Schande über uns. Von den im Vorjahr unter der Überschrift "Der große Kaufrausch" vorgestellten 17 Unternehmen ist bisher keines übernommen worden. Dies mag daran liegen, dass es damals teilweise auch um Gesellschaften ging, die beim Kampf ums Fressen-und-Gefressen- Werden eher als Jäger und weniger als Gejagte einzustufen waren. Der Performance hat es jedenfalls nicht geschadet: Im Schnitt erreichten die empfohlenen Aktien seither ein Plus von 60 Prozent in nur gut einem Jahr. Der Solactive German Mergers & Acquisitions Index hat es in dieser Zeit auf einen deutlich geringeren Wertzuwachs von nur 20 Prozent gebracht.

Die insgesamt gute Wertentwicklung ist aber nicht der einzige Grund, warum sich BÖRSE ONLINE in dieser Ausgabe wieder ausführlicher dem Thema widmet. Vielmehr spricht dafür die steigende Zahl an Fusionen. Fast fällt es schwer, bei der Vielzahl der angekündigten Übernahmen im Milliardenbereich den Überblick zu behalten. Beispiele gefällig? Der britisch-niederländische Öl- und Gaskonzern Royal Dutch Shell bot umgerechnet 64 Milliarden Euro für den britischen Gaskonzern BG Group. Im Gesundheitssektor hat kürzlich der Generikakonzern Mylan für den irisch-amerikanischen Wettbewerber Perrigo 29 Milliarden Dollar offeriert. Ebenfalls am Ball ist Warren Buffett. Der Starinvestor hat für 45 Milliarden Dollar zusammen mit der brasilianischen Beteiligungsgesellschaft 3G die Übernahme von Kraft Foods durch Heinz Ketchup eingefädelt. Und erst in der Vorwoche legte der finnische Telekomausrüster Nokia 15,6 Milliarden Euro für den französisch-amerikanischen Netzwerkausrüster Alcatel-Lucent auf den Tisch.

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So viele Deals wie nie zuvor

Insgesamt wurden in diesem Jahr schon M & A-Geschäfte im Volumen von mehr als einer Billion Dollar annonciert, so viel wie nie zu diesem Zeitpunkt im Jahr. Marktexperten sagen für das Gesamtjahr ein Dealvolumen von 3,7 Billionen Dollar voraus. Das wäre der zweitgrößte Wert seit den gut vier Billionen Dollar aus dem Rekordjahr 2007. Möglich macht die Übernahmewelle unter anderem die durch die Niedrigzinspolitik der Notenbanken entstandene Liquiditätsschwemme. Zumal diese nicht nur zu sehr günstigen Finanzierungsbedingungen verhilft, sondern auch die Aktienkurse in die Höhe treibt. Hohe Aktiennotierungen wiederum eignen sich sehr gut als Akquisitionswährung.

An finanzieller Munition mangelt es auch aus einem anderen Grund nicht. So sitzen die US-Unternehmen auf Barmitteln von 1,7 Billionen Dollar - Kapital, das irgendwie zum Arbeiten gebracht werden will. "Diese Fusionswelle wird getrieben vom Zwang zur Schaffung von Preismacht in einer Welt mit billigen Krediten und schwachem Umsatzwachstum", fassen die Analysten Fabrice Theveneau und Simon Surtees von Société Générale zusammen.

Skeptiker mögen zwar einwenden, die inzwischen erreichten höheren Bewertungen könnten einen anhaltenden Boom verhindern. Doch das Argument sticht nicht, vielmehr war in der Vergangenheit eher das Gegenteil zu beobachten. Basierend auf Daten von 1994 bis 2014, haben die Analysten der Bank of America Merrill Lynch für den Russell-2000-Index im Schnitt in Phasen mit höheren Bewertungen sogar eine größere Zahl an Übernahmen registriert. Auch jetzt lassen sich die Verantwortlichen in den Unternehmen in ihrer Kauflust anscheinend nicht bremsen. Laut einer von Ernst & Young unter 1600 Führungskräften in 54 Ländern durchgeführten Umfrage wollen in den nächsten zwölf Monaten 56 Prozent der Befragten im M & A-Bereich aktiv werden. "Der Appetit auf Deals ist so groß wie seit fünf Jahren nicht mehr", sagt Pip McCrostie von Ernst & Young.

Auf Seite 3: Der schwache Euro lädt zur Shoppingtour ein





Umschauen dürften sich finanziell gut ausgestattete Unternehmen nicht zuletzt in Europa. Schließlich lädt der schwache Euro ausländische Gesellschaften geradezu ein, auf Shoppingtour zu gehen. Auch auf Branchenebene gibt es genügend Handlungsbedarf, stehen doch zahlreiche Sektoren wie Öl und Gas, Pharma, Generika, Freizeit, Transport, Finanzen, Telekommunikation, Versorger und Chemie unter Konsolidierungsdruck.

Bei allem Optimismus sollte aber eines nicht vergessen werden: Übernahmewellen stellen sich in der Regel am Ende eines Haussezyklus ein. Da lassen sich dann zwar mit die größten Gewinne einfahren, aber Gelassenheit ist trotzdem fehl am Platz. Wenn der Jagdtrieb bei den Unternehmen zu groß wird, sollten Anleger genau auf Trendumkehrsignale an den Aktienmärkten achten. Wegen des antizyklischen Charakters des M & A-Geschäfts ist es gut, dass bei allem Schwung noch kein komplett überschäumender Optimismus zu beobachten ist. Zumindest spricht dafür ein noch nicht aus dem Ruder laufender M & A-Anteil an der Marktkapitalisierung der US-Börse. Außerdem fallen die gezahlten Übernahmeprämien im historischen Vergleich noch nicht übermäßig hoch aus.

Aber natürlich wird praktisch immer ein Aufpreis geboten, und das ist es, was Übernahmekandidaten aus Anlegersicht so interessant macht. JP Morgan beziffert die gezahlten Prämien seit 2002 in Europa auf im Schnitt rund 17 Prozent. Zudem wurden im Vorjahr auch die Käufer nicht bestraft. Vielmehr lagen die Aktienkurse der Bieter einen Monat nach Vorlage der Gebote um durchschnittlich rund drei Prozent über den Notierungen zum Zeitpunkt der Vorlage einer Offerte.

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Gerüchte in Europa, USA, Asien

Übernahmegerüchte ranken sich derzeit unter anderem um den Schweizer Spezialchemiekonzern Clariant. Zuletzt wurden 23 Franken je Aktie als Kaufpreis und der deutsche Konkurrent Evonik als Interessent gehandelt. Viele Gerüchte kursieren auch um den irischen Verpackungsspezialisten Smurfit Kappa. Hier soll angeblich der US-Wettbewerber International Paper bereit sein, 36 Dollar je Aktie zu zahlen.



Auf Seite 5: Deutsche Übernahmekandidaten





In Deutschland gilt der Pharmakonzern Stada schon lange als Übernahmekandidat. Durch die geplante Akquisition von Perrigo durch Mylan wurden diese Gerüchte jetzt wiederbelebt. Selbst wenn aus einer Übernahme weiterhin nichts werden sollte, so weist dieser Deal doch auf eine relativ moderate Bewertung des MDAX-Vertreters hin. Beim deutschen Werkzeugmaschinenbauer DMG Mori Seiki hat der gleichnamige japanische Mehrheitsaktionär die Übernahmeofferte zwar bereits zweimal erhöht. Doch dem US-Hedgefonds Elliott, der seine Beteiligung zuletzt weiter aufgestockt hat, ist das offenbar nicht genug. Gut möglich, dass die auf öffentliche Übernahmen spezialisierte Gesellschaft hier noch etwas mehr herausholen kann. In Österreich kommt der Baukonzern Strabag als Kaufkandidat infrage, auch weil die Großaktionäre Raiffeisen und Uniqa als verkaufsbereit gelten.

In den USA wird der Medizindienstleister CR Bard gleich bei zwei Investmentbanken als Übernahmekandidat eingestuft. Dieser Ansicht sind in diesem Fall Morgan Stanley und Merrill Lynch. Letztere wittert zudem auch bei Juniper Networks Übernahmefantasie. Nach dem Schachzug von Nokia bei Alcatel-Lucent dürfte ein Treffer bei dieser Prognose wahrscheinlicher geworden sein. Bei Ebay wiederum könnte nach der geplanten Abspaltung von Paypal ein Interessent für die Bezahltochter und vielleicht sogar für das Web-Auktionshaus selbst auf den Plan treten.

Komplettiert wird die Liste durch zwei Werte aus Asien. Laut Société Générale könnte bei dem zu Toyota Motors gehörenden japanischen Lkw- und Bushersteller Hino Motors etwas im Busch sein. Auch bei dem kürzlich aus einem Zusammenschluss von Hutchison Whampoa und Cheung Kong entstandenen Mischkonzern CK Hutchison Holdings in Hongkong ist noch einiges zu erwarten.

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