Mit den Ergebnissen für die ersten sechs Monate des Jahres setzt der Nahrungsmittelriese Nestlé eine enttäuschende Serie fort. Erneut ist es den Schweizern nicht gelungen ihr selbstgestecktes Ziel von einem Umsatzwachstum zwischen fünf und sechs Prozent zu erfüllen. Die Einnahmen stiegen nur um 3,5 Prozent auf 43,2 Milliarden schweizer Franken. Im Vorjahr lag das Plus noch bei 4,5 Prozent. Mit dem Ergebnis verfehlen die Eidgenossen nicht nur die eigenen Vorgaben, sondern liegen auch unter den Erwartungen der Analysten, die ein um 0,3 Prozentpunkte höheres Umsatzplus erwartet hatten.
Ursache für die schwächste Umsatzsteigerung seit sieben Jahren ist die geringe Inflation und die maue Wirtschaftsentwicklung in vielen Teilen der Welt. Zu der Umsatzsteigerung trugen Preiserhöhungen nur 0,7 Prozent bei - das ist der historische Tiefststand. In der Region Europa, Naher Osten und Nordafrika sackten die Preise gar um 0,4 Prozent ab, auch in Asien bekam Nestlé weniger. Nestlé-Chef Paul Bulcke erwartet jedoch, dass sich das schwache Preisumfeld im zweiten Halbjahr ein wenig erholt.
Zusätzlich schmälerten negative Wechselkurseffekte und ein Absatzrückgang in den Schwellenländern den Umsatz. Wuchs der Hersteller von Marken wie KitKat, Maggi und Nescafe im Vorjahr in den aufstrebenden Volkswirtschaften noch 7,3 Prozent, verlangsamte sich das Wachstumstempo hier auf 5,4 Prozent. In China habe sich der zuvor zweistellig wachsende Markt für Nahrungsmittel und Getränke beträchtlich verlangsamt, erklärte Finanzchef Francois-Xavier Roger. Im zweiten Quartal schrumpfte das Geschäfte sogar. Insbesondere sank bei den Kunden der Appetit auf Erdnussmilch und Reisporridge. Die Marktanteile seien jedoch gesteigert worden. Das Geschäft mit Fertiggerichten stockt allerdings weiter - mit dem Investment in die chinesische Tochter Yinlu hatte Nestlé den Bedarf an Fertiggerichten bei wachsendem Wohlstand überschätzt. Auch bei Lebensmitteln für Kleinkinder droht den Eidgenossen Ungemach. So schätzen die Analysten der US-Investmentbank Morgan Stanley den chinesischen Markt für Babynahrung in Erwartung massiver Überkapazitäten und erheblichen Preisdrucks zunehmend vorsichtig ein.
Auch beim Nettogewinn muss der Nahrungsmittelproduzent einen Rückgang vermelden. Wegen eines Steuereffekts ging der Gewinn um gut 9 Prozent auf 4,1 Milliarden Franken zurück. Die Produktivität und der sogenannte nachhaltige Gewinn sollen sich - Wechselkurseffekte ausgeklammert - nach wie vor verbessern. Im ersten Halbjahr stieg dieser je Aktie um fast 6 Prozent. Mit Blick auf das weitere Jahr bestätigt Bulcke jedoch seine Prognose. Der Umsatz soll wie im Vorjahr organisch um 4,2 Prozent steigen. Wegen verbesserter Margen soll dabei auch der Gewinn je Aktie zulegen.

Auf Seite 2: Einschätzung der Redaktion



Einschätzung der Redaktion



Das Nestlé im ersten Halbjahr sein Wachstumsziel erfüllt, hatte niemand erwartet. Überhaupt werten Investoren und die Schweizer selbst ihren Anspruch, den Umsatz organisch fünf bis sechs Prozent zu steigern, als ein mittel- bis langfristig zu erreichendes Ideal. Analysten glauben, dass Nestlé die eigenen Erwartungen nicht vor 2019 erfüllen wird.
Auf die schleppende Absatzverbesserung reagiert der Konzern mit zwei Maßnahmen. In den kommenden Jahren sollen Kosten- und Efizienmaßnahmen die Ausgaben um insgesamt 2,5 Milliarden Franken senken, während gleichzeitig das Angebot gesunder Lebensmittel und Kosmetik ausgebaut wird. Dieses Sparte steuert zwar erst 16 Prozent zum Umsatz bei, ist aber die profitabelste im gesamten Konzern. Weil ab 2017 der ehemalige Pharma-Manager und Ex-Fresenius-Chef Ulf Schneider den Chefposten übernimmt, rechnen Beobachter mit neuen Impulsen für die Sparte. Bereits Bulcke baute den Bereich aus und erklärte gesundes Essen und Köperpflegeprodukte zu einem strategischen Wachstumsfeld.
Bis Lebensmittel für bewußte Ernährung die Umsatzschwäche ausgleichen, dauert es als noch ein wenig. Dafür greifen die Effizienzmaßnahmen bereits heute. Die operative Marge konnte insgesamt um 0,3 Prozentpunkte auf 15,3 Prozent verbessert werden. Nestlé könnte dabei noch profitabler sein, würde ein Teil der eingesparten Gelder nicht wieder in mehr Marketingausgaben investiert. Dank der größeren Werbeanstrengungen gewinnen die Schweizern in einem schwierigen Umfeld weiter Marktanteile.
Die Aktie, die derzeit nahe ihrem Allzeithoch aus 2015 von 76,50 Euro notiert und in einem engen Band seitwärts pendelt, bleibt damit ein solides Basisinvestment. Langfristig orientierte Anleger werden mit einer unverändert attraktiven Dividende sowie der Aussicht auf eine höhere Profitabilität für ihre Geduld belohnt.
Kursziel: 80,00
Stoppkurs: 53,50