"Der Tanker ändert seinen Kurs", sagte Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. "Es ist verblüffend, wie schnell Volkswagen Erfolge erzielt." VW führt die Erholung des Automarktes in Europa und die Wiederbelebung des Großkundengeschäfts als wichtigste Gründe für das unerwartete Plus an. Mindestens ebenso wichtig sind daneben die Erfolge bei der Neuausrichtung.

Große Teile des von VW-Markenchef Herbert Diess im November aufgelegten Zwölf-Punkte-Programms seien bereits in die Tat umgesetzt, sagte eine Person mit Kenntnis der Situation der Nachrichtenagentur Reuters. Das Umbauprogramm sieht vor, dass zunächst alle Kosten auf den Prüfstand gestellt werden. Die Modelle werden daraufhin überprüft, wie viel Ertrag sie abwerfen. In Nischenfahrzeuge mit geringen Stückzahlen soll nicht mehr investiert werden.

Dem 57-Jährigen eilt der Ruf eines beinharten Kostendrückers voraus. Den hat er sich als Einkaufschef bei BMW bis 2012 erworben, als er die Materialkosten des Münchner Autobauers um mehrere Milliarden senkte. Danach stieg er zum Einkaufschef von BMW auf. Mitte vergangenes Jahr wurde er von VW abgeworben. Wenige Monate nach Beginn seiner Amtszeit strich der Münchner das Investitionsprogramm dort um eine Milliarde Euro zusammen.

Zugleich erhielt das Management der Marke in den verschiedenen Regionen mehr Entscheidungsspielraum. Eigenverantwortung soll an die Stelle des bisher üblichen Gehorsams gegenüber der Zentrale treten. Der Konzern soll sich auf strategische Fragen und die Koordinierung der zwölf Marken konzentrieren. Davon erhofft man sich, dass die Mittel effektiver eingesetzt werden.

Das Markenmanagement wurde nach Baureihen aufgeteilt: Eine Gruppe kümmert sich um die Kleinwagen wie Up und Polo, eine um die Golf-Klasse, eine weitere um die Mittel- und Oberklasse von Passat bis Touareg und eine eigene ist für Elektroautos zuständig. "Die neue Baureihenorganisation ermöglicht ein zukunftsfestes Produktprogramm, denn sie stärkt die funktionsübergreifende Zusammenarbeit und steigert damit auch die Profitabilität der Marke", erläuterte Diess.

Bisher waren die Verantwortlichkeiten in verschiedene Unternehmensbereiche verteilt, dadurch kam es vor allem in der Entwicklung oft zu Doppelarbeiten. Das ist auch ein Grund dafür, warum die Kosten bei VW explodiert sind. Hinzu kam, dass das Baukastensystem nicht konsequent umgesetzt wurde. Auch dort stecke noch viel Sparpotenzial, heißt es bei VW.

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MANCHEN IST DAS TEMPO ZU HOCH



Im Umfeld von Diess wird allerdings vor zu viel Euphorie gewarnt. "Das Schiff bewegt sich ganz deutlich, aber die Erwartung, es sei schon alles ganz toll, dafür ist es noch zu früh. Die Baustellen sind nach wie vor riesig." Experten erwarten, dass der Umbau mindestens vier Jahre dauert.

Manchen geht es bereits zu schnell. Der Betriebsrat hat Diess vorgeworfen, die Mitarbeiter nicht ausreichend einzubinden. Von "gravierendem Vertrauensverlust" war die Rede. "Die meisten sind vielleicht ein bisschen konzilianter und vorsichtiger im Sinne der Einbindung aller Beteiligter. Da ist Diess weniger VW-geprägt", heißt es aus dem Umfeld von Diess. Er selbst ging auf seine Kritiker ein. Die Veränderungen führten an der ein oder anderen Stelle zu einer hohen Nervosität in der Arbeitnehmerschaft, räumte Diess ein. Von seinen Plänen für den VW-Umbau rückte er nicht ab.

Wie hoch die von Diess angestoßenen Einsparungen bereits sind, verraten die Wolfsburger nicht. Analysten gehen davon aus, dass die Effekte enorm sind. Unklar ist noch, wie viel davon auf Diess' Vorgänger Martin Winterkorn zurückgehen, der bereits ein milliardenschweres Sparprogramm aufgelegt hatte. Mehr Einblick erhoffen sich Experten von den endgültigen Zahlen für das zweite Quartal, die Volkswagen am Donnerstag vorlegen will.

TAUSENDE STELLEN FALLEN WEG



Als nächstes nimmt sich Diess die Werke vor, von denen einige nach Meinung von Experten nicht effektiv genug arbeiten. Das Management will den Umbau möglichst schonend angehen. Pläne für einen Personalabbau sind bisher erst für die Verwaltung durchgesickert. Dort sollen mehr als 3000 Bürostellen wegfallen. Die Mitarbeiter sollen in anderen Bereichen unterkommen, früher in den Ruhestand gehen oder Bildungsauszeiten nehmen.

Ein Knackpunkt in den Verhandlungen dürfte die Neuausrichtung der Komponentenwerke für die Elektromobilität sein. Vor allem das Motorenwerk in Salzgitter und die Komponentenfertigung in Braunschweig müssen Einschnitte fürchten, wenn es nicht gelingt, dort andere Produkte zu fertigen. Der Betriebsrat dringt darauf, dass der Umbau nicht zulasten der Belegschaft geht. "In den kommenden Wochen wartet viel Arbeit auf uns", sagte Betriebsratschef Bernd Osterloh zu Reuters. "Das wird nicht immer ganz spannungsfrei ablaufen." Volkswagen steht womöglich ein heißer Herbst bevor. rtr