Seit dem im Jahr 2012 erfolgten Börsengang reißen bei Facebook Inc. (WKN: A1JWVX, 76,17 Euro, 82,92 Dollar, alle Kurs- und Bewertungsangaben beziehen sich auf dem Stand vom 25.03.) die Diskussionen darüber nicht ab, ob das weltgrößte Online-Netzwerk nun überbewertet ist oder nicht. Zumeist geht es dabei sogar weniger darum, ob eine Überbewertung vorliegt, sondern mehr darum, wie hoch die Überbewertung ist. Den Aktienkurs der Gesellschaft, die den Mitgliedern eine kostenlose Plattform bietet, die den Austausch von Informationen, Bildern, Videos sowie e-mails und Chats mit "befreundeten" Mitgliedern ermöglicht, hat dies aber nicht von einer strammen Entwicklung abgehalten. Gemessen am Ausgabepreis von 38 Dollar hat die Notiz seitdem um gut 118 Prozent zugelegt. Trotz einem zunächst sehr schwachen Börsenstart hat der Titel mit dieser Bilanz den Nasdaq 100 Index, in dem man Mitglied ist, seitdem geschlagen.



Auf dem grundsätzlich intakten Weg nach oben hatte sich der Titel seit Juli eine Auszeit genommen. Der Kurs pendelte in dieser Zeit in einer relativ engen Spanne und einige Pessimisten sahen den fehlenden Schwung schon als Vorbote für eine baldige nachhaltige Kurswende nach unten. Neutral und ohne Vorurteile betrachtet war angesichts des gezeigten Kursverhaltens nach dem Ende des Seitwärtstrends ein Ausbruch nach oben aber mindestens genauso wahrscheinlich wie ein Ausbruch nach unten. Für eine Wiederaufnahme des Aufwärtstrends sprach dabei auch die Unterstützungszone um 75 Dollar, die sich im Laufe der Zeit als sehr tragfähig erwiesen hatte.



In der Vorwoche ist es dem Titel nun gelungen, das bisherige Rekordhoch von 81,45 Dollar zu überwinden und mit neuen Bestkursen ein prozyklisches charttechnisches Kaufsignal zu generieren. Geht es nur nach dem Chartbild, muss der Aktie jetzt eine drastisch verbesserte Ausgangslage attestiert werden.

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Viele ungenutzte Wachstumschancen

Doch es geht hier nicht nur um die Charttechnik, sondern ermöglicht haben den Ausbruch auch positiv aufgenommene Unternehmensnachrichten. Phantasie beinhaltete dabei vor allem die Meldung, wonach Facebook den US-Nutzern seines Kurzmitteilungsdienstes Messenger in den kommenden Monaten die Möglichkeit geben will, mit Hilfe einiger weniger Klicks einander kostenlos Geld zu überweisen. Damit macht man dem Online-Bezahldienst PayPal Konkurrenz, der eine solche Funktion in seiner App im vergangenen Sommer gestartet hat. Kommt die neue Funktion an, wäre das ein Beleg dafür, dass es Facebook gelingt, das eigene Geschäftsmodell auf immer breitere Beine zu stellen. Wie ernst es dem Unternehmen mit der Einführung von Bezahlfunktionen ist, zeigt auch die Anwerbung des früheren PayPal-Chefs David Marcus.

J.P. Morgan weist darauf hin, dass die Gesellschaft bei der Nutzung von Bezahlfunktionen zwar noch ganz am Anfang stehe, man mit rund 1,4 Milliarden monatlich aktiven Nutzern aber über eine sehr gute Ausgangsbasis verfüge. Zumal man mit Instagram, Messenger und Kurzmitteilungsdienst WhatsApp auch noch über weitere sehr wertvolle Assets verfüge. Was hier alles möglich sei, zeige sich auch an der Zeit, die User im Schnitt im Internet auf Diensten aus dem Facebook-Konzern verbringen. J.P. Morgan zählt den Titel auch deswegen zu den Top-Empfehlungen für 2015.

Kritiker beurteilen die Geschäftschancen zwar oft auch etwas zurückhaltender als die Facebook-Anhänger, weil sie Zweifel haben, wie lange der Boom von sozialen Netzwerken anhalten wird, vor allem aber stören sie sich am erreichten Bewertungsniveau. Sie verweisen auf ein geschätztes 2015er-KGV von rund 43, fehlenden Dividendenzahlungen und einem Börsenwert von 170 Milliarden Euro, dem für das Vorjahr erst ein Umsatz von 12,5 Milliarden Euro gegenübersteht. Ein Dorn im Auge ist ihnen zudem, wie viel Geld das Unternehmen für Zukäufe ausgibt. Als Paradebeispiel dafür werden die 19 Milliarden Dollar angeführt, die im Februar 2014 für den Kauf von WhatsApp ausgegeben wurden.

Doch im Internet- und Digitalisierungszeitalter gibt es auch viele Marktexperten, die alles das langfristig für vertretbar halten. Zum Ausdruck kommt das auch in den Kurszielen der Analysten, die sich im Durchschnitt auf 92,14 Dollar einstellen. Allerdings bewegt sich die Spannweite der Prognosen zwischen 65 und 107 Dollar und sie ist somit sehr breit. Die Optimisten setzen dabei auf die erwartet hohen Wachstumsraten. So wird beim Ergebnis je Aktie in den kommenden fünf Jahren mit einem Zuwachs von 31 Prozent gerechnet. Für 2015 liegt die Messlatte beim Gewinn je Aktie bei 1,95 Dollar nach 1,77 Dollar im Vorjahr und für 2016 bei 2,57 Dollar. Der Umsatz soll gleichzeitig von 12,47 Milliarden Dollar auf 17,12 Milliarden und 22,60 Milliarden Dollar steigen.

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Quartalsergebnisse überzeugten zuletzt gleich mehrfach

Im abgelaufenen Quartal hat Facebook unter dem Strich 701 Millionen Dollar oder 25 Cent je Aktie nach 523 Millionen oder 20 Cent je Anteilsschein im Vorjahresquartal verdient. Bereinigt lag der Ertrag bei 54 Cent je Aktie und damit fünf Cent über der Konsensschätzung der Analysten. Der Umsatz wuchs um 49 Prozent auf 3,85 Milliarden Dollar. Das Unternehmen selbst hatte ein Umsatzwachstum von 40 bis 47 Prozent in Aussicht gestellt. Damit ist es wie schon in den Quartalen zuvor gelungen, die Erwartungen zu schlagen und die Chancen stehen nicht schlecht, dass genau das auch im ersten Quartal 2015 wieder passieren wird. Zu achten wird beim Ergebnisausweis allerdings die Kostenentwicklung sein, denn Kritiker warteten zuletzt auch immer wieder mit Warnungen vor stark steigenden Kosten auf.

Eine der großen Stärken von Facebook ist wiederum das zuletzt demonstrierte Wachstum im Geschäft mit mobiler Werbung. Der Anteil der Werbe-Dollar, der auf mobilen Geräten erzielt wurde, stieg im Schlussquartal auf 69 Prozent von 66 Prozent im dritten Quartal und 53 Prozent im Vorjahreszeitraum. Die somit bewiesene wachsende Stärke im Geschäft mit mobiler Werbung ist sehr wichtig, weil die Verschiebung der Nutzerpräferenzen hin zu Smartphones, Phablets und Tablets einer der größten Technologietrends ist.

Zu den ungenutzten Expansionsoptionen zählt außerdem ein Markteintritt in China. Derzeit gibt es dort 640 Millionen Internetuser, was mehr als doppelt so viel wie in den USA ist. Kann Facebook davon nur einen Teil als Nutzer gewinnen, würde sich daraus erhebliches Gewinnwachstumspotenzial ergeben. Große Chancen birgt auch der Bereich Werbung bei Online-Videos. Am weltweiten Marktvolumen von ihm Vorjahr 11,9 Milliarden Dollar dürfte Facebook laut Nomura einen Anteil von vier Prozent gehabt haben. Bis 2017 sehen die Analysten dort das Marktvolumen auf 344 Milliarden Dollar und den Marktanteil von Facebook auf elf Prozent steigen. Zuletzt wurde mit wit.ai ein Unternehmen für Spracherkennungs-Software gekauft sowie mit Oculus ein Datenbrillen-Hersteller.

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Risiken nicht vergessen

Klingt alles ganz viel versprechend, bei einem Titel mit einer so hohen Bewertung wie Facebook darf aber natürlich nicht viel schief gehen, denn sonst wird so eine Aktie für Fehlleistungen schnell abgestraft. Ausführlich auf mögliche Risiken weist die Société Générale hin. So fragen sich die Analysten dort, wie stark das Unternehmen noch wachsen kann, nachdem bereits 19 Prozent der Weltbevölkerung erreicht werden. Außerdem sei das Unternehmen durch mögliche regulatorische Eingriffe gefährdet, die etwa mit Bedenken rund um das Thema Datensicherheit und Privatsphäre aufkommen könnten. In Deutschland hat beispielsweise erst jüngst wieder der Verbraucherzentrale Bundesverband ein erneutes Unterlassungsverfahren wegen der umstrittenen Nutzungsbedingungen gegen Facebook eingeleitet und das Unternehmen abgemahnt. Zudem könnte es durch die Praxis, eigene Aktie als Lohnbestandteil einzusetzen, zu einer starken Gewinnverwässerung kommen. Als Kursziel werden wegen solcher Bedenken und der erreichten Bewertung 65 Dollar genannt. Im Negativfall seien sogar nur 35 Dollar denkbar.

Das ist harter Tobak und ein derartiges Szenario sollte nicht komplett als unmöglich verdrängt werden. Vielmehr ist sicherlich richtig, dass die Facebook-Aktie ein Investment mit einem hohen Risikoprofil ist. Zumindest kurzfristig überwiegen aber die Chancen auf der Oberseite, denn der jüngste Ausbruch auf neue Rekorde hat neues Aufwärtspotenzial freigeschaufelt. Bleibt die Nachrichtenlage wie zuletzt positiv rund um das Unternehmen und rückt auch die Technologiebörse Nasdaq (die allerdings zur Wochenmitte Schwächen zeigte) auf neue Rekorde vor, dann dürfte die Aktie als nächstes durchaus den Bereich von 90-100 Dollar anvisieren. Auch von der Börse-Online-Redaktion wird der Titel zum Kauf empfohlen, das bisherige Kursziel von 80 Euro ist aber fast erreicht.