Auf den ersten Blick hat die Commerzbank am Donnerstag gute Zahlen präsentiert. Mit einem Konzernergebnis von 279 Millionen Euro übertraf die Bank die Erwartungen von Analysten leicht. Die hatten ein Ergebnis von 250 Millionen Euro prognostiziert.

Auf den zweiten Blick offenbaren die Zahlen jedoch die Schwächen des zweitgrößten deutschen Bankhauses. Das Plus wird durch den anteiligen Verkauf des europäischen Visa-Geschäfts und einer Einigung um Anleihen der Heta - heute Hypo Alpe Adria - getragen. Da der Schuldenschnitt der österreischischen Skandalbank nicht so harsch ausfiel wie erwartet, konnte die Commerzbank zu Jahresende einen Sondergewinn von 140 Millionen Euro verbuchen. "Solche Effekte werden wir natürlich nicht in jedem Jahr haben", sagte Vostandschef Martin Zielke.

Auf der Ertragsseite sieht es hingegen mau aus. Die niedrigen Zinsen machen der einlagenstarken Bank nach wie vor zu schaffen - auch wenn die Firmenkundenbank 22 Milliarden Euro an zinssensiblen Einlagen abgebaut hat. Insgesamt belaste das Zinsumfeld den Privat- und Firmenkundenbereich seit 2015 mit insgesamt 500 Millionen Euro, sagte Finanzvorstand Stephan Engels.

Sparprogramm wirkt - in zwei Jahren



Noch im vergangenen Jahr konnte die Commerzbank jedoch mit einem Konzernergebnis für 2015 von knapp mehr als einer Milliarde Euro Ex-Vorstandschef Martin Blessing den Abgang versüßen. Sein Nachfolger Martin Zielke macht nun Tabula Rasa.

Unter seiner Feder soll die Investmentbank stark geschrumpft werden - was eine Abschreibung von 627 Millionen Euro auf den Firmenwert begründet. Das verbleibende Kapitalmarkt-Geschäft integrieren die Frankfurter Banker in die Mittelstandsbank.

Des Weiteren soll die Kostenquote bis 2020 von aktuell 75,5 Prozent auf 60 Prozent gedrückt werden. Der Plan Zielkes folgt einer einfachen Logik: Sparen und Wachsen. Als "Haupthebel" seines Sparkurses sieht die Commerzbank die Digitalisierung: Eine Vielzahl veralteter IT-Systeme sollen erneuert und auf der Plattform "One" zusammengeführt werden. Zudem will die Commerzbank in den nächsten beiden Jahren bis zu 9.600 Stellen streichen. "Wir hoffen, dabei weitgehend ohne betriebsbedingte Kündigungen auszukommen", sagte Zielke. Die Verhandlungen mit der Arbeitnehmerseite startet im Frühjahr. Vor 2019 rechnet aber selbst der Vorstandschef nicht mit größeren Effekten seiner Strategie.

Wunschkonzert der steigenden Zinsen



Gegen die niedrigen Zinsen können die obersten Commerzbanker wenig ausrichten. "Wir planen mit anhaltend niedrigen Zinsen", sagte Zielke. Entgegensteuern will die Bank mit einem höheren Volumen an margenstarken Privatkrediten.

Den größten Aufwärtsschub würde die Commerzbank durch steigende Zinsen bekommen. "In einem Szenario, in dem die Zinsen steigen, würden wir profitieren", sagte Engels. Würde das gesamte Zinsniveau um 100 Basispunkte, also ein Prozent bis 2020 steigen, wäre ein "bis zu einer Milliarde höheres Zinsergebnis möglich".

Wachstum durch Angriff



Da ein höheres Zinsniveau jedoch nicht herbeigezaubert werden kann, soll das Privat- und Firmenkundengeschäft weiter massiv wachsen. Bis 2020 zwei Millionen sollen neue Privatkunden hinzukommen, "durch organisches Wachstum - und, wenn der Preis stimmt, auch durch Zukäufe", sagte Zielke. Die Commerzbank gilt als Interessent an der Oldenburgischen Landesbank, die der Versicherer Allianz zum Verkauf gestellt hat. Im Dezember hatte die Tochter Comdirect bereits das Finanzportal Onvista mit 90.000 Kunden übernommen.

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Einschätzung der Redaktion



Nach Bekanntgabe der Zahlen legte die Aktie der Commerzbank zunächst zu, um dann jedoch um etwa vier Prozent zu verlieren. Mit über sieben Euro liegt das Papier jedoch weit über dem Jahrestief 2016 von 5,31 Euro. Sie hatte sich nach der Bekanntgabe der neuen Strategie durch Vorstandschef Martin Zielke seit September erholt.

Für einen Ausbruch nach oben in nächster Zeit fehlen jedoch die Impulse. Diese könnten etwa erste Effekte der Sparen-und-Wachsen-Programms Zielkes sein oder große Zukäufe. Zielke selbst rechnet damit nicht vor 2018. Auch von steigenden Zinsen würde die Commerzbank stark profitieren - doch die liegen in Europa wohl in noch weiterer Ferne. Investoren brauchen also einen langen Atem.

Stopp: 7,18 Euro
Ziel: 8,10 Euro
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