Randall Stephenson will Vodafone- Boss Vittorio Colao aus der Reserve locken. Der Chef von AT&T ließ jüngst durchblicken, dass sich für Amerikas Telekomriesen das Fenster für Übernahmen in Europa bald schließen könnte. Eine faustdicke Überraschung, hatten Experten doch erwartet, dass sich AT&T in Kürze den britischen Mobilfunker Vodafone schnappen werde.

Denn Vodafone, das sich mit Mannesmann im Jahr 2000 hierzulande eine spektakuläre Übernahmeschlacht lieferte, ist mit gut 300 Millionen Mobilfunkkunden und einem breit gespannten Netz weltweit die Nummer 2. Aus dem Heimatmarkt von AT&T haben sich die Briten im vergangenen Jahr mit dem Verkauf ihrer 45Prozent-Beteiligung an der Mobilfunktochter des Telekomkonzerns Verizon zurückgezogen.

Das globale Mobilfunkportfolio der Briten wäre für AT&T eine ideale Ergänzung. Zudem war es Firmenchef Colao beim Verkauf der Anteile an Verizons Mobilfunktochter in letzter Minute gelungen, den Preis auf den Rekordwert von 130 Milliarden Dollar zu treiben. Die Kasse ist damit gut geüllt.

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Im Visier der Amerikaner

Was die AT&T-Chefstrategen aber ärgern dürfte, ist, dass sie nach britischem Recht den Vodafone-Aktionären erst im Sommer eine Offerte machen können. Es sei denn, die Briten machten den ersten Schritt in den Verhandlungen über ein Zusammengehen der Konzerne. Anzeichen dafür gibt es bisher jedoch nicht. An der Börse, wo viele Anleger auf eine Übernahme Vodafones durch AT&T setzen, löste die jüngste Zurückhaltung der Amerikaner starke Gewinnmitnahmen aus.

Das ist im Sinne der Amerikaner. "Es fällt schwer, darin etwas anderes zu sehen als den Versuch, den Preis für Vodafone zu drücken", sagt Robin Bienenstock, Analyst der Investmentbank Sanford Bernstein.

AT&Ts mögliches Kalkül, durch Vodafones schrumpfenden Börsenwert auch Colaos Annäherung zu erzwingen, geht bisher allerdings nicht auf. Stattdessen tritt Vodafone mit Zukäufen im Kabelgeschäft die Flucht nach vorn an. Aktuell wollen die Briten für 7,2 Milliarden Euro den spanischen Kabelnetzbetreiber Grupo Corporativo Ono übernehmen. "Unsere Strategie setzt auf Eigenständigkeit", sagt Colao trotzig.

Dennoch kann sich der in Italien geborene Manager mit Blick auf die Anteilseigner möglichen Interessenten nicht völlig verschließen. "Wenn Vodafone ein Übernahmeziel werden sollte, werden wir uns die Sicht der anderen anhören", sagt Colao.

Doch er weiß auch: Je mehr Zukäufe Vodafone im Kabelmarkt landen kann und je besser die Integration der Unternehmen wie beispielsweise Kabel Deutschland vorankommt, desto unwahrscheinlicher wird eine AT&T-Offerte - weil die Amerikaner hauptsächlich am Mobilfunk interessiert sind. Allerdings muss Colao auch belegen, dass sich der Börsenwert des Unternehmens durch die Zukäufe und Investitionen im Vergleich zu einer Übernahmeofferte besser entwickelt.

Kein leichtes Unterfangen: Bei Ono musste Vodafone das Angebot nachbessern. Abzüglich möglicher Einsparungen von zwei Milliarden Euro zahlen die Briten das 7,5-Fache des operativen Gewinns der Spanier - viel Geld. "Das ist die Spitze dessen, was man als Preis rechtfertigen kann, wenn die Integration gut läuft", sagt Analyst Bienenstock. Doch bislang bewies Colao ein gutes Händchen. Zuletzt beschränkte sich Vodafone in Industrie- und Schwellenländern auf jene Märkte, in denen sie vorn mitspielen.

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Datenflut soll Gewinn steigern

Die Kabeloffensive ist auch deshalb sinnvoll, weil hier das Neugeschäft noch stark wächst. In ihrem Kerngeschäft stehen die Telekomkonzerne in Europa dagegen unter starkem Druck. Ziel der Regulierer ist es etwa, Roaming-Gebühren ür Auslandsgespräche ab Dezember 2015 ganz abzuschaffen. Mit Gewinnen aus den Datenströmen im mobilen Web und Festnetz will Vodafone deshalb zurück auf einen profitablen Wachstumskurs.

Das Geld für den Ausbau der schnellen Netze haben die Briten bei ihrem US-Ausstieg eingesammelt. Knapp 23 Milliarden Euro sollen bis Ende 2015 in den Mobilfunkstandard LTE und in Glasfasernetze fließen. Auch Geld ür Übernahmen ist vorhanden. "Vodafone ist einer der wenigen Telekomkonzerne, die sich ohne Druck auf das Rating Zukäufe leisten können", sagt Bettina Deuscher, Credit Analyst der LBBW.

Demnächst könnten die Briten auch in ihrem drittgrößten Markt, Italien, zuschlagen. Dort gilt das Mobilfunk- und DSLUnternehmen Wind als Ziel. AT&Ts prüfender Blick dürfte Colao antreiben.

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