jahre später hofft und bangt man auf den Fluren der zweitgrößten deutschen Bank, ob der 52-Jährige über Oktober 2016 hinaus weitermachen will - mehr als ein Jahr vorher. Die Commerzbank braucht nach der Sanierung eine Perspektive für 2020 - und muss wissen, wer sie in die Tat umsetzt. Wie man es nicht macht, hat die Deutsche Bank gezeigt, wo John Cryan nun Anshu Jains Strategie Realität werden lässt.

Die Zeit am Kaiserplatz im Frankfurter Bankenviertel drängt, eine Alternative zu Blessing ist nicht in Sicht. Deshalb windet ihm der Aufsichtsrat Girlanden und lässt über die "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" verlauten, man wolle mit Blessing weitermachen. Doch anders als 2011, als sein Ansehen in der Öffentlichkeit am Tiefpunkt war, kann er es sich leisten, die Commerzbank auf die Folter zu spannen. "Die Frage beantworte ich, wenn es so weit ist", ließ Blessing dem Blatt ausrichten. Auch Kritiker wie Aktionärsschützer Klaus Nieding, der noch vor zwei Jahren seinen Rücktritt gefordert hatte ("Bei allem Respekt: Es reicht"), wollen, dass er bleibt: "Blessing und seine Hartnäckigkeit sind unterschätzt worden", sagte der DSW-Chef der Nachrichtenagentur Reuters. "Er ist so oft angezählt und beschimpft worden, dass er es sich nicht nehmen lassen sollte, jetzt die Früchte zu ernten. Ich würde das auch unterstützen."

Für viele in der Bank ist Blessing kaum verzichtbar. In der Satzung gibt es nicht einmal einen Stellvertreter für den Fall, dass der Chef krank, im Urlaub oder gerade verhindert ist. Im Umfeld des Aufsichtsrats gibt man sich gelassen: "Wir rechnen damit, dass er weitermacht. Schließlich hat er uns kein Signal gegeben, dass er geht." Formal kann der neue Vertrag auch erst im November geschlossen werden. Zwei Sitzungen lang hätte der Aufsichtsrat bis dahin noch Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen. Anfang September sind die Aufsichtsräte auf Reisen nach Polen, zur Tochter mBank, Ende des Monats steht ihr Strategietreffen an.

Dort ringen die Vorstände meistens nur um die Budgets für das kommende Jahr. Doch diesmal könnte es um mehr gehen. Denn viele Ziele, die Blessing der Commerzbank vor drei Jahren für 2016 gesetzt hat, sind längst abgehakt. Die Privatkundensparte etwa wird aller Voraussicht nach trotz Niedrigzinsen die halbe Milliarde Euro verdienen, die man ihr als Ziel gesetzt hat. Anderes ist auch auf absehbare Zeit nicht zu schaffen, etwa das Renditeziel. "Man tut sich keinen Gefallen, damit weiter durch die Welt zu laufen", sagt ein Analyst, der nicht genannt werden will. Blessing selbst hat angedeutet, dass die Rendite wegen der höheren Kapitalanforderungen niedriger ausfallen dürfte.

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AUS DEM GRÖBSTEN HERAUS - UND DANN?



Für die Privatkunden-Sparte gibt der Umbau zu einer Bank, die ihre Kunden über zahlreiche Kanäle ansprechen will, den Takt der nächsten Jahre vor. Die Mittelstandsbank kann nur versuchen, den Volksbanken und Sparkassen noch mehr Kunden abzujagen. Die Immobilien- und Schiffskredite in der "Bad Bank" müssen so schnell wie möglich weg, denn letztere lasten wie Blei auf dem Aktienkurs. "Das Problem ist das Schiffs-Geschäft", sagt Analyst Neil Smith vom Bankhaus Lampe. "Man müsste da noch vor der neuen Strategie eine Gesamtlösung finden." Radikales erwarte er aber auch künftig nicht. Ein wenig Kosten sparen im Filialgeschäft, vorsichtige Expansion, vielleicht nach Osteuropa.

Doch reizt das einen ehemaligen McKinsey-Mann wie Blessing noch? "Aus dem Gröbsten ist die Bank heraus", fasst ESN/Equinet-Analyst Philipp Häßler zusammen. "Aber Blessings Aufgabe ist noch nicht zu Ende. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass er amtsmüde ist." Den Bund als Aktionär loszuwerden, wäre ein Ziel. Dazu müsste der Aktienkurs kräftig steigen - womöglich bis auf 18 oder 20 Euro. Aktuell dümpelt das Papier um die 10 Euro. "Schwer, aus der Ecke herauszukommen", sagt Fondsmanager Helmut Hipper von Union Investment. "Der Markt honoriert die Erfolge in der Kernbank nicht, weil die Profitabilität insgesamt noch zu schwach ist."

Eine Übernahme könnte der erhoffte Befreiungsschlag sein - so oder so. Doch die lange als Übernahmekandidat gehandelte Bank verkaufen will Blessing nicht. Und selbst zuzukaufen, hat das durch Dresdner Bank und Eurohypo gebrannte Kind lange gescheut. Doch still und heimlich hat Blessing diese Tür wieder einen Spalt geöffnet. "Die Commerzbank will bei der Konsolidierung des europäischen Bankenmarktes eine aktive Rolle spielen", steht seit einem Jahr im Zielkatalog des Vorstands.

Reuters