Der Energiekonzern RWE lässt im Streit mit der Atomkommission nicht locker: "Die Kommission geht mit ihren Empfehlungen über das wirtschaftlich Verantwortbare hinaus", klagte Finanzchef Bernhard Günther am Donnerstag. Sie verkenne die tatsächliche ökonomische Lage des Konzerns. "Aus diesem Grund sind die Kommissionsvorschläge für uns nicht akzeptabel." RWE rechne mit Kosten von insgesamt rund 6,7 Milliarden Euro. Der Versorger schlug damit weniger versöhnliche Töne als der Konkurrent E.ON an, der seine Kosten auf zehn Milliarden Euro schätzt. Im Kern hoffen aber beide darauf, der Bundesregierung noch Zugeständnisse abzuringen. Sie kämpfen schon jetzt mit wegbrechenden Gewinnen.

Die Atomkommission des Bundes hat empfohlen, dass die vier AKW-Betreiber E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall 23,3 Milliarden Euro in einen staatlichen Fonds zur Finanzierung der Zwischen- und Endlagerung des Jahrtausende strahlenden Atommülls einzahlen sollen. Die Versorger sollen ihre dafür gebildeten Rückstellungen von 17,2 Milliarden Euro einbringen sowie einen Risikoaufschlag für mögliche Kostensteigerungen von 6,1 Milliarden Euro. Für den zeitlich überschaubaren Abriss der Meiler bleiben sie verantwortlich.

RWE WILL FÜR MITARBEITER UND AKTIONÄRE KÄMPFEN



"Wir glauben, dass dieser Aufschlag jeder inhaltlichen Grundlage entbehrt", kritisierte RWE-Finanzchef Günther. Dieser koste RWE zusätzlich 1,7 Milliarden Euro. Für die übrigen fünf Milliarden Euro habe RWE Rückstellungen gebildet. Der Aufschlag sei eine "bittere Pille". Das Unternehmen wolle weiter kämpfen. Günther ließ offen, ob RWE womöglich Klage einreichen wird. "Wir werden weiter mit der Politik sprechen, um eine tragfähige Lösung zu finden. Das sind wir schließlich unseren Mitarbeitern und Aktionären schuldig." RWE beschäftigt fast 60.000 Mitarbeiter. Bei E.ON sind es 55.000. Auch die Gewerkschaften Verdi und IGBCE haben sich immer wieder gegen zu hohe Belastungen für die Versorger ausgesprochen.

Den Essener Energiekonzern drücken Schulden von 28 Milliarden Euro, bei E.ON sind es 26,6 Milliarden. Beiden sitzen die Ratingagenturen im Nacken. Hohe Risikoaufschläge verschlechtern die Ratingposition, räumte Günther ein. Zwar können die Versorger die geforderten Summen dank ihrer Finanzanlagen wohl flüssig machen. RWE hat auch die Einnahmen aus dem rund fünf Milliarden Euro schweren Verkauf der Tochter Dea zurückgehalten. Ein Griff in die Kasse geht aber zulasten ihres Eigenkapitals. Mögliche Folge: ein schlechteres Rating und höhere Kreditkosten.

RWE HAT MIT BRAUNKOHLEGESCHÄFT EINE WEITERE BAUSTELLE



RWE hat im Vergleich zu E.ON mit dem Braunkohlegeschäft zudem eine weitere Schwachstelle. Dieses steht politisch unter Druck, ist personalintensiv und wirft immer weniger ab. Zudem müssen nach dem Ende des Tagebaus die zerstörten Landschaften für Milliardensummen wiederhergestellt werden. Sollten sich Umweltschützer mit einem früheren Aus der Braunkohle durchsetzen, muss RWE bald weitere Mittel flüssig machen.

E.ON-Chef Johannes Teyssen hat zwar versöhnlichere Töne gegenüber der Atomkommission angeschlagen. Er wolle auf Basis des Vorschlags der Kommission das Thema mit der Bundesregierung besprechen. Aber auch er sieht "enorme zusätzliche Belastungen" durch den Risikoaufschlag. Investitionen müssten womöglich verschoben und die Kosten weiter gesenkt werden. E.ON-Finanzchef Michael Sen hatte die Anleger zudem mit der Möglichkeit einer Kapitalerhöhung verschreckt. RWE wollte sich zu dieser Frage vorsichtshalber nicht äußern.

RWE konnte am Donnerstag für das erste Quartal nach Zuwächsen im saisonal stark schwankenden Energiehandel einen höheren operativen Gewinn präsentieren. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) stieg um knapp fünf Prozent auf 2,3 Milliarden Euro. "Das erste Quartal bei RWE ist eindeutig besser als erwartet ausgefallen", kommentierten die Analysten von Kepler Chevreux. Allerdings sei dies vor allem Sonderfaktoren geschuldet. Die Aktie legte zeitweise über acht Prozent zu. Auch E.ON hatte seinen Betriebsgewinn gesteigert - allerdings vor allem aufgrund eines Einmaleffekts beim Gasbezug von Gazprom.

Reuters