Daimler-Truck-Vorstand Wolfang Bernhard sieht den wichtigen europäischen Nutzfahrzeug-Markt mit wachsender Vorsicht: Nach einem Verkaufsplus von 17 Prozent bis Juli hätten sich die Auftragseingänge zuletzt zögerlicher entwickelt, sagte Bernhard auf der weltgrößten Nutzfahrzeug-Ausstellung IAA Nutz in Hannover gegenüber Journalisten. Neben der Sorge vor Brexit drückten auch die Flüchtlingskrise und die Sorgen um den Zusammenhalt in der EU auf die Stimmung bei den Kunden.

Zugleich habe sich die Lage auf dem ohnehin schwierigen brasilianischen Markt weiter verschlechtert. Von Januar bis Juli sei die Nachfrage nach schweren Nutzfahrzeugen auf dem Subkontinent um 37 Prozent gesunken. Noch vor wenigen Monaten war Daimler lediglich von einem Minus von 20 Prozent ausgegangen. Ein weiterer Personalabbau in Brasilien sei nach jetzigem Stand aber nicht nötig, versicherte Bernhard. "Wir haben mit Personalmaßnahmen reagiert, diese sind abgeschlossen, wir sehen darüber hinaus keinen weiteren Anpassungsbedarf", sagte er gegenüber BÖRSE ONLINE. Neben Brasilien sorgt zudem die Lage in Indien für Sorgen. Dort sei das Geschäft zuletzt praktisch zum Erliegen gekommen. Auslöser seien die Pläne zur Einführung einer einheitlichen Mehrwertsteuer. Die Höhe und der Starttermin seien aber weiter offen.



Wegen des zum Teil heftigen Gegenwinds in vielen Regionen hatte Daimler seine Prognose für die Trucksparte unlängst gesenkt. Für das laufende Jahr erwartet der größte Nutzfahrzeughersteller der Welt beim operativen Ergebnis nun ein "deutliches" Minus. Deutlich heiße "über zehn Prozent", sagte Bernhard. 2015 hatte Daimler Trucks operativ 2,7 Milliarden Euro eingefahren. Auch beim Absatz rechnet der Konzern mit einem "deutlichen Rückgang". Im Vorjahr hatte der Konzern weltweit 502.000 Nutzfahrzeuge verkauft.

Trotz des Gegenwinds in wichtigen Märkten zeigte sich Bernhard jedoch gelassen. Für "Alarmstimmung" gebe es keinen Anlass. Im Vergleich zu ähnlichen Jahren stehe Daimler beim Gewinn aktuell deutlich besser da. "Wir haben mehr Wasser unterm Kiel", sagte er.



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Einschätzung der Redaktion



Daimler Trucks hat derzeit mit ordentlich Gegenwind zu kämpfen. In Brasilien verkaufen die Hersteller fast gar keine Brummis mehr, in Indien ist der Markt ebenfalls zum Erliegen gekommen. Zu allem Überfluss trübt sich nun auch die Lage auf dem wichtigen europäischen Markt ein. Doch trotz aller Nackenschläge: Zu Pessimismus gibt es derzeit keinen Anlass. Schließlich war das erste Halbjahr auf dem europäischen Nutzfahrzeug-Markt besser als erwartet und auch auf dem wichtigen US-Markt ist die Lage trotz eines leichten Rückgangs noch immer grünen Bereich.

Immerhin nämlich verdient der Konzern mit den Brummis noch immer sehr ordentliches Geld. Das war nicht immer so. Noch vor gut zehn Jahren schlugen Absatzrückgänge bei den Lastern voll ins Kontor. Doch mit Arbeitszeitkonten beim Personal, Entschlackungsprogrammen und kontinuierlicher Sparbemühungen hat das Unternehmen den Break-even Schritt für Schritt tiefer gelegt. Die Folge: Rückschläge kann Daimler nun viel besser aussitzen.

Und das ist noch längst nicht das Ende. Während andere Konzern wie Volkswagen mit seiner Nutzfahrzeugsparte um Scania und MAN (und dem neuen Partner Navistar) bei der überfälligen Vereinheitlichung der Aggregate (Motor, Achsen, Getriebe) allenfalls im Schneckentempo vorankommt, ist Daimler schon viel weiter. Schon jetzt gibt es einheitliche Motoren, die in Europa und den USA auf die Straße rollen. Jetzt kommt der Rest. Bis 2020 sollen Achsen, Getriebe,Elektrik und Elektronik vollständig vereinheitlicht sein, verspricht Spartenchef Bernhard. Das bringt satte Kostenvorteile. Volkswagen kann davon derzeit nur träumen.

Anleger können die Entwicklung bei Daimler Trucks also entspannt verfolgen, umso mehr als es in Daimlers Pkw-Sparte derzeit blendend läuft. Der Konzern fährt dank runderneuerter Produktpalette von einem Absatzrekord zum nächsten. Wenn nicht alles täuscht, dürfte Mercedes-Benz schon im laufenden Jahr den bayerischen Erzrivalen BMW vom Thron im Premium-Segment stoßen. Und mit der inzwischen auch als T-Modell verfügbaren E-Klasse werden die Mercedes-Margen im zweiten Halbjahr noch mal einen deutlichen Schub erhalten.

Wir bleiben bei unserem Votum: Kaufen.

Kursziel: 72 Euro

Stopp: 52 Euro.