Der Linde-Aufsichtsrat will am Donnerstag über den Zusammenschluss mit dem US-Rivalen Praxair entscheiden. Die Arbeitnehmer-Vertreter wollen geschlossen gegen die 60 Milliarden Euro schwere Fusion votieren.

Für diesen Fall will Aufsichtsratschef Reitzle von seinem Doppel-Stimmrecht Gebrauch machen und das Projekt so durchboxen. Ein solcher Schritt wäre in der auf Konsens bedachten deutschen Unternehmenslandschaft äußerst ungewöhnlich.

Betriebsrat und IG Metall hatten in den vergangenen Monaten wiederholt vor einer Fusion mit dem US-Rivalen gewarnt und auf drohende Stellenstreichungen verwiesen. Weltweit stünden 8000 bis 10.000 Jobs auf dem Spiel, die Hälfte davon in Deutschland, hatte bayrische IG Metall-Chef, Jürgen Wechsler etwa Ende April auf einer Demonstration gewarnt. Dazu sei die Mitbestimmung in dem neuen Konzern bedroht. Nach den Planungen soll der Sitz des neuen Unternehmens ins Ausland verlegt werden. Neben London und Amsterdam war laut Handelsblatt zuletzt auch Dublin als möglicher Standort im Rennen.

Auch bei Investoren sind die Fusionspläne umstritten. Auf der Linde-Hauptversammlung vor rund drei Wochen hatte Reitzle heftige Kritik von Aktionären einstecken müssen. Zwar begrüßten zahlreiche Anteilseigner die Fusionspläne grundsätzlich, warfen Reitzle jedoch einen Alleingang vor. Statt des geplanten Umtauschs von Linde-Aktien in Anteilsscheine der neuen Gesellschaft müssten die Anteilseigner formell auf einer Hauptversammlung über die Fusion entscheiden dürfen, hatten führende Aktionärsvertreter gefordert.

Zugleich warfen sie Reitzle weitere Fehler vor. Die Informationspolitik sei "eine Katastrophe", hatte etwa Winfried Mathes vom Sparkassen-Fondsanabieter Deka gewettert. Auch die Vorstandswechsel hatten für großen Unmut gesorgt. "Selten wurde ein Konzern so ins Chaos gestürzt", sagte Fondsmanager Ingo Speich von Union Investment.