Denn nach der Bruchlandung von Italiens Regierungschef Matteo Renzi im Verfassungsreferendum und seinem Rücktritt droht die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone politisch und wirtschaftlich ins Schlingern zu geraten. "Draghi ist dafür bekannt, dass er mit geldpolitischen Maßnahmen nicht zögert, wenn Gefahr für die Euro-Zone droht," schätzen die Volkswirte Viola Julien und Ulrich Wortberg von der Landesbank Helaba. "Eine Verlängerung des umfangreichen Anleihe-Kaufprogramms über den März 2017 hinaus ist wahrscheinlich."

Eine Mehrheit der von Reuters befragten Volkswirte erwartete zuletzt eine sechsmonatige Fortschreibung der vor allem in Deutschland umstrittenen Transaktionen bis Ende September 2017 und ein unverändertes monatliches Volumen von 80 Milliarden Euro. In Notenbank-Kreisen heißt es, selbst EZB-Ratsmitglieder, die weitere Schritte zur Ankurbelung der Konjunktur skeptisch sähen, hätten akzeptiert, dass wegen politischer Unsicherheiten und schwacher Inflationsdaten eine Verlängerung unausweichlich sei. Die Verbraucherpreise waren im November lediglich um 0,6 Prozent gestiegen - die Europäische Zentralbank (EZB) sieht stabile Preise aber erst bei einer Inflation von knapp zwei Prozent als gesichert an.

"Mario Draghi wird nicht noch zusätzliches Öl ins Feuer gießen wollen. Die Diskussion um einen vorzeitigen Ausstieg aus dem Wertpapier-Kaufprogramm dürfte vom Tisch sein", schätzen die Experten der Liechtensteiner VP Bank. Die inzwischen auf 1,74 Billionen Euro angelegten Anleihe-Transaktionen - weitere Wertpapiere wie Firmenbonds und Hypotheken-Papiere eingeschlossen - sind derzeit das schärfste Schwert der Euro-Wächter gegen die Konjunkturflaute und die Mini-Inflation. Nach bisheriger Planung sollen die Käufe noch bis mindestens Ende März 2017 laufen.

Sollten die Renditen italienischer Staatsanleihen im Zuge einer politischen Hängepartie weiter nach oben schnellen, könnte die EZB Volkswirten zufolge mehr dieser Papiere erwerben, um den Effekt zu dämpfen. Die Zentralbank werde einem Ausverkauf nicht tatenlos zuschauen, schätzt etwa DZ-Bank-Analyst Daniel Lenz. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte unlängst von Insidern erfahren, dass die EZB Spielräume im Anleihen-Kaufprogramm nutzen könnte, um Italien zu helfen. Am Montag ist die Rendite der zehnjährigen Titel zeitweise auf 1,99 von 1,90 Prozent nach oben geklettert.

STELLSCHRAUBEN DER ANLEIHENKÄUFE KÖNNTEN ANGEPASST WERDEN



Manche Experten gehen zudem davon aus, dass die EZB am Donnerstag bei der Ratssitzung in Frankfurt auch die Stellschrauben ihres Kaufprogramms nachjustieren wird. So würden die Währungshüter beispielsweise mehr Spielraum gewinnen, wenn sie ihre selbstgesetzten Obergrenzen anheben würden. Die Volkswirte der französischen Großbank Societe Generale halten derartige Anpassungen am Grundgerüst für wahrscheinlich: "Wir rechnen immer noch damit, dass die EZB das Emissionslimit auf 50 Prozent erhöht." Es gebe allerdings rechtliche Fragen. Und dies könnte die Bereitschaft des EZB-Rats verringern, diesen Weg einzuschlagen.

Aktuell dürfen die Währungshüter nur bis zu 33 Prozent einer einzelnen Staatsanleihe halten. Bei Papieren mit einer Umschuldungsklausel (CAC) liegt die Obergrenze sogar lediglich bei 25 Prozent. Mit diesen Regeln will die EZB ausschließen, dass sie in eine Sperrminoritäts-Position gerät und so Entscheidungen anderer Gläubiger blockieren kann. Laut Societe Generale sind auch zeitlich begrenzte Käufe von Papieren mit einer Rendite unterhalb des aktuellen Einlagensatzes von minus 0,4 Prozent vorstellbar sowie eine zeitweise Abweichung vom Kapitalschlüssel. Dieser sorgt dafür, dass mehr Titel von Staaten gekauft werden, die der Notenbank mehr Eigenkapital zur Verfügung stellen.