Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel erschien am 13.01.2017 in Heftausgabe 02/2017

Die ersten Handelstage 2017 können sich durchaus sehen lassen. Der DAX hat seinen Schwung aus dem Dezember über den Jahreswechsel retten können und legte in der ersten Börsenwoche in der Spitze um mehr als ein Prozent zu. Dabei gelang den 30 Bluechips sogar kurz der Sprung über die 11 600er-Marke, ein Niveau, das seit August 2015 nicht mehr erreicht worden war.

Der perfekte Zeitpunkt, die 30 DAX-Titel unter die Lupe zu nehmen, um ihr künftiges Potenzial einschätzen zu können. Doch bevor wir uns mit der Zukunft beschäftigen, erst noch mal ein Blick in den Rückspiegel. Ein wahres Wechselbad der Gefühle bescherte der Index Anlegern im Jahr 2016. Dauerbrenner waren unter anderem VW und die Deutsche Bank, die abwechselnd für starke Kursausschläge sorgten. Den Deal des Jahres hatte dagegen Bayer mit der 66 Milliarden Euro schweren Übernahme des US-Konkurrenten Monsanto eingefädelt, was dem Aktienkurs aber nicht bekam. Allen davongelaufen ist erneut die Adidas-Aktie, die sagenhafte 63 Prozent zulegte.

Allmählich dürfte die Luft für den Sportartikelhersteller aber dünn werden. Der Titel ist unter KGV-Gesichtspunkten aktuell der teuerste Wert im DAX - auch relativ zum erwarteten Gewinnwachstum liegt der Faktor mittlerweile bei zwei. Anders sieht es dagegen bei VW aus. Hohes Gewinnwachstum, niedrige Bewertung sowie eine starke Dividendensteigerung - wenn auch von einem niedrigen Niveau aus - zeichnen die Aktie derzeit aus. Nach der Vollbremsung durch den Dieselskandal sehen wir 2017 Turnaround-Chancen und stufen den Titel daher auf "Kaufen" hoch. Mehr dazu lesen Sie auf Seite 10.

Auf dem Prüfstand



Um einen genauen Überblick über die Aussichten für die 30 deutschen Großkonzerne zu geben, haben wir sie einer Wachstums- und Bewertungsanalyse unterzogen. In Sachen Gewinnwachstum zeigt sich - bis auf wenige Ausnahmen - ein erfreuliches Bild. Insgesamt gehen wir bei 23 Unternehmen davon aus, dass sie ihre Ergebnisse im laufenden Jahr steigern können. Spitzenreiter beim Wachstum ist die Commerzbank.

Dies liegt aber im Wesentlichen am Basiseffekt, denn 2016 ist es zu einem starken Einbruch gekommen. Die krisengebeutelten Finanzinstitute Commerzbank und Deutsche Bank sind die einzigen Unternehmen, die dieses Jahr voraussichtlich keine Dividende ausschütten werden. Doch zurück zu den "Wachstumswundern". Unter den von uns als kaufenswert erachteten DAX-Aktien glänzt vor allem das baden-württembergische Duo SAP und HeidelbergCement mit starken Steigerungen von mehr als 30 Prozent. Die Unternehmen schneiden auch bei einer längeren Betrachtung der Gewinnentwicklung überdurchschnittlich ab. Der Walldorfer Softwarekonzern weist zum Beispiel im Mittel ein Wachstum zwischen 2015 und 2017 von jährlich 30 Prozent auf.

Von einem Turnaround gehen wir dagegen in diesem Jahr bei der Deutschen Bank und Eon aus, allerdings taugt das Duo nicht für ein "Kaufen"-Rating. Im Gegenteil, bei der Deutschen Bank raten wir sogar weiter zum Verkauf. Im Zuge der jüngsten Einigung mit dem US-Justizministerium in der Hypothekenaffäre ist der Kurs stark gestiegen. Die Unsicherheiten bezüglich der weiteren Strategie des Branchenprimus bleiben aber bestehen.

Ein nahezu ebenso wichtiges Kriterium wie die Gewinnentwicklung ist die Dividende. Dies gilt vor allem in Zeiten wie diesen, in denen der Marktzins auf der Nulllinie tänzelt. Daran wird sich auch 2017 nichts ändern, denn Mario Draghi ließ auf der letzten Sitzung keinen Zweifel über die Richtigkeit seiner lockeren Geldpolitik. So bleibt Anlegern auf der Suche nach Rendite oftmals nur der Weg über die Dividende. Eine ordentliche Schippe drauflegen dürfte hier die Deutsche Post. Der Konsens rechnet mit einer Erhöhung um 17 Prozent. Damit bringt es der Titel auf eine überdurchschnittliche Rendite von 3,1 Prozent. Beim DAX errechnet sich ein Mittelwert von 2,6 Prozent. Der Dividendenstar ist derzeit ProSiebenSat.1 mit 5,3 Prozent.

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Neuer Dividendenrekord



Insgesamt werden voraussichtlich 22 DAX-Mitglieder ihre Gewinnbeteiligung anheben. Bei Beiersdorf, Daimler, Lufthansa und Thyssenkrupp wird aktuell "nur" mit einer Stagnation gerechnet. Allerdings wäre das bei Daimler kein Beinbruch. Mit einer aktuellen Rendite von 4,5 Prozent liegt der Autokonzern auf Platz vier im DAX-Ranking. Bei Eon ist eine rückläufige Zahlung zu erwarten, und aus der Riege der "ausschüttenden Unternehmen" fallen wird, wie erwähnt, die Commerzbank. Für einen neuen Dividendenrekord im Deutschen Aktienindex sollte es aber in diesem Jahr dennoch reichen.

Soviel zu den Entwicklungen bei den Unternehmen. Bei einer gründlichen Analyse darf der Blick auf die makroökonomischen Daten nicht fehlen. Denn stimmen die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht, sind auch die Unternehmensgewinne in Gefahr. Unterstützung kommt derzeit vor allem vom Euro. Die Gemeinschaftswährung wertete in den vergangenen drei Monaten gegenüber dem Dollar um sechs Prozent ab. Das macht die Produkte im Ausland günstiger und könnte die Exporte anschieben.

Hinzu kommt eine positive Wirtschaftsentwicklung in den Schwellenländern. Der IWF rechnet mit einem BIP-Anstieg in den Emerging Markets um satte 4,6 Prozent im laufenden Jahr. Auch die Konjunktur in Übersee nimmt Fahrt auf und könnte sogar noch an Tempo gewinnen. "Sollte Trump, wie angekündigt, die Steuern senken und die Infrastrukturausgaben erhöhen, könnte dies in der zweiten Jahreshälfte die Konjunkturdynamik noch weiter beflügeln und für einen zusätzlichen Wachstumsimpuls in Höhe von 0,25 bis 0,5 Prozentpunkten sorgen", erwarten die Ökonomen von MM Warburg.

Deutschland kann aber nicht nur auf eine gute Exportwirtschaft hoffen, auch der solide Zustand der Binnenkonjunktur beschert - wie schon 2016 - Wachstum. An der positiven Grundkonstellation aus niedriger Arbeitslosigkeit, hohen Reallohnzuwächsen sowie einem Bauboom, der von niedrigen Zinsen unterfüttert wird, dürfte sich auch 2017 wenig ändern. Dies lässt die Unternehmen positiv in die Zukunft blicken. Der Ifo-Geschäftsklimaindex legte zum Jahresende nochmals deutlicher zu als erwartet.

Optimistisch, aber nicht euphorisch blicken wir deshalb für den Deutschen Aktienindex auf das Jahr 2017. Das macht auch das Gros der Analysten. Nach Berechnungen des Datendienstleisters Factset beträgt das durchschnittliche Kursziel für den DAX derzeit 12 551 Punkte. Dies bedeutet aus heutiger Sicht ein durchaus respektables Potenzial von 1000 Punkten oder knapp neun Prozent.

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Anmerkung: Die Dividende von Vonovia ändert sich auf 1,12 Euro.

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Allianz-Aktie: Milliardenschwerer Geldregen für Anleger



An guten Nachrichten fehlt es bei der Allianz derzeit nicht. Der Versicherer erzielte nach neun Monaten einen Gewinnsprung und bekräftigte daraufhin seine Wachstumsprognose bis 2018.

Hinzu kommt aktuell eine Spekulation auf einen kräftigen Geldregen für die Aktionäre im laufenden Jahr. Es wird erwartet, dass der Konzern sein nicht ausgeschöpftes Budget für Übernahmen an die Aktionäre zurückgibt. Von 2,5 bis drei Milliarden Euro ist die Rede. Mit einem Aktienrückkauf oder auch einer Sonderdividende wird derzeit am Markt gerechnet. Erstgenannter Fall wäre besonders positiv, denn würde die Allianz zurückgekaufte Papiere einziehen, hätte dies zugleich einen positiven Effekt auf den Gewinn je Aktie. In Bezug auf die Dividendenrendite ist der Titel mit 4,6 Prozent bereits ohne Sonderzahlung spitze.





Deutsche Post-Aktie: Gelber Riese auf Rekordjagd



"Strategie 2020: Focus.Connect.Grow." nennt die Deutsche Post ihre aktuelle Konzernplanung. Damit will der Logistikkonzern nicht nur seine Position auf dem Weltmarkt stärken, sondern sich auch neue Potenziale für zusätzliches profitables Wachstum erschließen. Das sind gute Aussichten, vor allem vor dem Hintergrund, dass das Unternehmen bereits heute auf Rekordjagd ist.

Das dritte Quartal 2016 war das operativ stärkste Vierteljahr in der Geschichte des gelben Riesen. Die Post profitiert derzeit von der Portoerhöhung sowie dem Boom im Onlinegeschäft, das zu Weihnachten wieder für neue Bestmarken bei der Paketauslieferung gesorgt haben dürfte.

Trotz des jüngsten Ausbruchs auf ein neues Allzeithoch ist die Aktie nicht teuer. Ein Gewinnwachstum von durchschnittlich 36 Prozent zwischen 2015 und 2017 lässt das KGV günstig erscheinen. Zudem rechnet der Konsens mit einer Erhöhung der Dividende für das abgelaufene Jahr um 17 Prozent. Aus dieser Schätzung resultiert eine überdurchschnittliche Dividendenrendite von 3,2 Prozent.





HeidelbergCement-Aktie: Günstige Bewertung, hohes Wachstum



Über viele Jahre hinweg wurden Bauaktien von Börsianern verschmäht. Dies gilt auch für HeidelbergCement. Allerdings holt der Titel derzeit mächtig auf: 2016 legte der Zementhersteller 17 Prozent zu.

Auch im Bewertungsvergleich mit den anderen 29 deutschen Großkonzernen schneidet HeidelbergCement überdurchschnittlich gut ab. Beim KGV befindet sich das Unternehmen trotz des Kursaufschwungs nicht nur in der ersten Hälfte, in Relation zu dem erwarteten Gewinnwachstum ist der KGV-Wert sogar nur halb so hoch.

Angesichts der global starken Baukonjunktur dürften die Gewinnschätzungen nicht zu hoch gegriffen sein. Einerseits heizen die vielerorts niedrigen Zinsen das Baugeschäft an, andererseits sorgt der neue US-Präsident Donald Trump mit seinen Wachstumsversprechen für zusätzliche Fantasie.





Henkel Vz.-Aktie: Aussichtsreiche Wachstumsstrategie



Noch kein Jahr ist der neue Henkel-Chef Hans Van Bylen im Amt, doch gemessen am Aktienkurs werden seine Managementqualitäten bereits hoch eingeschätzt.

In der Spitze legte der Titel seit 1. Mai 2016 um mehr als ein Fünftel zu. Zuletzt kam es zu einem kleinen Knick im Kurschart. Das ermöglicht Anlegern nun einen attraktiven Einstieg. Denn fundamental stimmt die Richtung des Konsumgüterkonzerns. Die Ebit-Marge verbesserte sich nach neun Monaten 2016 um 70 Basispunkte.

Zudem hat Van Bylen vor wenigen Wochen seinen Wachstumsplan bis zum Jahr 2020 vorgelegt. Dabei soll insbesondere die Digitalisierung vorangetrieben werden. In Zahlen ausgedrückt sieht der Chef eine organische Umsatzsteigerung von zwei bis vier Prozent sowie einen überdurchschnittlichen Zuwachs beim bereinigten Ergebnis je Vorzugsaktie von sieben bis neun Prozent pro Jahr.

Oben drauf könnten noch Erträge aus Übernahmen kommen. Der mittelfristig optimistische Ausblick dürfte der Henkel-Aktie schon bald zu neuen Hochs verhelfen.





SAP-Aktie: Dreistelliger Kursbereich ist das Ziel



Auf den ersten Blick ist die Aktie von SAP keinesfalls günstig. Das 2017er-KGV beträgt mehr als 19. Damit belegt Europas größter Softwarehersteller im DAX-Ranking einen Platz in den hinteren Reihen.

Allerdings ist dies nicht weiter schlimm, denn die Bewertungskennziffer muss immer mit den eigenen Wachstumsaussichten in Verbindung gebracht werden. Mit einer erwarteten Gewinnsteigerung von 36 Prozent ist SAP einer der Top-Wachstumswerte innerhalb der deutschen Börsenelite.

Der Konzern profitiert derzeit vom Übergang zu cloudbasierten Produkten. Die hohe Nachfrage nach Internetlösungen - die Sparte wuchs im dritten Quartal um rund ein Viertel - motivierte SAP-Chef Bill McDermott sogar, die Jahresprognose für den Gewinn anzuheben. Wir trauen der Aktie Potenzial bis auf die 100-Euro-Marke zu.





VW Vz.-Aktie: Turnaround-Wette für das neue Jahr



Wer hätte das gedacht? Rang 2 beim KGV, Rang 8 beim erwarteten Gewinnwachstum und der Spitzenplatz beim Dividendenwachstum: Das ist das Ergebnis unserer Auswertung. Damit zählt die VW-Aktie zu den attraktivsten Titeln im DAX.

Dies ist aber nicht der einzige Grund, warum wir den arg gebeutelten Autokonzern auf "Kaufen" hochstufen. Das Gros der schlechten Nachrichten dürfte der Aktienkurs mittlerweile verarbeitet haben und operativ läuft es besser als erwartet.

Einerseits ist es nicht zu dem befürchteten Absatzeinbruch gekommen: Die Wolfsburger dürften sogar im Jahr der schlimmsten Unternehmenskrise erstmals größter Autohersteller der Welt geworden sein. Andererseits nimmt der jüngste Vergleich mit den US-Umweltbehörden bezüglich der 3,0-Liter-Dieselmotoren Unsicherheiten aus dem Markt.

Wir gehen davon aus, dass allmählich die operativen Erfolge wieder in den Vordergrund rücken und der günstig bewerteten Aktie Aufwind geben werden. Gegenwärtig ist der Kurs bereits dabei, seine Konsolidierungsphase nach oben aufzulösen.