Der Radikalumbau von Siemens beginnt sich auszuzahlen. Trotz Problemen in der Energietechnik verblüfften die Münchner im abgelaufenen Quartal mit stabilen Gewinnen bei nur geringem Umsatzrückgang. Damit schlug sich Siemens besser als die europäischen Rivalen ABB und Schneider. Der Überschuss schrumpfte im Wesentlichen nur wegen der Lasten für den laufenden Stellenabbau. "Insgesamt zeigten unsere Geschäfte trotz eines schwächeren Marktumfelds eine solide operative Profitabilität", sagte Konzernchef Joe Kaeser am Donnerstag. "Wir erwarten, dass wir unser Momentum mit einem starken Schlussquartal des Geschäftsjahres beibehalten werden."

Kaeser bekräftigte - für manche Experten überraschend - seine Jahresprognose: Der Gewinn je Aktie soll um mindestens 15 Prozent zulegen. Selbst die Kosten für den Abbau von gut 13.000 Stellen wollen die Münchner wegstecken, wie geplant auf eine operative Marge von zehn bis elf Prozent kommen und weiter zum großen US-Rivalen GE aufschließen. Im bis Ende September laufenden Geschäftsjahr 2014/15 könnten sich die Kosten für den Stellenabbau auf annähernd eine Milliarde Euro belaufen, stellte Finanzchef Ralf Thomas in Aussicht.

Im dritten Quartal nahm der Gewinn aus fortgeführtem Geschäft vorwiegend wegen der Abfindungkosten für ausscheidende Mitarbeiter um sieben Prozent auf 1,25 Milliarden Euro ab. Damit verdiente Siemens deutlich mehr als von Analysten vorausgesagt. Der Umsatz gab jedoch um drei Prozent auf 18,84 Milliarden Euro nach, der Auftragseingang fiel um fünf Prozent auf 19,86 Milliarden Euro.

Auf Seite 2: BÖRSE FEIERT KAESER





BÖRSE FEIERT KAESER



Während der Umsatz mit Kraftwerkstechnik um 15 Prozent in die Knie ging, überbrückte Siemens die Investitionsscheu der Kundschaft im Energiemarkt als Folge des niedrigen Ölpreises mit Mehreinnahmen in der Netz- und Medizintechnik sowie der Industrieautomatisierung. Die Anteilseigner waren angetan. Die Siemens-Aktie legte um mehr als vier Prozent zu und war damit der größte Gewinner im Leitindex Dax. "Die Ergebnisse und der Ausblick sind klar eine positive Überraschung", sagte DZ-Bank-Analyst Alexander Hauenstein.

Kaeser räumte ein, dass das von Rolls-Royce übernommene Geschäft mit Fördertechnik nicht gut läuft. Die Kundschaft in der Öl- und Gasbranche schiebt nach dem Absturz des Ölpreises derzeit Investitionen auf. Kaeser klagte über Überkapazitäten in der Branche und aggressive Konkurrenten. Ab dem Anfang Juli begonnenen vierten Quartal verbucht Siemens auch die Ergebnisse der US-Firma Dresser-Rand, des jüngsten, knapp acht Milliarden Dollar teuren Zukaufs, der ebenfalls auf Ölfördertechnik spezialisiert ist.

Auf Seite 3: EINIGE FORTSCHRITTE





EINIGE FORTSCHRITTE



Kaeser lobte Fortschritte insbesondere in der lange notleidenden Netztechnik und der Windenergie. Auf Fragen nach der Zukunft der Zugsparte antwortete er ausweichend. Zwar dementierte er Gespräche mit Bombardier über eine Zusammenlegung des Eisenbahngeschäfts, vermied jedoch ein klares Bekenntnis zu dem Geschäftszweig. Die Branche stehe nach dem Zusammenschluss zweier großer chinesischer Anbieter vor einer Fusionswelle. "Wir gehen mit einem gewissen Selbstbewusstsein an eine potenzielle Industriekonsolidierung heran." Experten bezweifeln allerdings, dass Kaeser noch während der laufenden Ausgliederung der hochprofitablen Medizintechnik große Umwälzungen in der Zugsparte angeht und damit die IG Metall gegen sich aufbringt. Bombardier hat zuletzt wegen einer geringen Nachfrage nach seinen Zügen und Verkehrsflugzeugen fast ein Fünftel weniger verdient.

Im lahmenden Geschäftsfeld Prozessindustrie und Antriebe tauscht Siemens unterdessen den Chef aus. Der Manager Jürgen Brandes wechselt aus der Zugtechniksparte auf den Posten, der bisherige Amtsinhaber Peter Herweck verlässt den Konzern. Kaeser hält große Stücke auf die unter dem Namen Prozessindustrie zusammengefassten Geschäfte mit der Chemie- und Pharmaindustrie, zuletzt hatte die Einheit allerdings einen Auftragseinbruch um ein Fünftel verbucht.

Reuters