Satya Nadella wird womöglich als der Mann berühmt, der bei Microsoft die Fenster zur Zukunft aufriss. "Windows" - auf Deutsch: Fenster - gab es noch nie umsonst. Das Betriebssystem ist die Basis des Geschäftsmodells des US-Softwarekonzerns, seit Gründer Bill Gates in den 80er-Jahren eine per Maus bedienbare Version seines Urprogramms "DOS" bastelte. Noch nie - nicht unter Gates, nicht unter Nachfolger Steve Ballmer - wurde Windows verschenkt.

Der dritte Boss in der 39-jährigen Unternehmensgeschichte wagt den Bruch mit der Tradition. Nadella kündigte soeben eine kostenlose Windows-Version für Smartphones und kleinere Tablets an. Nicht nur das: Die beliebten Office-Büroprogramme wie Word oder Excel gibt es künftig auch für den erfolgreichsten Tablet-Computer der Welt, das iPad des Erzrivalen Apple.

Seit Anfang Februar steht der gebürtige Inder an der Spitze des Softwarekonzerns. Binnen Kurzem hat Nadella der IT-Branche und auch Investoren klargemacht, dass er es ernst meint mit neuem Denken in der Firmenzentrale in Redmond: Windows auf Basis von DOS - unter Kritikern wurden PCs deshalb gern als "Dosen" verhöhnt - war die längste Zeit unantastbar. Der 47-Jährige will sich künftig weitaus intensiver um die Besitzer der digitalen Alltagsbegleiter kümmern, auf denen kein Windows läuft - und das sind inzwischen rund 85 Prozent aller Computer weltweit.

Smartphones und Tablets finden reißenden Absatz, im Gegensatz zu PCs und Notebooks, deren Nachfrage schrumpft. Doch in der mobilen Computerwelt dominieren das Betriebssystem OS von Apple - und vor allem Android von Google. Windows spielt fast keine Rolle. Lange verteidigte der Konzern die Windows-Bastion gleichwohl erbittert. Exchef Ballmer ließ etwa das fertige Office-Paket fürs iPad offenbar zwei Jahre lang in der Schublade liegen, weil er den Verkauf des hauseigenen Tablets Surface, mit Windows- Plattform, fördern wollte.

Vergeblich. Surface blieb ein Flop. Nadella predigt nun Demut. "Wir wollen innovativ sein, aber mit der Einstellung eines Herausforderers", sagt der Inder. Auf der hauseigenen Entwicklerkonferenz gab Nadella jüngst Fingerzeige bezüglich der künftigen Marschrichtung: Windows soll zugänglich werden für kleine Softwareprogramme, Apps, die etwa für Apples OS oder Android programmiert wurden. Und umgekehrt sollen Microsoft-Programme auch außerhalb der Windows-Welt laufen - etwa auf dem iPad oder auch auf Geräten mit Android-Software.

"Cross-Platform" nennt die Branche diese Strategie, die nach dem Motto funktioniert: Sei offen für andere, dann bleibst du im Geschäft.

Auf Seite 2: Google gräbt Geschäft ab

Google gräbt Geschäft ab

Wie gefährlich hingegen Abschottung sein kann, zeigt der Erfolg von Google. Der Rivale aus dem Silicon Valley hat mit seinen teils kostenlosen Büro-Apps Microsoft bereits erfolgreich Kunden abgeworben. Langfristig könnten die weitverbreiteten Office-Programme abstürzen, weil Heimanwender sich an Alternativen zu Word oder Excel gewöhnen. Microsoft müsste es wissen: Einst hatte der Konzern Firmenkunden auch deshalb gewinnen können, weil die Mitarbeiter sich mit Word & Co am besten auskannten.

Nadellas Coup ist nicht ohne Risiko. Windows liefert - grob gerechnet - mit knapp zehn Milliarden Dollar fast 30 Prozent des operativen Konzerngewinns vor Verwaltungskosten. Die Bürosoftware Office bringt es näherungsweise auf fast die Hälfte des operativen Gewinns.

Nadellas Prioritätenliste ist damit klar: Office muss sich in der mobilen Welt behaupten - bei Windows sind Einbußen zum Wohl des Konzerns hinnehmbar. Ebenfalls ganz weit oben: die Cloud. Um die Softwaredienste, die vor allem Firmenkunden via Web beziehen, muss sich Nadella jedoch nicht sorgen. Knapp zwei Drittel der 500 größten US-Firmen nutzen bereits die Microsoft- Cloud. Der florierende Bereich wurde dennoch kürzlich umbenannt: Aus "Windows Azure" wurde "Azure" - ganz ohne Fenster.

Auf Seite 3: Investor-Info