Die Lufthansa setzt mit ihren Plänen für eine neue Ticketgebühr die Gunst ihrer lukrativen Geschäftskunden aufs Spiel. Ab September will Kunden, die nicht direkt über die Internet-Seite der Lufthansa buchen, 16 Euro mehr abknöpfen. Damit sollen Buchungssysteme wie Amadeus, die als Zwischenhändler im Hintergrund den Ticket-Verkauf abwickeln, umgangen werden. Kritiker fürchten, dass die Lufthansa damit Rivalen Passagiere zutreibt. "Es ist eine Verzweifelungstat", sagt Michael Gierse, Fondsmanager beim Lufthansa-Aktionär Union Investment. Die Fluglinie laufe Gefahr, ihre wichtigste Klientel vor den Kopf zu stoßen. Eine Umfrage des Geschäftskunden-Reiseverbands VDR zeigt genau das: 70 Prozent der Reise-Einkäufer großer Firmen geben an, wegen des Obolus die Lufthansa künftig zu meiden oder dies zumindest zu erwägen. Business-Class-Reisende sind für den größten europäischen Flugkonzern unverzichtbar, da nur mit ihnen Geld verdient wird - die Erlöse mit Economy-Tickets reichen gerade aus, um die Kosten zu decken.

Derzeit werden zwei von drei Lufthansa-Flügen über die sogenannten Global Distribution Services (GDS) gebucht - vor allem von Reisebüros, Firmenreisestellen und Internet-Flugportalen. Privatkunden kommen mit den Firmen nicht in Berührung. Die großen GDS-Anbieter sind neben Amadeus das US-Unternehmen Sabre und Travelport mit Sitz in Großbritannien. Sie bündeln alle verfügbaren Daten über Flüge wie die Zeiten, Buchungsklassen und Preise auf einer einheitlichen Plattform. Für die Dienstleistung müssen die Airlines zahlen. Aus Sicht der Lufthansa ist das Geschäftsmodell überholt, da im Internet-Zeitalter jeder Großkunde sich auch auf einer speziellen Seite der Lufthansa selbst anmelden kann. Zudem könnten Amadeus und Co. Zusatzleistungen nicht darstellen. Die Lufthansa kämpft letztlich um die Hoheit über den Verkauf der eigenen Tickets. Und der Kranich-Konzern überweist bislang mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr an die GDS-Anbieter.

Der Poker um die Ticketgebühr zeigt, wie sehr die Lufthansa mit einem Jahresumsatz von 30 Milliarden Euro um jeden Cent kämpft. Der Konzern leidet unter zu hohen Kosten sowie der Konkurrenz durch Billigflieger und die schnell wachsenden Airlines aus dem Nahen Osten. Nach Einschätzung von Tourimusanalystin Nadejda Popova von der Marktforschungsfirma Euromonitor könnte sich der Vorstoß der Lufthansa auszahlen. "Es ist ein radikaler Schritt, der - falls es gutgeht - ein sehr großer Erfolg für die Lufthansa wäre." Dazu müsste es der Fluglinien gelingen, eine einheitliche Plattform aufzubauen, die nicht nur alte Kunden hält, sondern auch neue dazu gewinnt.

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RYANAIR FREUT SICH ÜBER LUFTHANSA-CLINCH



Es ist nicht der erste Clinch mit den Buchungsanbietern. Die Lufthansa lieferte sich bereits vor sieben Jahren einen Schlagabtausch mit Amadeus, nachdem die Fluglinie für Buchungen über Reisebüros eine Gebühr erhob. Der Streit wurde erst nach zwei Jahren gelöst, als die Geschäftspartner einen neuen Vertrag schlossen und die Extrazahlung wegfiel. Nach Aussagen von Lufthansa-Chef Carsten Spohr ist die Branche nun endgültig reif für Veränderungen. Und im Vergleich zu damals gehe die Lufthansa mit einem besseren eigenen Buchungssystem an den Start.

Daher sehen viele Branchenbeobachter auch im jüngsten Streit einen Versuch der Lufthansa, ihre Position in den Verhandlungen mit Amadeus und Co. zu stärken. "Es gab bereits früher Auseinandersetzungen, aber als Airlines erst einmal Marktanteile verloren, kehrten sie wieder zu den GDS-Anbietern zurück", sagt Fondsmanager Gierse. Ryanair knickte ebenfalls ein: Der Billigflug-Branchenprimus machte stets einen großen Bogen um die GDS-Anbieter. Konzernchef Michael O'Leary sagte sogar einmal, er werde nur "über seine Leiche" mit den Buchungsplattformen ins Geschäft kommen. Doch seit wenigen Jahren wollen die Iren verstärkt Geschäftskunden in ihre Flugzeuge locken und haben sich doch auf die GDS-Anbieter eingelassen. Wegen der Lufthansa-Pläne reiben sie sich nun die Hände: "Der Schritt eröffnet uns Chancen, da wir auf allen Plattformen verfügbar sind", so Finanzchef Neil Sorahan.

Reuters