"Wir geben Healthineers die unternehmerische Flexibilität, um den Wandel in der Healthcare-Industrie zu gestalten", sagte Siemens-Vorstandsmitglied Michael Sen am Dienstag vor Investoren und Analysten in London. Die Anleger, die Aktien für bis zu zehn Milliarden Euro kaufen sollen, will Siemens Healthineers mit steigenden Renditen und einer hohen Dividende ködern. 50 bis 60 Prozent des Nettogewinns sollen künftig ausgeschüttet werden.

Mit dem Investoren-Treffen gab Healthineers den Startschuss für den Börsengang, der noch vor Ostern erwartet wird. Er könnte der größte in Frankfurt seit 1996 werden. Damals sammelte die Deutsche Telekom mit der "T-Aktie" 10,6 Milliarden Euro bei Anlegern ein.

Offiziell hat sich Siemens bisher nur darauf festgelegt, dass die Emission im ersten Halbjahr über die Bühne gehen soll. Die beauftragten Banken arbeiten jedoch laut Insidern auf eine Emission noch vor Ostern hin, um die gute Stimmung an den Kapitalmärkten zu nutzen. An die Börse gebracht werden solle ein "sinnvoller" Minderheitsanteil, sagte Sen. Finanzkreisen zufolge dürften das 15 bis 25 Prozent sein. Siemens wolle - anders als von einigen Analysten gefordert - auch langfristig die Mehrheit an der Erlanger Tochter nicht abgeben, bekräftigte Sen, der bis 2015 Finanzvorstand von Siemens Healthcare war. "Siemens wird Healthineers als Mehrheitsaktionär weiterhin aktiv unterstützen."

BEIM SPARPROGRAMM FALLEN AUCH STELLEN WEG



Mit dem Erlös aus dem Emission will Siemens offenbar fast die Hälfte der Schulden von Healthineers tilgen, die durch Zukäufe auf 8,2 Milliarden Euro - inklusive Pensionslasten - angeschwollen sind. Nach dem Börsengang soll Healthineers mit einer Schuldenlast von 4,3 Milliarden Euro starten, damit die Tochter ausreichend Spielraum für die Finanzierung ihres Wachstums hat.

So schnell will Healthineers die eigenen Aktien aber nicht für große Firmenkäufe nutzen, die das Produkt-Angebot erweitern könnten. "Wir sind so gut aufgestellt, dass wir sicherlich kurzfristig keine transformatorischen Akquisitionen durchführen werden", sagte Finanzvorstand Jochen Schmitz der "Börsen-Zeitung" (Dienstag). Alles andere könne man sich in bar leisten. "Wir werden Dinge tun, die nahe an dem liegen, was wir können."

Die operative Umsatzrendite (Ebita-Marge) von Healthineers liegt mit 18 Prozent im Konzern ohnehin bereits an der Spitze. Doch Vorstandschef Bernd Montag will noch mehr herausquetschen, unter anderem durch ein Sparprogramm: Bis 2020 sollen die Kosten um 240 Millionen Euro sinken - auch mit Stellenstreichungen in der 47.000 Mitarbeiter starken Belegschaft. 150 Millionen Euro hat Healthineers in diesem Jahr für Abfindungen und andere Kosten für das Sparprogramm eingeplant. Das knabbert zunächst an der operativen Rendite: 17 bis 18 Prozent vom Umsatz hat Schmitz für 2017/18 nur noch eingeplant.

BRINGT "ATELLICA" IM LABOR DIE WENDE?



Mittelfristig sollen in jenen beiden Sparten, in denen sich Healthineers als Weltmarktführer sieht, daraus 20 bis 22 Prozent werden: "Digital Imaging" vom einfachen Röntgenapparat bis zum acht Millionen Euro teuren Magnetresonanztomographen (MRT) und "Advanced Therapies", wo Roboter und andere Maschinen den Arzt bei Operationen oder Schlaganfall-Behandlungen helfen. Großes Sorgenkind ist die Labordiagnostik - die Auswertung von Blut- und Urintests. Der Markt wächst eigentlich am schnellsten, doch hinkt Siemens dem Weltmarktführer Roche weit hinterher und hat zuletzt Marktanteile verloren. Ein neues Labor-System namens "Atellica" soll die Wende bringen, wie Montag verspricht. Die Umsatzrendite soll auf 16 bis 19 Prozent steigen. 2016/17 waren es nur 14 Prozent. Doch die Investoren zeigten sich am Dienstag noch skeptisch.

Die Märkte, die Healthineers beackert, sollen laut Montag um drei bis fünf Prozent wachsen. Healthineers will mit vier bis sechs Prozent besser sein. Doch brauchen die Aktionäre Geduld: Für das laufende Geschäftsjahr traut Montag sich nur ein um Währungseffekte bereinigtes Plus von drei bis vier Prozent zu. Das wäre immer noch mehr als 2016/17, als die Siemens-Sparte den Umsatz um 2,7 Prozent auf 13,8 Milliarden Euro gesteigert hatte. Unter Berücksichtigung von Währungseffekten werde der Umsatz aber sogar leicht sinken, sagte Finanzvorstand Schmitz.

rtr