SAP-Boss Bill McDermott ist ein Mann mit langem Atem. Beim US-Softwarehaus Concur wissen Sie das durchaus zu schätzen. Im März 2012 ließ der stets braun gebrannte Vertriebsprofi beim Cloud-Spezialisten für Reisekostenmanagement erstmals anfragen, ob es Interesse an einer "strategischen Transaktion" gebe. Es gab. Doch nach ein paar Wochen wurden die Gespräche ergebnislos abgebrochen.

Im vergangenen Mai nahm McDermott einen neuen Anlauf und schickte seinen Strategiechef Arlen Shenkman vor. Zwar ruderte SAP nach einem Meeting mit der Concur-Spitze am 28. Mai aus bislang ungeklärten Gründen zunächst erneut zurück. Doch kaum zwei Monate später besannen sich die Walldorfer plötzlich eines anderen. Am 22. Juli signalisierte McDermott in einem Telefonat mit Concur-Chef Steven Singh erneut sein Interesse an einer Übernahme. Am 22. September willigten die Amis ein.

Aber die Offerte aus Good Old Germany war einfach zu verlockend. Statt der zunächst in Aussicht gestellten 110 Dollar je Aktie wollen die Walldorfer nun satte 129 Dollar pro Anteilsschein des Softwarehauses aus Bellevue im US-Bundesstaat Washington locker machen. Das entspricht einem Aufschlag von satten 34 Prozent auf den Durchschnittskurs der Aktie vor ersten Gerüchten über ein mögliches Kaufinteresse.

Bei Concur können sie ihr Glück seither kaum fassen. Immerhin bewertet SAP das 1999 gegründete Unternehmen mit dem 10,2fachen des für 2015 erwarteten Umsatzes. "Die zugrunde gelegten Bewertungskennziffern", ließen die Amis unlängst in einer Pflichtmitteilung an die US-Börsenaufsicht SEC lakonisch wissen, "übertreffen jene vergleichbarer Übernahmen".



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Teure Übernahme

Analysten sehen das ähnlich. "Der Kaufpreis", mäkelte etwa Oskar Schenker von der Schweizer Bank J. Safra Sarasin, sei im Vergleich zu Concurs Umsatz "teuer". Auch Schenkers Kollege Michael Briest von der UBS wunderte sich über die neue Freigiebigkeit der Badener. Der kostspielige Deal wecke Zweifel nach der Innovationskraft von SAP - von Fragen nach den möglichen Erträgen mal ganz abgesehen.

Weil das Cloud-Modell mit seiner Software-Miete zum Start zunächst erheblich weniger abwirft als der traditionelle Software-Verkauf, droht SAP nun erst mal Druck auf die Marge. Alleine im kommenden Jahr könnte der Concur-Deal das viel beachtete Verhältnis von Umsatz und operativem Ergebnis um 80 Basispunkte belasten, rechnet Briest in einer aktuellen Studie vor. Unter Investoren kommt so was nicht so gut an.

Doch die Walldorfer lassen sich davon nicht beirren. Concur biete hervorragende Chancen. Wenn die Software erst mal an SAPs eigene Unternehmensplattform Ariba angebunden sei, werde Concurs Angebot richtig sexy. Künftig, so die Vision, könnten Ariba-Kunden dann etwa Rahmenverträge mit Airlines oder Hotelketten komplett über SAPs Mega-Netzwerk ausschreiben - und die Preise so ordentlich drücken.

Außerdem sei Concur bislang vor allem in den USA unterwegs. Mit der Vertriebspower des Weltmarktführers für betriebswirtschaftliche Standardsoftware sollen künftig jede Menge neue Kunden außerhalb des Heimatmarkts hinzukommen. Umgekehrt hofft SAP auf die bestehenden Concur-Kunden. Gerade 30 Prozent der Concur-Klientel habe bislang SAP-Software im Einsatz. Wenn der Deal wie geplant Anfang kommenden Jahres erst mal unter Dach und Fach ist, ergäben sich hier jede Menge Ansatzpunkte für Neugeschäft, wirbt der Konzern.



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Offene Baustellen

Bis dahin hat McDermott aber noch ein paar andere offene Baustellen. Da ist vor allem das Personal. Denn der Ausbau des Cloud-Geschäfts verlangt nach anderen Qualifikationen bei den Entwicklern. Zu Hunderten werden Entwickler nun umgeschult. Manche werden auch hinauskomplementiert oder gehen freiwillig.

Für Ärger in Walldorf sorgt vor allem, dass Personalchef Stefan Ries dabei auf betriebsbedingte Kündigungen nicht verzichten will. Selbst im Krisenjahr 2008 hatte der Konzern nicht auf dieses Mittel zurückgegriffen. Entsprechend groß ist der Unmut bei vielen Mitarbeitern.

Und dann ist da noch das vierte Quartal. Traditionell machen die Walldorfer zum Jahresende rund 42 Prozent ihres Neugeschäfts. Aus Walldorf heißt es, McDermott habe die Messlatte für den Endspurt gerade um knackige 200 Millionen Euro nach oben gesetzt.

Zudem hat Finanzchef Luka Mucic die Mitarbeiter zum Jahresende dazu verdonnert, auf die Kosten zu achten und einen Einstellungsstopp verhängt. Dies sei zum Jahresende durchaus üblich, sagt ein Firmensprecher. Investoren sehen die Entwicklung indes mit wachsender Sorge und schickten die Aktie nach einem Bericht von BÖRSE ONLINE zum Sparprogramm kurzzeitig auf Talfahrt. Angesichts dessen sah sich McDermott veranlasst, zu reagieren: "Unser Geschäft", versuchte er die Lage zu beruhigen, "war noch nie stärker." Zumindest was die Profitabilität angeht, gibt es hier leise Zweifel.



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Einschätzung der Redaktion

Bei SAP dürfte im dritten Quartal alles im grünen Bereich gewesen sein. Analysten erwarten ein Umsatzplus von 4,4 Prozent auf 4,225 Milliarden Euro. Das bereinigte operative Ergebnis (Ebit, Non-IFRS) dürfte nach den Konsensschätzungen um 5,6 Prozent auf 1,369 Milliarden Euro zugelegt haben. Bei den wichtigen Software-Erlösen gehen die Auguren indes von einem leichten Minus von 1,1 Prozent auf 964 Millionen Euro aus.

Entscheidend wird ohnehin der Ausblick auf das vierte Quartal werden. Zum Jahresende machen die Walldorfer traditionell 42 Prozent ihres Neugeschäfts. Doch ausgerechnet jetzt wachsen die Fragezeichen. Das Umfeld trübt sich weltweit ein. Auch in Walldorf wächst die Skepsis. Zudem hat der Konzern sich mit Concur gerade eine arg überteuerte Übernahme geleistet. Nun wackelt auch das Margenziel. Bis 2017 wollen die Walldorfer operativ 35 Prozent Marge packen. Das ist ambitioniert. Die Aktie ist gerade durch die jüngste Unterstützung gerauscht. Derzeit ist offen, ob das Papier die Linie bei 56 Euro zurückerobert. Falls nicht, droht ein weiterer Rückschlag. Die nächste Unterstützung liegt bei 48 Euro. Halten.