Bei Air Liquide und China Petroleum kann jetzt die einbehaltene Abgeltungsteuer auf zugeteilte „junge Aktien“ zurückgefordert werden. Steuerberater Sebastian Meinhardt  erklärt, welche Details dabei zu beachten sind Von Stefan Rullkötter


BÖRSE ONLINE: Wie bewerten Sie das neue Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF), nachdem es bereits eine Reihe von Korrekturen bei der steuerlichen Behandlung von anderen Kapitalmaßnahmen gegeben hat?


Sebastian Meinhardt: Das BMF-Schreiben setzt die Reihe von Korrekturen bei ausländischen Kapitalmaßnahmen fort. Wie schon bei Google und MollerMaersk wickelten die Banken die Ausgabe der Gratisaktien durch Air Liquide im Jahr 2014 als so genannter "Zweifelsfall" mit Abgeltungsteuereinbehalt ab. Erst nach mehr als zwei Jahren bestätigt das Bundesfinanzministerium für Air Liquide nun, dass der Abzug der Abgaben zu Unrecht erfolgte. Doch während der Steuereinbehalt durch die Bank erfolgte, muss sich der Aktionär um die Erstattung der zu Unrecht einbehaltenen Steuern selbst kümmern.

Gibt es bestimmte Punkte, auf die Air Liquide-Altaktionäre nach diesem BMF-Schreiben besonders achten müssen?


Bei Air Liquide werden Banken nach dem neuen BMF-Schreiben überhaupt keine Korrekturen vornehmen. Der Anleger muss sich die Abgeltungsteuer im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2014 erstatten lassen. Hierzu muss er den Abrechnungsbeleg der Kapitalmaßnahme, Depotauszüge der Jahre 2013 bis 2016, Kauf- und Verkaufsabrechnungen der Aktien und die Steuerbescheinigung vorlegen.

Was ist, wenn betroffene Aktionäre schon einen bestandskräftigen Steuerbescheid für das betreffenden Jahr erhalten haben?


Eine Erstattung ist aus Billigkeitsgründen auch dann möglich, wenn die Steuerveranlagung für das Jahr 2014 bereits abgeschlossen ist. Anleger müssen beachten, dass neben der Steuererstattung die Anschaffungskosten der Aktien um die damals zu Unrecht angesetzten steuerpflichtigen Erträge zu mindern sind. Dies hat zur Folge, dass alle Veräußerungen von Air Liquide Aktien nach der Kapitalmaßnahme im Jahr 2014 ebenfalls im Rahmen der Einkommensteuererklärung korrigiert werden müssen, da die Anschaffungskosten auf Bankebene nun fehlerhaft sind und die Gewinne oder Verluste daher nicht korrekt ermittelt werden.

Was ist für betroffene China-Petroleum-Altaktionäre zu beachten?


Bei China Petroleum werden die Banken die Anschaffungskosten auf ihrer Ebene mindern, wenn die Aktien noch im Bestand sind. Aktionäre müssen sich die Abgeltungsteuer aber auch hier im Veranlagungswege erstatten lassen. Tun sie dies nicht, weil sie beispielsweise den Aufwand scheuen, kommt es zu einer Doppelbesteuerung. Denn die Anschaffungskostenminderung führt dazu, dass die Gratisaktien bei Veräußerung faktisch zweimal besteuert werden.

Viele in Deutschland steuerpflichtige Aktionäre wünschen sich eine einheitliche steuerliche Behandlung von Kapitalmaßnahmen ausländischer Firmen. Ist das realistisch - oder wird es auch in Zukunft nur Einzelfall-Entscheidungen des BMF geben?


Auch in Zukunft ist weiter mit Einzelfallentscheidungen durch das BMF zu rechnen. Dies liegt auch daran, dass die steuerliche Würdigung kompliziert ist und die Bank bereits am Tag der Maßnahme über die steuerliche Abwicklung entscheiden muss. Weil dann im Zweifelsfall profiskalisch, also zum Vorteil der Finanzverwaltung, abgewickelt wird, bedarf es Anleger, die eine Überprüfung der Kapitalmaßnahme durch die Finanzverwaltung herbeiführen.

Etwas anders liegt der Fall beim Internetauktionshaus Ebay, das im Sommer 2015 den Online-Bezahldienst Paypal abgespalten hat. Können auch Ebay-Altaktionäre hoffen, dass ihnen die Abgeltungsteuer auf neu eingebuchten Paypal-Papiere erstattet wird?


Das deutsche Steuerrecht regelt die Steuerfreiheit von Abspaltungen, wie sie insbesondere im deutschen Recht vorgenommen werden. In einem einheitlichen Vorgang überträgt eine Gesellschaft einen Teil ihres Geschäfts in eine neue Aktiengesellschaft, deren Aktien unmittelbar an die bisherigen Altaktionäre ausgegeben werden. Im US Recht erfolgt dies abweichend. So hat Ebay die Paypal Aktien zunächst für kurze Zeit selbst gehalten und erst dann an seine Aktionäre übertragen. Ob diese Form einer Abspaltung aus deutscher Sicht steuerneutral ist oder aber eine steuerpflichtige Sachdividende ist noch nicht abschließend geklärt. Die Kapitalmaßnahme ist jedoch mit der Abspaltung vergleichbar, die dem Bundesfinanzhof-Verfahren VIII R 73/13 zu Grunde liegt. Hier hatte der BFH insbesondere auf die steuerneutrale Behandlung in den USA abgestellt und eine Steuerpflicht abgelehnt. Eine solche Steuerneutralität in den USA ist auch bei Ebay/Paypal gegeben. Aktionäre sollten ihre Steuererklärung daher offen halten.

Zur Person: Sebastian Meinhardt ist Steuerberater bei KPMG in Frankfurt am Main und auf Steuerfragen bei Kapitalanlagen spezialisiert.

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