Der 47-jährige Schwabe hat lange Zeit für Goldman Sachs und UBS gearbeitet und kennt die Bedürfnisse großer Börsen-Kunden somit aus erster Hand. Mit der Berufung des groß gewachsenen Managers will die Deutsche Börse zudem einen Generationswechsel einleiten und ihr Netzwerk in Asien ausbauen: Kengeter hat für Goldman Sachs mehrere Jahre in der Region gearbeitet.

Von Juli bis Ende September hat die Deutsche Börse ihren Betriebsgewinn mehr als verdoppelt auf 233 Millionen Euro. Hauptgrund für den Gewinnsprung war allerdings eine Sonderbelastung im Vorjahresquartal. Damals musste das Unternehmen wegen einer bevorstehenden Strafe für umstrittene Iran-Geschäfte rund 115 Millionen Euro zurücklegen.

Aber auch das Kerngeschäft, das wegen der Zurückhaltung der Investoren seit langem vor sich hindümpelt, entwickelte sich zuletzt wieder etwas besser. Die Schwankungen an den Märkten haben seit einige Wochen zugenommen, was meist mit steigenden Handelsvolumina einhergeht. Im Handel mit Dax -Aktien und Index-Zertifikaten rechnet Finanzchef Gregor Pottmeyer im Oktober deshalb mit "hohen zweistelligen Wachstumsraten".

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BÖRSIANER HOFFEN AUF FRISCHEN WIND

Mehr Aufsehen als die Quartalszahlen erregte am Montag allerdings der vorzeitige Abgang von Reto Francioni, dessen Vertag eigentlich noch bis Oktober 2016 läuft. Der 59-jährige Schweizer hat Insidern zufolge jedoch bereits vor einem Jahr klar gemacht, dass er zu einem früheren Rückzug bereit sei, wenn ein geeigneter Nachfolger gefunden werde. Mit Kengeter, an dessen Auswahl Francioni beteiligt war, ist dies aus Sicht des aktuellen Vorstandschefs gelungen: "Es gibt keinen besseren Zeitpunkt, diesen Wechsel zu vollziehen."

Francioni steht seit knapp zehn Jahren an der Spitze des Betreibers der Frankfurter Börse. Einige Anleger hoffen durch den neuen Chef von außen nun auf frischen Wind, wie Kapitalmarkt-Experte Fidel Helmer von der Privatbank Hauck & Aufhäuser sagte. Deutsche-Börse-Aktien entwickelten sich am Montag besser als des Gesamtmarkt.

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"ALLES HAT EINMAL EIN ENDE"

Kengeter gehörte bei der UBS viele Jahre zu den bestbezahlten Managern, alleine im Jahr 2009 verdiente er 13 Millionen Franken (fast elf Millionen Euro). 2010 stieg der Manager bei den Schweizern zum Chef-Investmentbanker auf, zeitweise wurde er sogar als künftiger Vorstandschef gehandelt. 2011 geriet Kengeter dann jedoch unter Druck, als der UBS-Händler Kweku Adoboli mehr als zwei Milliarden Euro verzockte. Im darauffolgenden Jahr stellte ihm die Schweiz im Investmentbanking zunächst einen Co-Chef zur Seite, später musste er die Führung der Sparte ganz abgeben. Mitte 2013 kehrte Kengeter dem Züricher Geldhaus den Rücken und unterrichtete seitdem an der renommierten London School of Economics.

Spätestens im April 2015 soll der Manager nun in den Vorstand der Deutschen Börse einziehen und zum 1. Juni den Chefposten übernehmen. In der Börsen-Zentrale in Eschborn bei Frankfurt wird er auch mit Andreas Preuß zusammenarbeiten, der seinen Vertrag als stellvertretender Vorstandschef am Montag bis Ende Mai 2018 verlängerte. Preuß, der zeitweise ebenfalls als potenzieller Francioni-Nachfolger gehandelt wurde, ist für das Geschäft mit Derivaten und Aktien verantwortlich.

Francioni ist in Zürich geboren ist und sitzt seit 2013 im UBS-Verwaltungsrat. Bei der Deutsche Börse heuerte er 1993 an und kehrte nach einem mehrjährigen Abstecher 2005 als Vorstandschef zurück. "Alles hat einmal ein Ende, auch wenn es mir nicht leicht fällt, diesen Schritt zu tun", sagte er am Montag. Eine seiner größten Niederlagen war die geplatzte Fusion mit der New York Stock Exchange (Nyse), die 2012 am Veto der EU-Wettbewerbshüter scheiterte. Anschließend gab es zwar vereinzelt Kritik an Francioni, sein Vertrag wurde wenig später allerdings dennoch verlängert. Einige Analysten hatten bereits damals für einen Banker an der Spitze der Deutschen Börse plädiert, der besser auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen kann.

Einschätzung der Redaktion

Die Quartalszahlen, die die Deutsche Börse jetzt vorgelegt hat, lagen teilweise etwas unter den Konsensschätzungen, was nicht weiter stören sollte. Im Mittelpunkt des Interesses der Investoren steht ohnehin der Chefwechsel: Der frühere UBS- und Goldman-Sachs-Manager Carsten Kengeter wird im Mai 2015 den langjährigenVorstandschef Reto Francioni ablösen. Damit könnte neue Dynamik in die globale Wachstumsstrategie des größten deutschen Börsenbetreibers kommen. Die Aktie ist mit einem KGV von 13,4 zwar nicht mehr ganz billig, hat aber mit 4,12 Prozent eine ordentliche Dividendenrendite zu bieten. Halten.

Kursziel: 58,00 Euro

Stoppkurs: 50,00 Euro

Wolfgang Ehrensberger