Linde habe einen Zusammenschluss auf Augenhöhe im Visier, sagten zwei der Insider der Nachrichtenagentur Reuters. Allerdings ist Linde - obwohl deutlich größer - mit knapp 28 Milliarden Euro an der Börse weniger wert als Praxair. Die Bayern waren nach der Übernahme von Airgas durch Air Liquide auf Platz zwei im Weltmarkt abgerutscht. Durch eine Fusion mit dem Branchendritten könnten die Münchener die Franzosen wieder überholen - das hatte sich Linde-Chef Wolfgang Büchele zum Ziel gesetzt.



An der Börse kamen die Fusionspläne, über die zuerst das "Wall Street Journal" berichtet hatte, gut an. Linde-Aktien verteuerten sich zeitweise um mehr als zehn Prozent auf 153,75 Euro und waren die größten Gewinner im Leitindex Dax. Praxair legten in New York um 4,6 Prozent zu. "Ein Zusammenschluss wäre gut für beide Unternehmen - und für die gesamte Branche", sagte Fondsmanager Christopher Schaefer von Union Investment, einem der größten 15 Linde-Aktionäre. Die Fusion könnte laut Marcus Mayer vom Wertpapierhandelshaus Baader die Überkapazitäten in der Branche abbauen helfen und die Margen nach oben treiben. "Nach unserer Sicht könnten hohe Synergien von bis zu 800 Millionen Euro erreicht werden."

NACH 100 JAHREN WIEDER VEREINT?



Sollte die Fusion klappen, schlösse sich nach mehr als 100 Jahren ein Kreis. Praxair war 1907 als nordamerikanischer Linde-Ableger gegründet und während des Ersten Weltkriegs mit drei anderen US-Unternehmen fusioniert worden.

Der Konzern aus Danbury im US-Bundesstaat Connecticut wird an der Börse mit umgerechnet 30 Milliarden Euro bewertet, zwei Milliarden höher als Linde. Ein Aktientausch zwischen Praxair und Linde sei eines der denkbaren Modelle für die Fusion, hieß es in Finanzkreisen. Womöglich könnten die Amerikaner aber ihre überlegene Börsenbewertung in die Waagschale werfen: "Die Kurs-Reaktion zeigt, dass man am Aktienmarkt eine Übernahme von Linde durch Praxair auch für eine mögliche Variante hält", sagte ein Börsianer. Zwei Insider sagten, die Gespräche seien noch wenig konkret und könnten noch scheitern. Praxair war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Die Gasebranche ist weltweit stark konsolidiert. Sollte die Fusion gelingen, blieben mit Linde/Praxair, Air Liquide und Air Products nur noch drei große Industriegaseanbieter übrig. Ein Knackpunkt bei einer Fusion wäre deshalb die Zustimmung der Wettbewerbsbehörden. Schon beim Kauf des britischen Rivalen BOC 2006 erhielt Linde strenge Auflagen und musste in mehreren Ländern Geschäft an die Konkurrenz abgeben. Das könnte nun wieder passieren. Schaefer sieht die größten Überschneidungen in Brasilien, kleinere in Deutschland und in Kanada. "Das wäre nicht so viel, dass es den Fusionspartnern schaden würde." Abnehmer für diese Firmenteile ließen sich leicht finden.

Linde ist vor allem in Europa und Asien stark, Praxair in Nord- und Südamerika. Die Münchener leiden unter der Schwäche der Öl- und Gasbranche und hatten sich deshalb im Geschäft mit medizinischen Gasen verstärkt. In der Gesundheitsbranche sind die Amerikaner bisher nicht vertreten. Analysten glauben nicht, dass sich die US-Kartellbehörden trotz eines Marktanteils dort von 50 Prozent für den fusionierten Konzern sperren würden.

PRAXAIR: HALB SO GROSS - ABER MEHR GEWINN



Praxair ist mit einem Umsatz von umgerechnet 9,6 Milliarden Euro nur etwa halb so groß wie Linde, mit einem Gewinn von umgerechnet 1,5 Milliarden Euro aber wesentlich profitabler. Die Münchner erwirtschaften bei einem Umsatz von 18 Milliarden Euro nur 1,15 Milliarden Euro. "Praxair gilt als das am besten gemanagte Unternehmen der Branche", sagt Fondsmanager Schaefer. Linde habe sich im Vergleich dazu weniger lukrative Großaufträge ins Haus geholt, erklärt er den Rendite-Unterschied. Praxair-Chef Stephen Angel hätte damit gute Karten auf den Chefposten eines fusionierten Konzerns, Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle könnte seinen Posten behalten.

rtr