"Das Quartal war für Siemens durchwachsen", stand ganz oben in der Pressemitteilung, die der Konzern herausgab - das schon eine ungewöhnlich defensive Formulierung. Der Umsatz war leicht gestiegen, der Auftragseingang gar um zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr gefallen - das war ganz und gar kein Ausweis exzellente Geschäfte, wie es der Anspruch Kaesers ist. Immerhin: Der operative Gewinn der Sektoren stieg in den Monaten Januar bis März um 16 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro.

Am Abend zuvor hatte der Konzern nach einer Aufsichtsratssitzung die lange erwarteten Umbaupläne bekannt gegeben: Statt vier Sektoren und 16 Divisionen wird es ab Oktober neun Divisionen geben, die sich um Energie und Industrie konzentrieren. "Es geht darum, Siemens eine langfristige Perspektive zu geben und das Wachstum zu fördern", sagte Kaeser am frühen Mittwoch Morgen.

Die Medizinsparte soll dabei künftig weitaus unabhängiger von der restlichen Siemens geführt werden - mit der Hörgerätesparte wird ein Teil an die Börse gebracht. Viele Analysten erwarten, dass weitere und weitaus größere Bereiche des hochprofitablen Geschäfts wie der Großgerätebau und die Diagnostik in den kommenden Jahren folgen könnten. Kaeser könnte so zusätzliche Werte heben.

Und: Der Chef baut auch sein Spitzenpersonal kräftig um. Michael Süß, bislang Energiechef, verlässt die Firma sofort. An seine Stelle rückt ab dem Sommer Lisa Davis, bisherige Strategiechefin beim Ölriesen Shell. Industriechef Siegfried Russwurm und Technologievorstand Klaus Helmrich tauschen ihre Posten.

Mit dem Rücktritt von Süß ist auch die wohl grösste Änderung vor allem für die Siemensianer am Standort Erlangen verknüpft: Davis soll die Energiedivisionen des Konzerns künftig von den USA aus leiten. Wieviele Mitarbeiter umziehen sollen, wieviele Arbeitsplätze in Deutschland wegfallen könnten, darauf gab es am frühen Morgen noch keine Antworten. "Wir suchen unsere Chancen im größten Markt für Öl und Gas, den USA, dem weltweit größten Markt für Fracking-Gas. Hier liegt der Gasturbinenmarkt der Zukunft", sagte der Siemens-Chef.

Dazu passt auch die soeben bestätigte Übernahme von Teilen des britischen Rolls Royce-Konzerns, der etwa kleinere Gasturbinen im Portfolio hat. Bislang ist Siemens auf große Turbinen spezialisiert und eingeschränkt - ein Grund, weshalb Süß gehen musste. Kaeser hatte sich überdies vor wenigen Tagen in die Übernahmeverhandlungen des US-Konzern General Electric mit der französischen Alstom eingeschaltet und ebenfalls Interesse an den Energieaktivitäten der Franzosen signalisiert.

Ein Umbau tat offensichtlich Not: Die bisherige Vorzeigesparte Energie hatte im abgelaufenen Quartal einen Einbruch des operativen Gewinns von über 50 Prozent auf nur noch 255 Millionen Euro ausgewiesen. Der Grund: Im Bereich Energieübertragung fielen Belastungen aus zwei Projekten in Kanada in Höhe von 290 Millionen Euro an. Auch der Auftragseingang lag fast ein Viertel unter dem Vorjahreswert - ein deutliches Signal, dass Siemens hier in seinem Kernsegment eine andere Richtung einschlagen muss.

In der Industrie will Kaeser künftig stärker auf die Digitalisierung und Vernetzung von Maschinen und Produktionsanklagen setzen und gründet eine eigene Division "Digital Factory". Das ist der Grund, weshalb der bisherige Technologiechef Helmrich das Ruder im zweiten künftigen Kernbereich von Siemens übernimmt. Auch hier sieht der Chef des größten deutschen Ingenieruskonzerns noch großes Wachstumspotenzial.

Dass die Lage hier bedeutend besser ist als in der Energie, zeigt das aktuelle Zahlenwerk. Im abgelaufenen Quartal hatte die Industrie den operativen Gewinn um fast ein Drittel auf 456 Millionen Euro gesteigert, der Auftragseingang war um zwölf Prozent gestiegen. Beim Gewinn wird der Bereich nur von der Medizintechnik übertroffen, die 531 Millionen Euro in die Kassen des Konzerns fuhr. Explizites Lob gab's vom Chef für die bisherige Problemsparte Infrastruktur, die, wie die anderen Sektoren, aufgelöst wird. Hier ging es beim Gewinn von sechs auf 325 Millionen Euro nach oben - im Vorjahr hatten Einmaleffekte das Ergebnis gedämpft.

Wieviele Jobs der Umbau auf neun Sparten kosten wird, ist zwar noch unklar. Der Siemens-Chef gab allerdings schon mal eine Marschrichtung bei den Kosten vor: Diese sollen in den kommenden beiden Jahren um zusätzlich eine Milliarde gesenkt werden. Die Bürokratie wird abgebaut, wozu auch die Auflösung der Sektoren und der Wegfall zahlreicher Verwaltungsaufgaben beiträgt.

Auch die einzelnen Geschäfte sollen nach dem Willen des energischen Niederbayern besser werden: Kaeser gibt dezidierte operative Gewinnmargen vor, Spitzenrenditen um 20 Prozent sollen die Digitale Fabrik und die Medizintechnik liefern.

Trotz der bescheidenen Quartalszahlen bestätigte der Chef die Jahresprognose eines um 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigenden Nettogewinns - unter der Voraussetzung, dass der Umsatz auf Höhe des Vorjahres bleibt.

Einschätzung der Redaktion

Siemens hat Bonbons für Aktionäre und den Kapitalmarkt auf Lager: Der Börsengang der Hörgerätesparte kann schon in Bälde erfolgen. Weitere Maßnahmen in der Medizintechnik wie eine Abspaltung der Großgeräte oder der Diagnostik sind denkbar und würden als IPO oder Spin-Off Anlegern Milliardenwerte schaffen. Zudem soll jetzt das aktienrückkaufprogramm im Volumen von vier Milliarden Euro gestartet werden.

Die Geschäfte dürften allmählich an Fahrt aufnehmen, wichtige Weichen sind gestellt. Auch die attraktive Dividendenrendite spricht für die Siemens- Aktie. Langfristkauf.