Zugleich warnte Fuest vor den langfristigen Folgen für den Euro. Wenn es nicht gelinge, "in der Eurozone für harte Budget-Restriktionen zu sorgen, sondern einzelne Mitgliedstaaten die Last ihrer Schulden immer mehr auf andere abwälzen können", habe der Euro "keine Zukunft mehr", sagte Fuest.

Die EU-Finanzminister haben am Dienstag Spanien und Portugal wegen ihrer anhaltend hohen Haushaltsdefizite getadelt und zugleich den Weg für konkrete Strafmaßnahmen frei gemacht. Die Höhe des Strafmaßes ist jedoch offen und könnte mit null Euro auch nur symbolisch ausfallen. Trotz zahlreicher Verstöße in der Vergangenheit wurden bislang noch nie Sanktionen gegen ein Land der Euro-Zone wegen der Missachtung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes verhängt.

Herr Prof. Fuest, Spanien und Portugal haben erneut mehr Schulden gemacht als erlaubt und damit zum wiederholten Male die Drei-Prozent-Hürde bei der Neuverschuldung gerissen. Nun droht der EU-Rat mit Sanktionen. Laut Stabilitätspakt könnte die Strafzahlung bis 0,2 Prozent der Wirtschaftsleitung des betroffenen Landes betragen. Außerdem könnten Mittel aus EU-Strukturfonds eingefroren werden. Müssen sich Spanien und Portugal jetzt warm anziehen?


Wahrscheinlich nicht. Es besteht die Gefahr, dass die EU-Fiskalaufsicht sich einmal mehr als zahnloser Tiger erweist.

Es wäre nicht das erste Mal. Bislang sind Länder, die gegen den Stabilitätspakt verstoßen haben, noch stets mit einem Tadel davongekommen. Auch im aktuellen Falle Spaniens und Portugals gibt es Stimmen, die keine Strafzahlung wollen, sondern es bei einem Verweis belassen sollen. Welchen pädagogischen Wert hat eine solche weiche Linie?


Keinen. Es geht hier allerdings nicht um Erziehung von Kindern, sondern darum, im gemeinsamen Interesse der Mitgliedstaaten eine Begrenzung der Staatsverschuldung zu erreichen. Aber auch dafür erreicht eine Strafandrohung von Null Euro nichts. Im Gegenteil. Die Schuldenaufsicht macht sich lächerlich.

Nach einer Berechnung des ifo-Instituts vom Mai hat Spanien bereits vier Mal unerlaubt - also ohne, dass eine Rezession vorliegt - gegen die Defizit-Kriterien verstoßen, Portugal und Griechenland liegen mit jeweils 10 unerlaubten Verstößen hinter Frankreich auf Platz zwei der größten Haushaltssünder. Wird es vor diesem Hintergrund nicht höchste Zeit, dass die EU endlich durchgreift?


Da man nun viele Jahre lang nicht durchgegriffen hat, werden Spanien und Portugal sich diskriminiert fühlen, wenn man ausgerechnet bei ihnen streng ist. Wir sollten nicht vergessen, dass auch Deutschland 2003 eigentlich fällige Sanktionen gegen sich verhindert und so zur Demontage der Verschuldungsregeln beigetragen hat.

Bislang sind Defizitsünder noch nie wegen Verstößen gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt zur Kasse gebeten worden. Welche alternativen Sanktionen kämen aus Ihrer Sicht sonst noch in Frage?


Ich habe kürzlich mit dem Konzept der "Accountability Bonds" eine Alternative vorgeschlagen. Der überschießende Teil der Defizite sollte mit nachrangigen Staatsanleihen finanziert werden, die ihren Wert verlieren, wenn das emittierende Land in eine Krise gerät und Hilfen von anderen Euro-Staaten braucht. Damit würde zumindest verhindert, dass die Kosten der übermäßigen Verschuldung auf Steuerzahler anderer Staaten abgewälzt werden. Die Zinsen wären höher als bei normalen Staatsanleihen, so dass auch ein finanzieller Anreiz besteht, die Regeln nicht zu verletzen.

Europa-Politiker warnen, dass eine Bestrafung von Spanien und Portugal die Konflikte in Europa noch vertiefen könnte. Immerhin führt Frankreich die Liste der Missetäter an. Auch Deutschland hat bereits mehrfach gegen die Defizit-Kriterien verstoßen, musste aber keine Sanktionen verkraften. Dazu kommt, dass die EU mit dem Brexit ohnehin einer bislang ungekannten Zerreißprobe ausgesetzt ist. Wie wahrscheinlich ist vor diesem Hintergrund eine harte Haltung der EU?


Ein Grund für die Skepsis gegenüber der EU besteht darin, dass die Mitgliedstaaten dauernd gegen Vereinbarungen verstoßen, die sie selbst in Brüssel getroffen haben. Man kann die EU nicht stabilisieren, indem man diese Verstöße ausdehnt.

Wie lange kann der Euro in einem solchen Umfeld eigentlich noch eine einigermaßen verlässliche Währung bleiben?


Wenn es nicht gelingt, in der Eurozone für harte Budget-Restriktionen zu sorgen, sondern einzelne Mitgliedstaaten die Last ihrer Schulden immer mehr auf andere abwälzen können, hat der Euro keine Zukunft.