Was für einen Unterschied manchmal wenige Wochen auf am Edelmetallmarkt machen können. Denn nachdem Gold und Silber begünstigt von zahlreichen Zinssenkungen weltweit, der überraschenden Aufgabe der Euro-Anbindung des Schweizer Franken und das Wiederaufflackern der griechischen Schuldenkrise sowie der angespannten Lage im Russland/Ukraine-Konflikt, einen Bilderbuchstart in das neue Jahr erwischten, hat sich der Preistrend zuletzt wieder umgekehrt. Nach vier Verlustwochen in Folge, was der längsten Verlustserie seit September 2013 entspricht, ist Gold mit gut 1.200 Dollar die Feinunze fast wieder bis an das zum Jahresultimo gültige Ausgangsniveau zurückgefallen. Silber hat dagegen zwar noch deutliche Jahresgewinne aufzuweisen, gegenüber dem bisherigen Jahreshoch von 18,33 Dollar haben sich die Notierungen mit aktuell gültigen 16,565 Dollar aber auch hier spürbar zurückgebildet.

Charttechnisch gesehen hat sich damit die Ausgangslage wieder etwas eingetrübt. Dazu passt auch die Entwicklung bei den Gold-ETFs. Nach Abflüssen von netto 164 Tonnen im Vorjahr, wurde zu Jahresbeginn ein Zufluss von 72 Tonnen verzeichnet, doch zuletzt waren auch wieder vermehrt ETF-Abflüsse zu registrieren. Trotzdem hat sich die Stimmung unter den Anlegern mit Blick auf die weiteren Aussichten bei Gold und Silber aufgehellt. Das lässt sich auch am Ergebnis der monatlichen Fondsmanagerumfrage der Bank of America Merrill Lynch ablesen. 40 Prozent der Befragten rechnen laut den Daten für Februar mit steigenden Goldpreisen in den kommenden zwölf Monaten. Im Januar lag der Anteil der Gold-Bären noch über dem der Gold-Bullen. Im Februar stuften zudem netto nur drei Prozent Gold als überbewertet ein. Deutlich weniger als der noch im Dezember Anteil von netto 20 Prozent.

Optimistisch gestimmt bleibt auch das bankenunabhängige Analysehaus Capital Economics. Dort bringt der Chef für das Rohstoff-Research, Julian Jessop, die jüngste Preisschwäche zwar mit einer etwas nachgelassenen Nachfrage nach als sicher geltenden Anlageformen zusammen sowie mit der zunehmenden Erwartungshaltung hinsichtlich einer in diesem Jahr anstehenden Zinserhöhung in den USA. Zu letzterem passe auch die Beobachtung, wonach der Rückfall beim Goldpreis zeitlich mit einem Anstieg der Anleiherenditen in den USA einhergegangen sei. Auch bei Capital Economics rechnen die Analysten mit einer US-Zinserhöhung und zwar früher als der Gesamtmarkt das tut, nämlich schon im Juni. Doch trotzdem sieht man in diesem Jahr mehr preisbeflügelnde statt preisbelastende Einflussfaktoren bei Gold und Silber. Das gelte insbesondere dann, falls sich die Griechenland-Krise doch noch einmal zuspitzen sollte.

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Optimismus für Gold trotz US-Leitzinsanhebung

Keine allzu große Indikator-Funktion wird dagegen dem jüngsten Anlageverhalten der Terminmarktanleger zugemessen. Am Markt werde die zuletzt gesunkene Netto-Long-Gold-Positionierung der kommerziellen Marktteilnehmer zwar als Hinweis auf eine allgemein nachlassende Nachfrage gewertet. Doch zum einen bewege sich dieses spekulative Interesse im Zweijahresvergleich noch immer auf einem relativ hohen Niveau, zum anderen handele es sich dabei mehr um einen gleichlaufenden Indikator als um einen vorlaufenden Indikator. Folglich tauge dieser Faktor weniger zu einer Vorhersage künftiger Preisentwicklungen.

Was die Zins- und Renditeaussichten in den USA angeht, geht Jessop wegen der sich gut entwickelnden Konjunktur und dem wachsenden Lohndruck nicht nur von steigenden Leitzinsen aus sondern auch von einem Anstieg der Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen auf 2,5 Prozent bis zum Jahresende. Blicke man nur auf diesen Einflussfaktoren, dann könnte dies einen Goldpreis-Rückgang auf 1.100 Dollar erwarten lassen. Doch wenn die US-Notenbank die Leitzinsen nur schrittweise erhöhe und die Leitzinsen im historischen Vergleich relativ niedrig bleiben, wovon die Analysten von Capital Economics ausgehen, dann dürften auch andere Einflussfaktoren, die preisbeflügelnd wirken, ebenfalls zur Geltung kommen.

Einige davon werden als spezifisch für den Goldmarkt eingestuft. Dazu zählen ein wiedererwachtes Interesse in den für die Nachfrage wichtigen Schwellenländern Indien und China. Zudem dürfte das Goldangebot durch neue Minen auf Sicht der kommenden Jahre stagnieren. Hervorgehoben wird auch, dass Gold seit Mitte 2013 immer wieder charttechnische Unterstützung im Bereich von 1.200 Dollar gefunden habe. Das sei ein Niveau, das nur knapp über den Grenzkosten vieler Produzenten liege.

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Grexit könnte Goldpreis auf 2.000 Dollar steigen lassen

Jessop halt es auch nicht für ausgeschlossen, dass Gold auch von seiner Funktion als sicherer Hafen durch die Krise in Griechenland profitieren werde. Aus seiner Sicht sind die Märkte zu selbstgefällig hinsichtlich der Option, dass das Land doch noch zu einem Verlassen der Euro-Zone gezwungen sei und den damit verbundenen Ansteckungsgefahren auf andere Länder in der europäische Peripherie.

Jessop räumt zwar ein, dass die traditionelle Schutzfunktion des Goldes im Zuge der Bankenkrise in Zypern durch Spekulationen unterminiert worden sei, zur Finanzierung der Bankenrettung könnte auch auf Erlöse durch einen Verkauf von Gold zurückgegriffen werden. Doch diese Diskussionen verliefen letztlich im Sande. Mit Blick auf Griechenland geht er davon aus, dass die Griechen vermutlich eher den Euro verlassen würden als ihr Gold herzugeben. Wie sehr sich die Öffentlichkeit für den Verbleib von staatlichen Goldbeständen interessiere, zeigten auch die jüngsten Goldrückholaktionen in Deutschland und in der Schweiz von bisher im Ausland gelagerten Goldes. Selbst wenn Griechenland zur Verhinderung eines Euro-Ausstiegs oder zur Bekämpfung des Chaos nach einem Euro-Ausstiegs zu Goldverkäufen gezwungen sein sollte, dürften sich viele Kaufinteressenten auch zu hohen Preisen finden.

Unter dem Strich traut Capital Economics dem Goldpreis bis Ende 2015 weiterhin einen Anstieg bis auf 1.400 Dollar je Feinunze zu. Falls es zu einem ungeordneten Aufbrechen des Euro-Verbundes komme, könnte die Nachfrage nach Gold als einem sicheren Hafen die Preise auch locker bis auf 2.000 Dollar treiben, so Jessop.

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Silber meist volatiler als Gold

Mit Blick auf Silber verfolgt Capital Economics einen zweiseitigen Analyseansatz. Sollte die Euro-Gruppe nicht gesprengt werden, dann werden die Aussichten für Silber sogar besser als die für Gold eingestuft. Zwar wird eingeräumt, dass Silber in den vergangenen Jahren einen schlechten Lauf gehabt habe. Nach einem Anstieg auf 50 Dollar bis zum Frühjahr 2011, was rückblickend als eine Blase einzustufen ist, fiel der Preis für das Edelmetall anschließend bis auf gut 15 Dollar je Feinunze. Die Performance in dieser Schwächeperiode war schlechter als die beim Gold. Als Konsequenz daraus bewege sich das Gold- zum Silberpreis-Verhältnis derzeit mit 71 über dem langfristigen Durchschnitt von rund 60.

Erklären lasse sich die schlechte Entwicklung beim Silber mit zwei Faktoren: Erstens sei der Silberpreis traditionell volatiler als der Goldpreis, was auch damit zu tun habe, dass der Silbermarkt kleiner und weniger liquide sei. Zudem werde Silber oft zusammen mit anderen Metallen abgebaut, was wiederum dazu führe, dass es länger dauere, bis es zu einer Reaktion auf der Angebotsseite kommt. Als Folge daraus habe Silber in der Vergangenheit in Phasen mit steigenden Preisen für beide Edelmetalle besser abgeschnitten als Gold und schlechter in Zeiten fallender Preise. Vermutlich habe die zuletzt ausgeprägte Schwäche auch zu einer allgemein sehr reservierten Haltung der Anleger gegenüber dem Silber beigetragen, obwohl sich die Fundamentaldaten verbessert hätten.

Zweitens stünden industrielle Anwendungen für mehr als die Hälfte der Silbernachfrage, während sich dieser Anteil beim Gold nur auf 10 Prozent belaufe. Dies habe zur Konsequenz, dass Silber unter der ins Stocken geratenen Weltwirtschaft mehr gelitten habe als Gold. Dazu passe auch die relative Schwäche anderer Industriemetalle.

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Anstieg von fast 40 Prozent bei Silber erwartet

Doch in diesem Jahr dürften sich die genannten Faktoren ins Positive drehen. Zum einen erwarte man einen steigenden Goldpreis. Zum anderen rechne man begünstigt durch den gefallenen Ölpreis und den geldpolitischen Ankurbelungsmaßahmen mit einer sich belebenden Weltkonjunktur. Das erwartete Umfeld eines anziehenden Goldpreises und einer sich bessernden Weltwirtschaft lasse eine bessere Performance von Silber als beim Gold erwarten.

Als Hauptrisiko gegen ein Eintreffen dieser Prognose sei ein ungeordneter Zusammenbruch des Euro-Verbundes zu werten. Denn in diesem Fall dürfte Gold wie bereits beschrieben wieder von seiner Rolle als sicherer Hafen profitieren. "Aber bei unserer zentralen Prognose sehen wir den Silberpreis bis Ende 2015 auf 23 Dollar pro Unze steigen. Das entspricht einem Anstieg von mehr als einem Drittel gegenüber dem heutigen Stand von 16,57 Dollar. Im Gegensatz dazu sieht der Analystenkonsens laut einer Bloomberg-Umfrage den Silberpreis zum Jahresende nur bei konservativeren 18 Dollar;" so Jossep.