Die USA nehmen verstärkt europäische Banken ins Visier: Die Rekordstrafe von neun Milliarden Dollar für die französische Großbank BNP Paribas wegen Sanktionsverstößen und eine drohende 500-Millionen-Dollar-Strafe für die Commerzbank sorgen unter Investoren für Unruhe. Für die Deutsche Bank sind die zahlreichen Rechtsrisiken längst der größte Belastungsfaktor. Denn was da auf die Bank genau zukommt, weiß niemand. Für Altlasten aus der Finanzkrise musste etwa die US-Bank JP Morgan bereits 13 Milliarden Dollar an die Behörden zahlen, bei Citigroup stehen sieben Milliarden im Raum. Auch wenn die Deutsche Bank wohl glimpflicher davonkommt: Laut Equinet-Analyst Philipp Häßler herrscht inzwischen im Markt breiter Konsens, dass das größte deutsche Geldhaus zusätzlich zu den bereits gebildeten Rückstellungen von rund zwei Milliarden Euro voraussichtlich weitere Vorsorge von mindestens drei Milliarden Euro vornehmen müsse. "Wenn es deutlich mehr wird, wäre womöglich sogar eine erneute Kapitalerhöhung nicht auszuschließen, was ich aber für eher unwahrscheinlich halte", sagte Häßler.

Nach schlechten Zahlen und einem düsteren Jahresausblick, aber auch unter dem Eindruck der zahlreichen Rechtsrisiken hat die Deutsche-Bank-Aktie seit Jahresbeginn fast ein Drittel ihres Wertes eingebüßt. Doch inzwischen kann das Papier von positiven Analysteneinschätzungen profitieren. Soeben hat die US-Bank JP Morgan die bisher "neutral" eingestufte Aktie auf "übergewichten" hochgestuft. Prozessrisiken blieben zwar ein Thema für die Bank, eine weitere Kapitalerhöhung halten die JP-Morgan-Analysten aber nicht für erforderlich. Auch Equinet-Analyst Häßler sieht ein Ende der Talfahrt. "Angesichts eines Kurs-Buchwert-Verhältnisses von 0,5 dürfte die Deutsche-Bank-Aktie inzwischen den Boden erreicht haben. Die meisten schlechten Nachrichten sind bereits im Kurs enthalten", glaubt Häßler - einschließlich des zusätzlichen Rückstellungsbedarfs für die Rechtsrisiken. Häßler selbst stuft das Papier mit "neutral" ein. "Zum Kauf ist die Aktie nur für sehr risikofreudige Investoren zu empfehlen, auch angesichts der weiter starken Volatilität."Auch Anlayst Stefan Bongardt von Independent Researchhatte die Aktie vor einigen Tagen von "Halten" auf "Kaufen" hochgestuft.

Wegen der zahlreichen Rechtsstreitigkeiten, der enttäuschenden Kursentwicklung und der schwachen operativen Performance vor allem im Kerngeschäft Investmentbanking wächst bei vielen Investoren die Unzufriedenheit mit dem vor zwei Jahren angetretenen Führungsduo Anshu Jain und Jürgen Fitschen. "Wir spüren das bei vielen Gesprächen", sagte Häßler, der es für möglich hält, dass ein Austausch des Managements kurzfristig den Aktienkurs antreiben könnte. "Dabei muss man aber bedenken, dass auch ein neues Management relativ begrenzt ist hinsichtlich der strategischen Optionen. Die Deutsche Bank erzielt nun mal einen Großteil ihrer Erträge im Investmentbanking."

Einschätzung der Redaktion

Konservative Anleger sollten die stark volatile Aktie weiter beobachten. Risikofreudige können das derzeitige Niveau für einen Einstieg nutzen. Bei einem 2015er KGV von 7,3 und einem Kurs-Buchwert-Verhältnis von 0,5 ist die Aktie inzwischen niedrig bewertet.

Wolfgang Ehrensberger