Wenn es an der Börse eine Königsdisziplin gibt, ist es die Spekulation auf fallende Kurse. Wer damit sein Auskommen bestreiten kann, darf nicht zart besaitet sein. Shortseller, wie diese Investoren genannt werden, leihen sich Aktien und verkaufen sie. Das Geschäft bringt Gewinn, wenn sie die Aktien zu einem niedrigeren Kurs zurückkaufen können. Dabei gibt es viele Unwägbarkeiten und ein asymmetrisches Verhältnis von Chancen und Risiken. Bei einem Leerverkauf kann man nur den Einsatz gewinnen, während ein Vielfaches verloren gehen kann.

Einer, der mit diesem Druck recht gut zurechtkommt, ist Jim Chanos, der Gründer von Kynikos Associates. Den Hedgefonds gibt es seit 30 Jahren, und er ist der größte, der ausschließlich auf fallende Kurse setzt. Dabei erzielte der 58-Jährige bei Enron, Tyco und Worldcom sensationelle Erfolge. Einer seiner aktuellen Shortpositionen ist die Aktie von Tesla Motors. Und damit stellt sich Chanos wieder einmal voll gegen die Analysten der Wall Street. Die sagen dem Hersteller von Elektrofahrzeugen nämlich eine goldene Zukunft voraus. Die Kursziele reichen bis 450 Dollar, fast doppelt so hoch wie die aktuellen Notierungen.

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Nur ein Nischenanbieter?



Gerade hat Tesla begonnen, sein neues Modell X auszuliefern. Nach Sportwagen und Limousinen dringt der Autohersteller nun auch ins Segment der SUVs vor. Das Fahrzeug, das ab 130 000 Dollar zu haben ist, soll Platz für sieben Personen bieten. Mit der neuen Reihe werde der Durchbruch gelingen, glauben Tesla-Bullen. Chanos gibt zu, dass das Unternehmen hervorragende Produkte herstellt. Allerdings passten Produktionsvolumen und Börsenbewertung nicht zusammen. "Tesla ist ein Nischenanbieter, der nur eine geringe Stückzahl hochpreisiger Fahrzeuge verkauft", gibt er zu bedenken. Mit einem Börsenwert von 27 Milliarden Euro sei das Unternehmen jedoch so hoch bewertet, als ob es eine Millionen Fahrzeuge herstellen und verkaufen könne. In der Tat: Tesla hat in etwa die gleiche Marktkapitalisierung wie Renault. Die Franzosen stellen aber 2,7 Millionen Fahrzeuge her. Bei Tesla werden es 2015 keine 50 000 gewesen sein.

Es sei zweifelhaft, ob es Tesla gelingen kann, ins Massengeschäft vorzudringen, glaubt Chanos. Auf jeden Fall müssten Milliarden in Fabriken investiert werden. Schon heute verbraucht Tesla mehr Geld, als der Konzern einnimmt. In den ersten neun Monaten 2015 betrug das Cashflow-Defizit 1,7 Milliarden Dollar. Chanos glaubt, dass der Kapitalmarkt ab einem bestimmten Punkt nicht mehr zur Verfügung steht. Dann implodiert das Geschäftsmodell.

Wer sich in Chanos’ Windschatten begeben will, kann einen Put-Optionsschein auf Tesla kaufen. Weil die Aufgelder klassischer Produkte sehr hoch sind, kommen aber nur sehr spekulative K.-o.-Produkte (etwa WKN CC4 J25) infrage.