Von Franz-Georg Wenner

Als Osram im Juli 2013 von Siemens abgespalten wurde und an die Börse ging, waren viele Analysten skeptisch. Rückblickend betrachtet war dies für Anleger ein perfekter Zeitpunkt, um einzusteigen. Bis Anfang 2014 verdoppelte sich der Kurs, im Herbst vergangenen Jahres wurde erneut das Ausgangsniveau erreicht, inzwischen steht der Wert wieder am Rekordhoch. Aktionäre der ersten Stunde durchlebten somit eine Achterbahnfahrt der Gefühle und fragen sich angesichts der Kursverdopplung seit Oktober 2014, ob im Bereich der Marke von 50 Euro ein Ausstieg sinnvoll wäre. Vor rund einem Jahr wäre diese Strategie sehr vorteilhaft gewesen.

Inzwischen hat sich die Ausgangslage beim Lichttechnikspezialisten aber grundlegend verändert. Besonders das laufende Effizienzprogramm "Push" ist hier als treibender Faktor zu nennen. Anders als bei vielen anderen Unternehmen stehen nicht nur Kosteneinsparungen und Margenverbesserungen im Zentrum. Osram krempelt seine Struktur um und stellt sich neu auf. Bereits im Frühjahr machte Finanzchef Klaus Patzak klar, dass jede Sparte im Konzern für sich profitabel sein muss und es "keine Denkverbote" gibt. Inzwischen liegen erste Fakten auf dem Tisch, die viel Fantasie beinhalten. Die Umsetzung von "Push" lieferte zuletzt schnellere Erfolge als zunächst erwartet. Mit der Aussicht auf die geplanten Strukturänderungen kann von einem historischen Wandel gesprochen werden. Ähnlich wie Wacker Chemie, Bayer, E.ON und die Deutsche Bank wird auch bei Osram ein Spin-Off durchgespielt. Den Plänen zufolge soll das traditionelle Lampengeschäft abgespalten werden. Als eigenständige Einheit kann der Bereich künftig flexibler am Markt agieren und strategische Entscheidungen wie Partnerschaften einfacher realisieren.

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Neue Osram, neue Investoren

Aber auch für die neue Osram hätte der Umbruch klare Vorteile. Künftig wären die Bereiche optische Halbleiter, Automobil- und Spezialbeleuchtung sowie Leuchten, Systeme und Lösungen das Kerngeschäft der Münchner. Damit richtet sich der Konzern noch stärker auf Wachstum, Innovation und Technologieführerschaft aus und dürfte besser die sich verändernden Rahmenbedingungen nutzen. Nach Abspaltung des Lampengeschäfts wird das Autosegment mit einem Umsatzanteil von 40 Prozent und einer starken Ebit-Marge von knapp 20 Prozent zum wichtigsten Endmarkt, schätzt Lampe-Analyst Karsten Iltgen. Angesichts der stark wachsenden Beliebtheit der LED-Frontbeleuchtung bietet das Geschäft attraktive Wachstumsraten von rund zehn Prozent p.a. und besticht zudem mit einer hohen Planbarkeit. Die Münchener könnten zugleich ihre Nähe zu den großen deutschen Herstellern noch besser nutzen und so ihre Wettbewerbsvorteile ausspielen. Zuletzt war der Lichtkonzern im BMW M4 Showcar auf der CES in Las Vegas mit organischen Leuchtdioden (OLED) vertreten. Mit den Flächenlichtquellen kann jede Form zu einem Leuchtkörper werden, was ganz neue Design-Möglichkeiten eröffnet.

Unter dem Strich wird Osram somit auch für viele Anleger zu einem attraktiven Investment, die sich bisher wegen den unsicheren Restrukturierungsmaßnahmen noch nicht engagiert haben und nun vom automobilen LED-Trend verstärkt profitieren wollen. Die nach der Abspaltung aufgestellte Osram dürfte daher auch neue und somit zusätzliche Investoren anlocken.

Lampe-Experte Iltgen rechnet für die neue Osram mit einer nachhaltigen Ebita-Marge von zwölf bis 15 Prozent und jährlichen Wachstumsraten von fünf bis zehn Prozent. Zur Einordnung: Im ersten Quartal stieg das Ebita um 54 Prozent auf 125 Mio. Euro und entsprach 8,9 Prozent vom Umsatz. Die bereinigte Ebita-Marge kletterte von 9,1 auf 10,8 Prozent.

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Fahrplan für Osram-Aktionäre

Bis Mitte April 2016 soll die rechtliche Ausgliederung des Lampengeschäfts erfolgt sein. Wesentlich früher werden die Gespräche über einen Verkauf, Partnerschaft oder einen Spin-Off. Besonders die ersten Bewertungsindikationen dürften sich positiv auf die Osram-Aktie auswirken. Im März verkaufte Philips sein Komponenten-Geschäft zu attraktiven Konditionen. Dieser Bereich ist der neuen Osram sehr ähnlich, wobei Osram im Geschäft mit Auto- und LED-Chips eine stärkere Marktposition und höhere Margen aufweist. Je nach verwendeter Vergleichsgruppe weist die neue Osram beim EV (Börsenwert und Nettoverschuldung) zu Ebit auf Basis der 2016er-Schätzungen einen Abschlag von gut 40 Prozent auf. Einen Einfluss auf den Kursverlauf der Osram-Aktie hat natürlich auch der abzuspaltende Teil. In diesem Jahr dürfte das Geschäft mit konventionellen und LED-Lampen einen Umsatz von rund zwei Mrd. Euro und eine bereinigte Ebita-Marge von fünf Prozent erzielen. Das Lampengeschäft wird mit einer Lizenz zur Nutzung der Osram-Marke ausgestattet und dürfte daher auch nachhaltig stabile Margen aufweisen, erwartet Analyst Iltgen. Bei einem möglichen Verkauf erscheint ein Preis von rund 500 Mio. Euro nach Berechnungen vom Bankhaus Lampe durchaus realistisch, was rund fünf Euro je Aktie entsprechen würde. Mit dem Geld könnte Osram Übernahmen durchführen oder auch eine Sonderausschüttung vornehmen.

Für Anleger bietet die Aktie daher einen selten und zugleich attraktiven Mix. Vor allem im Bewertungsvergleich mit Branchenunternehmen lockt die neue Osram mit viel Kursfantasie. Zuletzt erhöhte das Bankhaus Lampe den fairen Wert von 50 auf 60 Euro. Auch eine Studie der Credit Suisse, bei der Spin-Offs im Zeitraum von 1995 bis 2012 analysiert wurden, spricht für die Osram-Aktie. Demnach beeinflusst eine Abspaltung den Aktienkurs positiv, weil sich die Unternehmen getrennt voneinander besser entwickeln können und Werte freigesetzt werden.







Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast beim Deutschen Anlegerfernsehen (DAF), Gastautor bei n-tv und gern gesehener Vortragsredner. Er hält regelmäßig Webinare, referierte unter anderem beim Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD) und betreute mehrere Jahre für die Commerzbank den Zertifikate-Newsletter ideas daily.

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