Am Sonntag hat der Aufsichtsrat der Commerzbank den groß gewachsenen Nordhessen zum neuen Vorstandsvorsitzenden von Deutschlands zweitgrößtem Geldhaus berufen.

Der Unterschied zwischen Zielke und seinem Vorgänger könnte größer kaum sein. Blessing hat stets einen lockeren Spruch auf den Lippen und sorgt mit provokanten Thesen gerne mal für Aufruhr. 2014 etwa schlägt er auf einer Finanzkonferenz die Einführung von Euro-Bonds - die gemeinschaftliche Haftung der Euro-Länder zur Überwindung der Schuldenkrise - vor und fängt sich damit prompt einen Rüffel der Bundesregierung ein. Von seinem Nachfolger Zielke sind solche Querschüsse nicht zu erwarten. Bei ihm wirkt jeder Satz wohlüberlegt.

Zielke hat eine hohe Stirn, wirkt stets etwas ungelenk, Brille und Anzug sehen nicht nach der neuesten Mode aus. Die große Bühne meidet er in aller Regel. Wenn er Botschaften unters Volk bringen will, tut er das gerne im kleinen Kreis bei einem Mittagessen - oder überlässt es gleich ganz seinen Untergebenen. An seiner Ausstrahlung müsse er als Vorstandschef sicher noch arbeiten, sagen Commerzbank-Mitarbeiter. Aber das sei bei Blessing anfangs auch nicht anders gewesen.

Vielleicht ist es auch kein Zufall, dass viele Institute seit der Finanzkrise nicht mehr auf charismatische Anführer setzen. "Zum jetzigen Zeitpunkt hat man vielleicht lieber einen spröden Zahlenmenschen", sagt ein Commerzbank-Kenner. Die Deutsche Bank hat mit John Cryan bereits im vergangenen Jahr einen nüchternen Aufräumer installiert. Und auch der neue Allianz -Chef Oliver Bäte tritt nicht auf wie ein großer Leitwolf, sondern eher wie ein akribischer Arbeiter.

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"FILIALEN ZU SCHLIESSEN IST KEINE STRATEGIE"



Zielke stammt aus der Kleinstadt Hofgeismar nördlich von Kassel. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Sein gesamtes Berufsleben verbringt der Diplom-Kaufmann in der deutschen Bankenbranche: Nach der Ausbildung bei der Deutschen Bank und dem BWL-Studium in Göttingen arbeitet er für die Dresdner Bank, die Deutsche Bank 24 und die Deutsche Hyp. 2002 wechselt er zur Commerzbank. Dort kümmert er sich erst um Privat- und Firmenkunden, dann um den Staats- und Immobilienfinanzierer Eurohypo und die Konzernfinanzen.

Im November 2010 zieht er als Nachfolger des umtriebigen, aber glücklosen Achim Kassow als Privatkunden-Chef in den Commerzbank-Vorstand ein. Die erste Aufgabe: die Filialnetze von Dresdner Bank und Commerzbank zusammenlegen, 400 Filialen fallen relativ geräuschlos weg. Immer noch wird sukzessive ausgedünnt, doch einen radikalen Abbau wie bei der HypoVereinsbank vermeidet Zielke. "Filialen zu schließen ist keine Strategie", lautet sein Mantra. Stattdessen müssten stationäre und digitale Angebote besser aufeinander abgestimmt werden. Der einstige Schwachpunkt, die IT, wird konkurrenzfähig gemacht. Zudem setzt Zielke stärker auf Baufinanzierung, vermögende Kunden und Wertpapiergeschäfte. Selbst der Plan für die nächsten fünf Jahre - ein mit Tabellen, Umfragen und Statistiken gefülltes Konvolut - liegt schon fertig in der Schublade.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: In den vergangenen drei Jahren gewinnt die Commerzbank mehr als 800.000 Privatkunden. Der operative Gewinn der Sparte, bei Zielkes Antritt praktisch Null, schnellt auf 750 Millionen Euro. Das für 2016 ausgegebene Ziel von einer halben Milliarde Euro hat er damit frühzeitig übererfüllt. Und gute Argumente gesammelt, ihm die Führung der gesamten Bank zu übertragen.

Reuters