Die kurze Meldung auf Twitter im November las sich eigentlich recht belanglos: "Mir gefällt der neue Chef von Hertz", war da zu lesen. Aber sie stammte aus der richtigen Quelle: Niemand anderes als der milliardenschwere 78-jährige amerikanische Aktionärsaktivist Carl Icahn hatte die Zeilen getwittert.

Wer sofort reagierte und die Aktie kaufte, machte ein gutes Geschäft: Der Hertz-Kurs sprang in fünf Tagen um 14 Prozent nach oben - auch weil Icahn seine Position weiter ausbaute. An dem Managementwechsel bei dem Autovermieter ist Icahn (@Carl_C_Icahn) nicht unbeteiligt: Seit er im August eine erste Position aufgebaut hatte, forderte er einen Wechsel an der Unternehmensspitze. Er bejubelte also seine eigene Wahl.

Der Social-Media-Kurznachrichtendienst Twitter ist als Instrument unter Profianlegern an der Wall Street nicht mehr wegzudenken. Wer eine kritische Masse an Followern hat und eine nachvollziehbare Erfolgsstatistik, kann mit wenigen Worten viel Geld verdienen. Ein perfekt vermarktetes Investment wird zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung - wenn man mit 140 Zeichen genug andere motivieren kann, einen nachzuahmen. "Die Leute nutzen Twitter als starken Vertriebskanal - gelegentlich mit bedeutungsvollem Effekt auf den Aktienmarkt", sagt der unabhängige Analyst Daniel Yu, der selbst auf Twitter unter dem Kürzel @longshorttrader unterwegs ist.

Privatanleger, die sich mittels Twitter an die Fersen der Finanzgrößen heften, können profitieren - wenn sie Glück haben. Allerdings wird in den Kurzstatements selten auf die wahre Motivation hinter einem Investment hingewiesen. Wer kurzerhand die Größen der Welt nachahmt, lässt sich auf einen Blindflug ein: Er riskiert, manipuliert zu werden und Mittel zum Zweck für einen Großinvestor zu werden. Deshalb sollte eine Twitter-Nachricht stets nur den Anstoß zu eigenen Recherchen geben. Eine Aktie sollte man immer erst nach solider eigener Analyse kaufen.

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Legal, aber moralisch fragwürdig

Die Vermarktung einer Anlageidee auf Twitter oder anderen Social-Media-Plattformen ist absolut legal - und stößt doch an moralische Grenzen. Wie gefährlich die kursbewegende Kraft des Gezwitschers sein kann, wurde im vergangenen Jahr deutlich, als das Twitter-Konto der Nachrichtenagentur AP gehackt wurde und kurzfristig eine Falschmeldung über zwei Explosionen im Weißen Haus kursierte. Prompt brach der Markt ein. In den drei Minuten, während Börsianer der Meldung glaubten, wurden 136 Milliarden Dollar Börsenwert vernichtet. Angeblich steckten syrische Hacker hinter der Attacke. Wenn jemand wie Carl Icahn über Investments twittert, tut er das nicht ohne Eigeninteresse. Weil er die Aktien bereits besitzt, profitiert er, wenn der Kurs steigt, weil genügend andere ihn nachahmen. Im Fall von Leerverkäufen, wenn Investoren auf fallende Kurse einer Aktie wetten, geht das genauso - nur dass das den Anlegern, die die Aktie besitzen, extrem schadet.

Das beste Beispiel für eine Kampagne gegen eine Aktie ist der Kampf des berühmt- berüchtigten Hedgefondsmanagers Bill Ackman von Pershing Square Capital gegen Herbalife - er geriet zu einer wahren Achterbahnfahrt für das Papier. Schon seit zwei Jahren attackiert der 43-Jährige den amerikanischen Diätpulverhersteller lautstark. Sein Vorwurf: Es handle sich um nichts anderes als ein Schneeballsystem. Dabei twitterte er nicht einmal selbst - das übernahmen etliche Medien und andere Anleger für ihn.

Zunächst brach die Herbalife-Aktie um fast 40 Prozent ein. Dann aber stellten sich andere einflussreiche Investoren gegen Ackman und ließen ihn bluten: Die Hedgefondsmanagerkollegen Carl Icahn, George Soros, Daniel Loeb und William Stiritz trieben die Herbalife-Aktie auf ein Allzeithoch von 83 Dollar. Erst im vergangenen Winter wendete sich das Blatt wieder, als die USBehörden wegen des fragwürdigen Vertriebssystems Ermittlungen gegen Herbalife aufnahmen. Seitdem fiel die Aktie auf ein neues 52-Wochen-Tief von 35 Dollar.

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Short-Idee mit Spannungsbogen

Ackmans extremer Erfolg zieht Nachahmer an - die ganz bewusst seine Dramaturgie für eigene Kampagnen gegen Aktien nutzen. Kerrisdale Capital, ein kleinerer Hedgefonds ohne die Reputation eines Ackman, gestaltete die Angriffe auf das Telekommunikationsunternehmen Globalstar nach dem bewährten Muster: Fondsmanager Sahm Adrangi (@KerrisdaleCap) bereitete nach dem Vorbild Ackmans nicht nur eine öffentliche 144-seitige Studie mit Argumenten gegen die Aktie vor, er twitterte bereits vor seiner Präsentation auf einer Konferenz über seine großartige, noch geheime Idee und baute so einen Spannungsbogen auf. Laut Nachrichtenagentur´Bloomberg ging er sogar so weit, auf Twitter eine Umfrage zu starten, ob man glaube, bei der Short-Idee handele es sich um Globalstar oder GoPro. Diese Nachricht ist allerdings nicht mehr auffindbar - Adrangi muss sie wieder gelöscht haben. Unmittelbar nach Adrangis Präsentation fiel die Globalstar-Aktie wie ein Stein - sie verlor binnen zwei Tagen 20 Prozent. Allein aus diesem Grund war die Short-Idee für Kerrisdale Capital ein Erfolg. Und das in legitimem Rahmen. Zwar hatten einige Leute durchaus eine Vorahnung, welche Aktie Kerrisdale Capital shorten würde - schon während der Recherche sprach Adrangi mit vielen anderen Anlegern über seine These -, aber rechtlich gesehen wurden keine Informationen veruntreut.

Ironischerweise war das jedoch bei Pershing Capital der Fall: Ein Analyst soll seinem Mitbewohner von dem bevorstehenden Short auf Herbalife erzählt haben. Der ließ sich auch nicht lange bitten, aufgrund dieser nicht öffentlichen Information mit Optionen auf fallende Kurse zu spekulieren. Jetzt müssen sich beide einem Insider-Trading-Prozess vor Gericht stellen.

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FBI und SEC sind hellhörig geworden

Auch der Analyst Carson Block von Muddy Waters (@muddywatersre), der mit eigenem Geld gegen Aktien wettet und das nach seinem Leerverkauf veröffentlicht, macht auf Twitter aktiv Werbung für seine Shorts. Auf diese Weise brachte er schon mehrfach Aktien zweifelhafter chinesischer Unternehmen, die in den USA gelistet sind, zum Einbruch. Die Verkaufsempfehlung für das in Toronto gelistete Forstunternehmen Sino Forest war sein Durchbruch. Das Geschäftsmodell erwies sich als Betrug, die Firma ging in Konkurs. Aktuell macht Block Stimmung gegen die chinesiche Sportwettenagentur 500.com.

Obwohl das Argument, die getwitterten Informationen stünden allen Anlegern zeitgleich zur Verfügung, gegen eine Kriminalisierung spricht, werden das FBI und die Marktaufsicht SEC in Sachen Twitter und Insidertrading zunehmend hellhörig: In ihrer konzertierten Aktion "Operation Perfect Hedge" gegen Insidertrading fokussieren sie auch auf Social-Media-Portale: "Technologie spielt eine große Rolle, gerade Social Media und Twitter", sagte die zuständige FBI-Agentin April Brook auf einer Konferenz. Es sei wie bei jeder neuen Technologie: "Wenn es einen Weg gibt, sie auszunutzen, wird es getan."

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