Die goldenen Jahre für Anleger von E.ON und RWE liegen schon lange zurück. Von Anfang 2003 bis Ende 2007 stiegen die Kurse beider Aktien um 273 bzw. 285 Prozent. Der Vergleichsindex Dax legte dagegen "nur" 158 Prozent zu. Im Januar 2008 erreichten beide Titel ihre Allzeithochs. E.ON kletterten auf 48,48 Euro, RWE stiegen auf 96,13 Euro.

Danach begann der Absturz. Nur wenige Tage nach den Rekordständen schickte der damaligen US-Notenbankchef Alan Greenspan die Märkte mit negativen Aussagen zur US-Wirtschaft auf Talfahrt. Mehr als ein Jahr später, im März 2009, drehte die allgemeine Stimmung wieder. Doch E.ON und RWE konnten nur recht kurz davon profitieren.

2010 sorgte die Debatte um die Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke erneut für große Verunsicherung bei den Anlegern. Nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima am 11. März 2011und dem Atom-Moratorium der Bundesregierung stürzte der Aktienkurs dramatisch ab. Der Talfahrt folgte ab September 2010 eine Phase mit sehr hoher Volatilität. Im Herbst 2012 ging den Investoren mit den steigenden Belastungen durch die Energiewende scheinbar endgültig das Vertrauen verloren. Innerhalb von nur 12 Monaten fielen E.ON von 19 auf 12 Euro und RWE von 36 auf 21 Euro.

Im Herbst 2013 drehte die Stimmung. Angefeuert durch die Niedrigzinspolitik der Notenbanken gewannen viele Anleger ihren Mut zum Investieren zurück. Seitdem befinden sich die Kurse beider Aktien wieder im Aufwärtstrend.

Doch wie lange wird sich diese Entwicklung fortsetzen? Das dürften sich viele Anteilseigner fragen.

Beide Versorger stehen hierzulande nach wie vor unter starker Beobachtung von Privatanlegern. Viele denken wegen der Chancen und Risiken über einen Einstieg oder Ausstieg nach. Dabei dürfte auch die Frage im Raum stehen, welcher Versorgeraktie man den Vorzug geben sollte, falls man investiert.

BÖRSE ONLINE hat daher die Papiere von E.ON und RWE miteinander verglichen. Zu diesem Zweck haben wir uns ausführlich mit den Einschätzungen der Analysten befasst. Über diese kann man sich zwar streiten, doch ignorieren sollte man sie nicht. Die Einschätzungen der Experten können bei der Anlageentscheidung helfen. Am Ende sollte sich aber jeder Anleger seine eigene Meinung bilden.

Auf Seite 2: Wie schätzen Analysten die Aktien ein?

Wie schätzen Analysten die Aktien ein?

Das Urteil der Analysten fällt eindeutig aus. Bei näherem Betrachten, gibt es jedoch feine Unterschiede.

Geht es nach den Einschätzungen der Experten, sollten Anleger beide Aktien verkaufen. Allerdings handelt es sich jeweils nur um einen "schwachen Sell". Das Papier von E.ON wird einen Hauch positiver bewertet und steht mit einem Konsensrating von 2,89 kurz vor der Heraufstufung auf "Hold", die bei einem Konsensrating von 3,0 erreicht wird.

Bei den Kaufempfehlungen sind beide Titel gleichauf. Nur ein Viertel der Experten würde sich die Anteilsscheine ins Depot legen. Bei den Halte- und Verkaufsempfehlungen dagegen gibt es Abweichungen. Während E.ON bei knapp der Hälfte der Analysten auf der Halteliste steht und bei rund einem Drittel auf dem Verkaufszettel, verhält es sich bei RWE genau umgekehrt. Hier überwiegt das Urteil "Sell".

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass es bei beiden Aktien - auf Basis des Konsensratings - keine signifikanten Unterschiede gibt. Beide Werte gelten bei Analysten als Verkaufskandidaten, wenngleich das Urteil gegenüber der E.ON marginal positiver ausfällt als gegenüber RWE.

Erläuterungen:

Quelle: Bloomberg, Stand 23.06.2014, 14.30 Uhr

Konsensrating: Aktuell durchschnittliches Rating aller Analysten, die während der letzten 12 Monate aktualisiert haben. (5= Buy, 4= schwacher Buy, 3= Hold, 2= schwacher Sell, 1= Sell).

Buys: Die Zahl der Analysten, die den Kauf des Wertpapiers empfehlen, und der Prozentsatz aller Analysten, die diese Empfehlung abgeben.

Holds: Die Zahl der Analysten, die empfehlen, das Wertpapier zu halten, und der Prozentsatz aller Analysten, die diese Empfehlung abgeben.

Sells: Die Zahl der Analysten, die den Verkauf des Wertpapiers empfehlen, und der Prozentsatz aller Analysten, die diese Empfehlung abgeben.

Um sich ein Gesamtbild von der Meinung der Analysten zu machen, reicht es allerdings nicht aus, sich auf den Status Quo zu konzentrieren. Man muss auch einen Blick darauf werfen, wie sich die Einschätzungen der Experten über einen längeren Zeitraum entwickelt haben. Daraus lassen sich am Ende eventuell Trends ableiten.

Auf Seite 3: Wie haben sich die Einschätzungen der Analysten entwickelt?

Wie haben sich die Einschätzungen der Analysten entwickelt?

Sowohl E.ON als RWE stehen bei den Analysten auf der Verkaufsliste. RWE schneidet jedoch kaum merkbar schlechter ab - so lassen sich die aktuellen Einschätzungen der Experten zu beiden Aktien zusammenfassen.

Doch wurden die Titel auch vorher so negativ betrachtet? Wirft man einen Blick auf die Einschätzungen von vor einem Jahr, lautet die Antwort ja. Beide Versorger wurden im Juni 2013 mit fast dem exakt gleichen Konsensrating bewertet wie im Juni 2014. Das leichte Plus, das die Papiere bis heute verbuchen konnten, ist so klein, das es eigentlich keiner Erwähnung bedarf.

Das gleiche Bild zeigt sich bei den Anteilen der "Buys", "Holds" und "Sells". Hier gab es ebenfalls keine bedeutende Veränderung. Nennenswert ist höchstens der Rückgang der Verkaufsempfehlungen in Höhe von mehr als fünf Prozent bei E.ON.

Lässt sich daraus ein Trend ableiten? Ja! Die Meinungen der Analysten zu E.ON und RWE sind weitestgehend festgefahren.

Allerdings hat sich das Bild, das die Experten von den Energiekonzernen zeichnen, seit April 2014 ein wenig aufgehellt. Womöglich wird also gerade der bisherige Trend durch einen neuen abgelöst. Darauf deuten zumindest die leicht steigenden Ratings hin.

Auf den folgenden beiden Seite haben wir Chancen und Risiken gegenübergestellt, die Analysten bei beiden Banken sehen.

Auf Seite 4: Wo sehen die Analysten Chancen und Risiken von E.ON?

Wo sehen die Analysten Chancen und Risiken von E.ON?

Auf Seite 5: Wo sehen die Analysten Chancen und Risiken von RWE?

Wo sehen die Analysten Chancen und Risiken von RWE?

Auf Seite 6: Wie viel Kurspotenzial trauen Analysten den Aktien zu?

Wie viel Kurspotenzial trauen Analysten den Aktien zu?

Da sowohl E.ON als auch RWE als "schwacher Sell" eingestuft werden, ergibt sich im Durchschnitt der Analysten bei beiden Aktien ein negatives Kurspotenzial.

12 M. Zielkurs: Konsens-Zielkurs (Währung)

Letzter Kurs: Stand 23.06.2014, 14:30 Uhr

Ertragspotential: Das zukünftige Renditepotential des Best-Konsens-Zielkurses und des letzten Kurses der Aktie.

LTM Rendite: 1-Jahresertrag des Wertpapiers

Allerdings gibt es einzelne Experten, die bei den Titeln durchaus noch Luft nach oben sehen.

Eileen Ryan von Alpha Value, zum Beispiel, traut E.ON einen Anstieg auf 18,60 Euro zu. Das entspricht auf Basis des aktuellen Kurses von 15,08 Euro einer Zuwachsrate von fast 20 Prozent.

Bei RWE zählt Oscar Najar Rios von Grupo Santander zu den Optimisten: Er sieht für das Papier ein Kursziel von 35,15 Euro - auf Basis des aktuellen Kurses von 31,89 Euro eine Steigerung von 10,2 Prozent.

Auf Seite 7: Fazit

Fazit

Beide Aktien - E.ON und RWE - werden von Analysten sehr kritisch beäugt. Nur wenige würden die Papiere kaufen. Der Großteil schwankt zwischen "Sell" und "Hold". Dabei sind die Experten E.ON einen Hauch positiver gewogen als RWE. Auf jeden Fall sind in beiden Fällen sind die Meinungen festgefahren. Doch das könnte sich ändern, falls sich das Stimmungsbild, das sich in den vergangenen Monaten etwas aufgehellt hat, auch in den kommenden Monaten verbessert.

Was die Chancen und Risiken betrifft, führen Analysten auf beiden Seiten Pro- und Contra-Punkte auf. Welche Punkte man schwerer gewichtet, bleibt wohl eine individuelle Sache.

Auf Seite 8: Was empfiehlt BÖRSE ONLINE?

Was empfiehlt BÖRSE ONLINE?

E.ON:

Die Liste der langfristigen Probleme von E.ON ist lang: Die Strompreise erodieren, die Auslastung der Kohle- und Gaskraftwerke sinkt und die Umsätze aus verkauften Geschäftsteilen fallen weg. Hinzu kommen kurz- bis mittelfristige Probleme wie die Ukraine-Krise, der schwache Rubel und die Schwierigkeiten in Auslandsmärkten wie Brasilien.

Im ersten Quartal fiel der um Sonderposten bereinigte Konzernüberschuss um 13 Prozent auf 1,22 Milliarden Euro. Der Umsatz ging um 11 Prozent auf 31,82 Milliarden Euro zurück, das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) lag mit 3,16 Milliarden Euro zwölf Prozent unter dem Vorjahreswert.

Die Prognose für 2014 bleibt unverändert: E.ON erwartet ein operatives Ergebnis (Ebitda) von 8,0 bis 8,6 Milliarden Euro und einen bereinigten Gewinn von 1,5 bis 1,9 Milliarden Euro - 2013 hatte sich der Gewinn bereits auf 2,2 Milliarden Euro fast halbiert.

Neben der unveränderten Prognose machen der Schuldenabbau um rund eine Milliarde auf rund 31 Milliarden Euro, die Aussicht auf eine Rückerstattung der Brennelementesteuer über 1,7 Milliarden Euro und die Investitionen in Erneuerbare Energien Hoffnung. Letztere trugen im ersten Quartal fast 600 Millionen Euro zum Konzernergebnis bei - ein Anstieg von 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Da sich Chancen und Risiken in etwa die Waage halten und die Aktie auch charttechnisch einen erheblichen Schritt weiter gekommen ist, empfiehlt BÖRSE ONLINE, die Aktie zu halten.

RWE:

Grundsätzlich hat RWE mit den gleichen langfristigen Problemen zu kämpfen wie E.ON, doch die Aussichten sind düsterer. Durch den Verkauf der Konzerntochter Dea soll die Nettoverschuldung zwar von 31 auf 26 Milliarden Euro sinken, allerdings werden auch die Erträge der Ölsparte nach Vollzug der Transaktion im zweiten Halbjahr wegfallen. RWE ist darauf angewiesen, sich von weiteren Geschäftsteilen zu trennen - und das dürfte den Cashflow erheblich belasten.

Schon für 2014 hat das Unternehmen die Prognosespanne für das nachhaltige Nettoergebnis um rund 100 Millionen Euro auf 1,2 bis 1,4 Milliarden Euro gesenkt. Das sind rund zwei Euro pro Aktie. 2015 wird es aller Voraussicht nach noch weniger sein, weil immer mehr Sicherungsgeschäfte auslaufen, die noch hohe Großhandelspreise ermöglichen. Darüber hinaus besitzt RWE eine Eigenkapitalquote von mageren 15 Prozent. Bei E.ON sind es immerhin 25 Prozent.

Unterm Strich rät BÖRSE ONLINE daher, die Aktie zu verkaufen.