Zu den wichtigsten Kennzahlen, ob eine Aktie attraktiv bewertet ist, zählt das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV). Der Buchwert ist vereinfacht ausgedrückt der Wert des auf die Anteilseigner entfallenden Eigenkapitals und steht somit für die Summe, wenn alle materiellen Vermögensgegenstände des Unternehmen verkauft würden. Nach der Rally seit 2009 gibt es nur noch wenige Papiere, die ein KBV von "kleiner 1,0" aufweisen. Für einen schnellen Überblick bieten sich die täglich aktualisierten Listen in der Börse Online-Datenbank im Premium-Bereich an. Unter den 50 MDAX-Werten weisen derzeit nur sechs Papiere ein KBV von kleiner als eins auf. Neben der Deutschen Pfandbriefbank und Salzgitter sticht auch Südzucker mit einem KBV von 0,81 hervor. Anders formuliert: Während Anleger an der Börse rund 14,50 Euro pro Aktie bezahlen müssen, liegt der Buchwert mit 17,81 Euro deutlich höher.

Obwohl die Südzucker-Aktie somit als KBV-Schnäppchen durchgeht, lohnt sich ein zweiter Blick. Die Substandkennzahl KBV kann sich zwar sehen lassen, aber leider hapert es an der Profitabilität. So liegt die Eigenkapitalrendite des europäischen Marktführers bei schwachen 1,7 Prozent. Und auch sonst kommt der MDAX-Wert nur mit einer schwachen Brust daher: Bezogen auf den Aktienkurs wird derzeit ein 2016er-KGV von 21 aufgerufen. Verglichen mit einem MDAX-Durchschnitt von 17 ist dies recht sportlich. Auch für Dividendenfans ist die Aktie mit einer Verzinsung von 1,7 Prozent nicht attraktiv. Einige Investoren wetten daher auf fallende Kurse bei Südzucker. Zuletzt ist die Netto-Shortseller-Quote zwar etwas gesunken, liegt mit rund 3,3 Prozent aber immer noch auf einem erhöhten Niveau.

Die Stimmung gegenüber dem Mannheimer Konzern ist somit eher schlecht, der Kursrutsch von etwa 30 Prozent in den ersten beiden Monaten untermauert dies. Doch genau darin liegt auch eine Chance für antizyklische Anleger, die gerne bei Turnaround-Kandidaten einsteigen.

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Südzucker ist mehr als nur Zucker



Blicken wir zunächst auf den Kursverlauf. Bereits seit über einem Jahr zeigt der Chart eine intakte Serie von steigenden Tiefpunkten. Jeder Rücksetzer wurde immer früher gekauft, was positiv ist und einen Aufwärtstrend signalisiert. Aktuell handelt die Aktie wieder knapp unter ihrer 200-Tage-Linie, jede Rückeroberung hat sich seit Frühjahr vergangenen Jahres immer als gute Einstiegsgelegenheit erwiesen. Setzt sich das Muster fort, wäre mindestens ein Rücklauf bis an das Hoch von Ende 2015 bei rund 19 Euro zu erwarten, die Oberseite des Kanals lässt sogar Platz bis 22 Euro. Hier liegt auch das Kursziel der Analysten vom Bankhaus Lampe, was einem Potenzial von rund 50 Prozent entsprechen würde.



Auf der anderen Seite sind aber auch die Risiken nicht zu unterschätzen. Dazu zählen auch die laufenden Schadenersatzprozesse. So haben sich aus Sicht des Bundeskartellamts Südzucker, Nordzucker und Pfeiffer & Langen über Jahre hinweg bis 2009 über Verkaufsgebiete, Quoten und Preise abgesprochen. Mit rund 196 Mio. Euro musste der Mannheimer Konzern die höchste Einzelstrafe zahlen, nun droht Südzucker eine Klagewelle von mehreren Lebensmittelherstellern. Ausgang offen.

Operativ sieht es auf den ersten Blick ebenfalls eher durchwachsen aus. Der Bereich Zucker bildet den Schwerpunkt und steuerte im Geschäftsjahr 2013/14 knapp die Hälfte zum Umsatz bei. Hier waren die Erlöse im dritten Quartal mit 741 Mio. Euro rückläufig, der operative Verlust stieg um rund zwölf Prozent auf 28 Mio. Euro. Mehr Freude bereiten die anderen Bereiche. Über die Mehrheitsbeteiligung an CropEnergies spielt Südzucker bei der Bioethanolproduktion in Deutschland, Frankreich und Belgien mit. In dem Segment sprang das Ergebnis im abgelaufenen Semester von minus zwei auf 24 Mio. Euro nach oben. Mit Spezialprodukten wie Tiefkühlkost (Freiberger), Lebensmittelportionspackungen und Lebensmittelzusatzstoffen erzielt Südzucker rund ein Viertel der Erlöse. Zunehmend mit Erfolg, wie der Anstieg beim operativen Ergebnis von 41 Prozent auf 53 Mio. Euro deutlich zeigt. Fruchtsaftkonzentrate vertreibt das Tochterunternehmen Agrana, hier sank das Ergebnis zuletzt nur unwesentlich auf 15 Mio. Euro.

Unter dem Strich konnte daher die schwache Entwicklung im Zuckergeschäft mehr als kompensiert werden. Im dritten Quartal schnellte das operative Ergebnis von 27 auf 64 Mio. Euro in die Höhe. Die Prognose für das laufende Geschäftsjahr wurde zuletzt nicht angerührt. Nach 6,8 Mrd. Euro rechnet das Management mit 6,3 bis 6,5 Mrd. Euro, wobei ein deutlicher Umsatzrückgang in den Segmenten Zucker und CropEnergies unterstellt wird. Beim operativen Ergebnis sollen 200 bis 240 Mio. Euro hängen bleiben. Keine ambitionierte Vorgabe, nach drei Quartalen stehen bereits 198 Mio. Euro in den Büchern. Eine positive Überraschung bei der Bilanzvorlage am 19. Mai wäre durchaus möglich.

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Zuckerpreise vor Rally?



Für Kursfantasie sorgt besonders die Preisentwicklung am Zuckermarkt. Die operativen Ergebnisse könnten hier kräftig durchstarten, wenn die Notierungen vor der EU-Liberalisierung spürbar anziehen. Ab Oktober 2017 kann die EU unbeschränkt Zucker auf den Weltmarkt bringen. Einige Produzenten wie Südzucker planen eine Steigerung der jährlichen Zuckerproduktion von mindestens 20 Prozent. Europa wäre dann nicht mehr ein Zuckerimporteur sondern Zuckerexporteur.

Einen noch stärkeren Hebel stellen derzeit die Ernteeinbußen in den wichtigsten Produktionsländern Brasilien und Indien dar. Nach Meinung von Lampe-Analyst Marc Gabriel wird der globale Zuckermarkt erstmals seit langem wieder ein Defizit von 3,8 bis 8,5 Mio. t ausweisen. Die europäischen Lagerbestände werden nach Einschätzung des EU-Agrarkomitees unter das Niveau von September 2010 fallen. Damals kletterte der Preis für Jahreskontrakte um weit über 200 EUR/t. Bei der Bilanzvorlage könnte sich daher das Management recht optimistisch für 2016/17 äußern. Lampe rechnet mit einem um 195 Mio. Euro höheren Zuckerergebnis. Sollten die Defizitprognosen weiter steigen, könnte der Zuckerpreis noch kräftiger zulegen. Auch die von Brasilien eingereichte WTO-Klage gegen Thailand spielt Südzucker in die Karten. Zwar ist erst in einigen Monaten mit einer Entscheidung zu rechnen, ein mögliches Exportverbot sollte sich aber ebenfalls positiv auf den Weltmarktpreis auswirken.

Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast beim Deutschen Anlegerfernsehen (DAF), Gastautor bei n-tv und gern gesehener Vortragsredner. Er hält regelmäßig Webinare, referierte unter anderem beim Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD) und betreute mehrere Jahre für die Commerzbank den Zertifikate-Newsletter ideas daily. www.index-radar.de