Beinahe schwarz und weiß sieht die Quartalsbilanz des Industriekonzerns ThyssenKrupp aus: Die Industriegütersparten, allen voran das Aufzuggeschäft, laufen gut. Doch der Stahlbereich belastet den Konzern. Das Gesamtbild im zweiten Viertel des Geschäftsjahres bis Ende September ist grau und trübe: Der operative Gewinn der Essener trifft mit insgesamt 326 Millionen Euro die Erwartungen - fällt aber um etwa ein Fünftel im Jahresvergleich. Allein die Aufzugsparte liefert 186 Millionen Euro Gewinn, rund 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Beim Cashflow, beim Umsatz und beim Auftragseingang bleibt der DAX-Konzern hinter den Erwartungen zurück.

"Der Preisdruck im Stahlmarkt hielt länger an, die Preise fielen tiefer als gedacht. Die Erholung kommt später und fällt schwächer aus, als von uns erwartet", fasst Finanzvorstand Guido Kerkhoff die Misere im Materialgeschäft zusammen. Nach den ersten sechs Monaten des Geschäftsjahres ist die Jahresprognose damit Makulatur: 1,6 bis 1,9 Milliarden Euro operativen Gewinn wollte Konzernchef Heinrich Hiesinger in der Periode 2016 erzielen. Jetzt sollen es mindestens 1,4 Milliarden Euro werden. Diese Untergrenze würde gegenüber dem Vorjahr einen Gewinneinbruch um über 15 Prozent bedeuten. Das ist bitter, schließlich hat Hiesinger immer wieder betont, ThyssenKrupp müsse jährlich mindestens zwei Milliarden Euro Ebit verdienen, um finanziell nachhaltig agieren zu können.

Auch beim Cash Flow gibt es einen Rückschlag. Im Geschäftsjahr 2015 nahm ThyssenKrupp erstmals nach neun Jahren wieder mehr Geld ein, als es ausgab. Für 2016 sieht die Bilanz wohl wieder negativ aus - es dürfte Cash abfließen. Auch die Nettoverschuldung steigt. Das liegt an den hohen Pensionsverpflichtungen, die in Verbindung mit niedrigen Zinsen zu höheren Rückstellungen führen und das Eigenkapital belasten. Eine weitere Kapitalerhöhung ist laut Kerkhoff nicht notwenig. Zum Jahresende soll sich die Schuldensituation wieder etwas entspannen. "Saisonal ist das zweite Quartal immer der Tiefpunkt des Jahres", versprach der Finanzmann.

Zum Stand von Konsolidierungsgesprächen gab es nichts Neues. "Wir sehen uns in einer Position der Stärke. Wir zählen zu den wenigen Unternehmen in der Branche, die noch Gewinne ausweisen", gab sich Kerkhoff zuversichtlich. Vor wenigen Wochen hatten Spekulationen um Gespräche der Essener etwa mit dem indischen Wettbewerber Tata die Runde gemacht und den Aktienkurs beflügelt. Die europäische Stahlbranche leidet nicht nur unter Billigimporten aus China, sondern auch unter hohen Überkapazitäten im Heimatmarkt. Eine Bereinigung gilt als überfällig und würde auch die Konzernfinanzen von ThyssenKrupp entlasten.

Die gute Nachricht: Kerkhoff sieht den Boden bei den Stahlpreisen inzwischen erreicht. Im laufenden dritten Quartal werde die Erholung zwar noch nicht deutlich in den Konzernbüchern spürbar werden. Im vierten Quartal dann schon. Überdies soll der gesunde Aufwärtstrend in den Industriegütersparten anhalten.

Die Aktie des größten deutschen Stahlkonzerns profitierte Mitte April von anhaltenden Gerüchten über eine anstehende Bereinigung in der Branche. Ein Joint-Venture oder eine Abspaltung des Stahlbereichs würde die Lage für den DAX-Konzern deutlich verbessern. Mittelfristig dürfte das unserer Einschätzung nach auch der Fall sein. Das Papier dürfte nach schwachen Zahlen und Prognosesenkung aber zunächst weiter konsolidieren. Für einen Einstieg ist es noch zu früh. Die Aktie bleibt aus unserer Sicht haltenswert.

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Stopp: 15,00 €, Kursziel: 19,00 €