Spannung ist angesagt bei den vermeintlich kühlen Briten. Am 7. Mai stehen Unterhauswahlen an, und der Ausgang ist offen wie selten zuvor in den vergangenen Jahrzehnten. Das sorgt für Verunsicherung, geht es doch nicht nur um die Zukunft des Landes selbst, sondern auch um Europa. Es brodelt an vielen Stellen - so ist die Unzufriedenheit mit der EU groß. Die regierenden Konservativen wollen bis Ende 2017 sogar ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft abhalten.

Die daraus resultierende Unsicherheit dürfte dazu beigetragen haben, dass der lokale Aktienmarkt anders als viele Börsen in der Hausse relativ zögerlich auf Rekordjagd ging. Doch auch andere Faktoren spielen eine wichtige Rolle. Das Bruttoinlandsprodukt ist im Vorjahr mit plus 2,6 Prozent zwar so stark gestiegen wie seit sieben Jahren nicht mehr, und auch die Arbeitslosigkeit ist mit sechs Prozent niedrig, doch volkswirtschaftlich gesehen gibt es Schwachstellen. Dazu zählt ein doppeltes Defizit im Staatshaushalt und in der Leistungsbilanz. Mit Blick auf den leeren Staatssäckel scheinen Einsparungen unausweichlich. Die könnten aber problematisch werden, sollten gleichzeitig geldpolitisch die Zügel angezogen werden. Wegen der zuletzt sehr geringen Inflation könnte es indes erst 2016 zur Zinswende kommen.

Dennoch: Sollte das britische Pfund weiter Stärke gegenüber dem Euro zeigen - also der Währung des wichtigsten Handelspartners -, wäre das vermutlich nachteilig für den Aktienmarkt. Zumindest befürchtet das Gabriel Bartholdi vom Schweizer Bankhaus J. Safra Sarasin: "Der Aktienmarkt verliert traditionell an relativer Stärke, wenn das Pfund an Stärke gewinnt", sagt der Aktienstratege. "Das hat negativen Einfluss auf die Exporte, da die Produkte der Unternehmen teurer werden, was am Ende auf die Umsatz- und Gewinnentwicklung drückt. Zusätzlich verlieren die erzielten Auslandsumsätze an Wert, wenn diese in Großbritannien konsolidiert werden."

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Mit Blick auf den Leitindex FTSE 100 kommt zurzeit eine ungünstige Sektorzusammensetzung hinzu. So ist der Anteil von Energietiteln von 15 Prozent im internationalen Vergleich ebenso hoch wie die Gewichtung des Roh- und Grundstoffsektors von neun Prozent. Diese beiden Branchen stehen weltweit unter Druck. Die gut laufenden Bereiche Gesundheit und Informationstechnologie sind dagegen untergewichtet.

Vergleichsweise schlecht ist es um die Profitabilität und die Ergebnisentwicklung bestellt. Laut Ed Yardeni von Yardeni Research werden die Gewinne der Unternehmen im MSCI-UK-Index 2015 voraussichtlich um zwei Prozent fallen, nachdem sie bereits im Vorjahr in einem ähnlichen Ausmaß gesunken sein dürften. Zudem beziffert der Stratege das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf 14,1. Das entspricht einem Zehnjahreshoch und ist gemessen am MSCI-Welt-Index der niedrigste Bewertungsabschlag seit 2005.

Dafür sind britische Aktien im Vergleich zu Anleihen laut Citigroup derzeit so günstig wie seit 100 Jahren nicht - obwohl der Anlagenotstand aufgrund des niedrigen Zinsniveaus den FTSE 100 fast bis an sein Rekordhoch von 6830 Punkten herangeführt hat. Gelingt nun der Sprung über diese Marke aus dem Jahr 1999, wäre das ein massives charttechnisches Kaufsignal.

Abseits des Leitindex finden sich auf dem Londoner Kurszettel zudem stets aussichtsreiche Nebenwerte, die das Potenzial haben, sich deutlich besser zu schlagen. Was hier selbst in schwierigen Phasen möglich ist, zeigt eine Empfehlungsliste des Brokers Peel Hunt. Die darin enthaltenen wachstumsstarken Nebenwerte legten seit vergangenen Juli um rund zehn Prozent zu, während der marktbreite FTSEAll- Share-Index fünf Prozent verlor.

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Chancen in der zweiten Reihe

Zwei der Peel-Hunt-Favoriten scheinen besonders interessant zu sein. Zum einen das Pharmaunternehmen Clinigen, dem von 2014 bis 2017 ein Zuwachs beim Gewinn je Aktie von 14 Prozent jährlich zugetraut wird. Zum anderen Vectura. Bei der ebenfalls aus dem Pharmasektor stammenden Gesellschaft dürften die bisher geleisteten Forschungsarbeiten bald in markante Ergebnissprünge münden.



Klar geschlagen haben den Gesamtmarkt in den vergangenen fünf Jahren auch die Nebenwerte-Empfehlungen von JP Morgan. Unter dessen Favoriten überzeugen fundamental wie charttechnisch der Ankäufer von geschlossenen Lebensversicherungsportfolios Phoenix Group sowie die Spezial- und Rückversicherung Brit. Große Gewinnsprünge sind zwar nicht zu erwarten, aber es winken Dividendenrenditen von 6,5 Prozent und mehr.

Ebenfalls intensiv mit britischen Nebenwerten beschäftigt sich die Berenberg Bank. Zu ihren Top-Favoriten zählt der Autohändler Lookers, der von der Konsolidierung des Sektors profitieren dürfte, vernünftig bewertet ist und vor neuen Mehrjahreshochs steht. Die hat PPHE bereits erklommen. Die Hotelkette hat ihr Kursziel fast erreicht. Dank gut besuchter Hotels dürfte nun das Rekordhoch aus dem Jahr 2007 angesteuert werden.

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