Deutschlands Nachbarland im Westen gilt als kranker Mann Europas. Es hakt an allen Ecken und Enden - politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich. Ein Symbol dafür sind die anhaltenden Streiks und Proteste gegen die Arbeitsmarktreform der Regierung. Dabei gab es zuletzt gar so etwas wie einen Hoffnungsschimmer: Um 0,6 Prozent gegenüber dem Vorquartal ist Frankreichs Wirtschaft im ersten Quartal 2016 gewachsen. Ob das stärkste Plus seit einem Jahr in einen nachhaltigen Aufschwung übergeht, ist jedoch angesichts der großen Probleme im Land höchst zweifelhaft.

Uneins sind sich die Finanzexperten auch, in welchem Umfang der britische Austritt aus der EU die Unternehmen Frankreichs trifft. "Im Vergleich zu Deutschland ist der Einfluss der Investitionen der französischen Wirtschaft in Großbritannien überschaubar", meint Marco Herrmann, Geschäftsführer der Fiduka Vermögensverwaltung. Ob man diesen Optimismus teilt oder nicht - die Wirtschaft der Grande Nation ist international immer weniger wettbewerbsfähig (siehe Infografik Seite 3). Seit 2012 ist der Anteil französischer Exporte in der Eurozone folgerichtig um 0,4 Prozent geschrumpft, während im selben Zeitraum Deutschlands Anteil um 0,8 Prozent zulegte.

Defensive Klassiker

Anleger sollten sich davon trotzdem nicht abschrecken lassen, denn die französische Börse bietet ein großes Reservoir an attraktiv bewerteten Aktien. Der CAC 40, der Leitindex der Börse Paris, hat seit Anfang 2016 zwölf Prozent an Wert verloren. Im Vergleich mit anderen europäischen Indizes ist das eine schlechte Entwicklung, allerdings ist der CAC 40 jetzt vergleichsweise niedrig bewertet. Das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis für 2016 und 2017 beläuft sich auf 15 und 13,5. Ein Abschlag gegenüber europäischen Indizes wie dem DAX, so Fondsmanager Herrmann, der politisch gerechtfertigt sei, nicht jedoch, was die individuelle Qualität der Firmen anbelangt. Erste Wahl unter den Bluechips bleiben im aktuellen Marktumfeld vor allem defensive Wachstumswerte, die sowohl in Wachstumsphasen als auch ohne konjunkturellen Rückenwind gut laufen.

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Gute Einstiegskurse



Dazu zählen Gesellschaften wie der Bau- und Infrastrukturkonzern Vinci. Der Betreiber von Flughäfen und Autobahnen ist ein Nutznießer, sollte die Konjunktur in Europa weiter anziehen. Dank der anhaltenden Niedrigzinsen kann Vinci seine Bauprojekte günstig refinanzieren. Analysten erwarten bis 2017 ein solides Gewinnwachstum von zehn Prozent. Die moderate Bewertung der Aktie geht einher mit einer traditionell sehr guten Dividendenrendite von über drei Prozent.

Dagegen sind etwa die Luxuskonzerne LVMH oder Kering mit ihrer stärkeren Ausrichtung auf die Konsumenten in Schwellenländern härter vom aktuellen konjunkturellen Abschwung in China betroffen.

Allerdings bieten die jüngsten Kursverluste im Zuge des Brexit-Effekts auch in diesem Segment gute Einstiegskurse. Zugreifen sollten Anleger hier beim Kosmetikkonzern L’Oréal. Anders als etwa Handtaschen oder Schmuck sind Lippenstifte und Make-up kurzlebige Verbrauchsgüter - und für Edelmarken wie L’Oréal Paris, Lancôme oder auch Garnier und The Body Shop ist die Kundschaft bereit, auch mal tiefer in die Tasche zu greifen. Bei der Profitabilität trägt L’Oréal ebenfalls dick auf: Mit 13,8 Prozent war die Umsatzrendite 2015 höher als bei LVMH (zehn Prozent).

Top positioniert in seiner Marktnische ist auch Essilor. Der Hersteller von Brillengläsern und optischen Instrumenten ist auf allen internationalen Märkten mit einem breiten Markenportfolio präsent. Was die Bewertung angeht, zählt das Unternehmen zwar nicht zu den Billigheimern, dafür glänzt es mit langfristig stabilen Wachstumsraten bei Gewinn und Cashflow. Außerdem wurde zum 19. Mal in Folge die Dividende erhöht. Die Aktie eignet sich für sehr langfristig orientierte Anleger, die eventuelle Kursverluste nach schlechteren Quartalsergebnissen - wie zuletzt geschehen - zum Einstieg nutzen.

Globale Präsenz, mehr Profitabilität und ein deutlicher Abbau des Schuldenbergs - damit punktet der Trinkwasserversorger Veolia Environnement. Nach dem Gewinnsprung von 2015 will Veolia den Umsatz in den nächsten drei Jahren von zuletzt 25 auf mindestens 27 Milliarden Euro und den Gewinn von 450 auf 800 Millionen Euro steigern. Die höhere Rendite soll den Anlegern nun verstärkt zugute kommen mit einem jährlichen Plus von zehn Prozent bei der Dividendenausschüttung.





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