Welche langfristigen Folgen das Billiggeld der Notenbanken haben wird, ist derzeit vollkommen offen. Vom Anlegenotstand sind besonders größere Investoren betroffen, der Immobilienmarkt profitiert seit Jahren von der Entwicklung. In der Branche herrscht Partystimmung, die Nachfrage scheint ungebrochen. Die Grundstückspreise sind kräftig gestiegen, dennoch müssen Bauherren nicht selten ein Jahr warten, bis der erste Spatenstich erfolgt. "Betongold" wird auch in Zukunft heiß begehrt bleiben. Rund 240.000 Wohnungen wurden 2014 in Deutschland gebaut, was die Bauwirtschaft bereits an ihr Limit brachte. Der Bedarf ist allerdings deutlich höher, besonders die starke Zuwanderung aus dem Ausland verschärft die Lage. Nach Angaben des unabhängigen Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung müssten demnach pro Jahr 350.000 bis 400.000 Wohnungen gebaut werden.

In anderen Ländern ist die Situation durchaus ähnlich, auch im Luxussegment gehen die Preise durch die Decke. Für Aktionäre von Nemetschek klingt dies wie Musik in den Ohren. Besser könnte die Situation für den Anbieter von Bau- und Architektursoftware kaum sein. Mit den vier Geschäftsfelder Planen, Bauen, Nutzen und realitätsgetreue Visualisierung und Animation im Bereich Multimedia sind die Münchner bestens aufgestellt, um vom Boom zu profitieren. Auf Basis vorläufiger Zahlen für 2015 erzielte der TecDAX-Wert zuletzt das stärkste vierte Quartal in der Unternehmensgeschichte. Dabei wurden die im Oktober nach oben revidierten Ziele sogar übertroffen: "Wir haben nicht nur Rekordwerte bei Umsatz und Ertrag erzielt, sondern darüber hinaus auch unsere weltweite Präsenz ausgebaut, unsere Marktposition weiter verbessert und die Kompetenz als weltweit führender Anbieter von Open BIM-Lösungen erneut unter Beweis gestellt. Parallel dazu haben wir mit unseren zukunftsorientierten Investitionen die Basis für weiteres Wachstum geschaffen", sagte Patrik Heider, Sprecher des Vorstands und CFOO bei Nemetschek. Die endgültigen Zahlen werden am 31. März veröffentlicht.

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2500 Prozent und KGV 27



Den Eckdaten zufolge legte der Umsatz im vergangenen Jahr um 30,6 Prozent auf 285,3 Mio. Euro zu. Beim Ebitda blieben knapp 70 Mio. Euro hängen, was einem Anstieg von 22,3 Prozent entspricht und zu einer Marge von 24,4 Prozent führt. Der im Vergleich zum Umsatz eher unterproportionale Anstieg des Ebitda ist auf hohe Investitionen und die verstärkte Internationalisierung zurückzuführen. Nemetschek schöpft derzeit zu Gunsten von Zukunftsinvestitionen das Margen-Potenzial nicht voll aus.

An der Börse ist die Investmentstory natürlich nicht unentdeckt geblieben, die Papiere zählen seit Jahren zu den Spitzenwerten. Erst am 29. Dezember 2015 markierte der Wert seine bisherige Bestmarke, hier zeigt sich deutlich die relative Stärke zum Gesamtmarkt. Zuletzt belasteten Gewinnmitnahmen, Nemetschek gibt es derzeit rund 25 Prozent günstiger. Ausgehend vom Tief im Frühjahr 2009 bleibt aber immer noch ein Zuwachs von unvorstellbaren 2500 Prozent. Somit ist noch viel spekulatives Kapital in der Aktie, einige Investoren dürften auf dicken Buchgewinnen sitzen. Gerade die Charttechnik ist derzeit aber sehr reizvoll. Die Aktie notiert an der unteren Grenze eines seit Jahren bestehende Aufwärtskanals, der zudem noch von der 200-Tage-Linie verstärkt wird. In den vergangenen Monaten erwies sich jeder Rücksetzer an den Durchschnitt als perfekter Einstiegszeitpunkt.



Auch aus Bewertungssicht ist die jüngste Abkühlung zu begrüßen, wobei die Relationen weiterhin auf einem hohen Niveau liegen. So zählt die Aktie mit einem Kurs-Buchwert-Verhältnis von elf zu den teuersten Werten im TexDAX und wird nur von Xing übertroffen. Die weit überdurchschnittliche Eigenkapitalrendite von 23 Prozent lässt das KBV aber in einem freundlicheren Licht erscheinen. Ähnlich die Lage beim KGV - auf Basis der 2016er-Schätzungen liegt der Faktor bei 27 und damit über dem TecDAX-Niveau von 21. Allerdings bieten auch nur wenige andere Unternehmen vergleichbare Wachstumsraten. Zudem ist der Nachrichtenfluss weiterhin stark, die Perspektiven bleiben auf mittel- und langfristiger Sicht sehr gut. Sollte es daher zu einer nachhaltigen Erholung an den Märkten kommen, dürfte auch Nemetschek sehr schnell wieder die jüngste Bestmarke ansteuern.

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Der frühe Vogel fängt den Wurm



Mit einem Marktanteil von rund 80 Prozent in der DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) sind die Lösungen der Münchner nahezu der Standard in der Branche. Um die Innovationsführerschaft zu sichern, fließen rund 25 Prozent vom Umsatz in Forschung und Entwicklung. Das 1963 gegründete und seit 1999 börsennotierte Unternehmen hat weltweit mehr als 1,8 Millionen Nutzer in 142 Ländern. Rund ein Drittel der Erlöse werden in Deutschland und Europa erzielt, 24 Prozent in Amerika, die Umsatzquellen sind somit breit gestreut. In die Karten spielen dem Unternehmen zudem die hohen Wechselkosten in Form neuer Lizenzen und der Aufwand, ein neues Programm zu erlernen auf Seiten der Kunden. Dies führt zu einer starken Kundenloyalität, was in einer geringen Wechselrate von weniger als fünf Prozent zum Ausdruck kommt. Architekten und Ingenieure arbeiten bereits an Hochschulden mit der Software. Dank kostenlosen Studentenversionen lernt die spätere Zielgruppe bereits sehr früh den Umgang mit den Lösungen der Münchner. Nemetschek unterstützt dabei die Kunden bei allen integrierten Prozessen des Planens, Bauens und Nutzens von Bauwerken und damit entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Unter dem Strich eine runde Sache, die Aktie dürfte noch lange viel Freude bereiten.

Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast beim Deutschen Anlegerfernsehen (DAF), Gastautor bei n-tv und gern gesehener Vortragsredner. Er hält regelmäßig Webinare, referierte unter anderem beim Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD) und betreute mehrere Jahre für die Commerzbank den Zertifikate-Newsletter ideas daily. www.index-radar.de