Der massive Einbruch des Ölpreises hat die Anleger verunsichert. Sie rätseln, was der Preisverfall letztlich für die Weltwirtschaft, die Unternehmensgewinne und die Weltbörsen bedeutet. Nicht gerade dienlich für die Nerven der Börsianer ist die Entwicklung bei den Gewinnschätzungen. Stark nach unten korrigierte Ergebnisschätzungen für den US-Energiesektor haben tiefe Spuren hinterlassen: Bei den jetzt anstehenden Zahlen fürs vierte Quartal 2014 wird den Ölaktien im Index S & P 500 praktisch kein Zuwachs mehr zugetraut. Vor vier Monaten lag die Messlatte dagegen noch bei plus zehn Prozent.

Wer genauer hinsieht und sich mit der Historie beschäftigt, lässt sich davon aber nicht aus der Ruhe bringen. Laut Ed Clissold, US-Marktstratege bei Ned Davis Research, sind zunehmende Unsicherheiten und sinkende Gewinnschätzungen in Phasen mit Ölpreiseinbrüchen typisch. "Wenn der Ölpreis absackt, stellen sich negative Gewinnnachrichten aus dem Energiebereich schneller ein als positive Meldungen aus anderen Sektoren." Zudem hat Clissold beobachtet, dass die Volatilität während eines Ölpreisverfalls steigt und auch anschließend höher bleibt als zuvor. Doch sobald der Ölpreis einen Boden gefunden hat, legt der S & P 500 eine Rally hin. Und nach einem Quartal ziehen auch die Gewinnprognosen insgesamt wieder an.

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Volatile Ölpreise sind nichts Neues

Für das Timing kommt es deshalb darauf an, eine Bodenbildung beim Ölpreis richtig vorherzusagen. Das ist zwar eine sehr komplexe Aufgabe, aber auch hier könnte ein Blick zurück in die Geschichte helfen. Die jetzige Ölpreisschwäche ähnelt jener im Jahr 1986. Auch damals sorgte ein ausgeweitetes Angebot für starken Preisdruck. Damals stürzten die Preise von November 1985 bis März 1986 um 67 Prozent ab und damit sogar noch stärker als die derzeit schon erreichten 60 Prozent. Danach stabilisierten sich die Notierungen auf einem höheren Niveau, ohne für lange Zeit die vorherigen Hochs wieder zu sehen.

Auch dieses Mal könnte es ähnlich laufen, weil sich einerseits Kürzungen bereits abzeichnen, andererseits der Ölfluss nicht so stark versiegen dürfte, dass die Preise schnell wieder nach oben schießen. Stimmt diese Annahme, dürfte es für breit angelegte Verkäufe von Ölaktien bereits zu spät sein. Dagegen spricht auch das, was Aktienstratege Sam Stovall von Capital IQ basierend auf jenen sechs Fällen seit Dezember 1990 ausfindig gemacht hat, in denen Energieaktien so stark überverkauft waren wie aktuell. Denn seit 1990 verbuchte der Energy-Index des S & P 500 in allen sechs Fällen in den 24 Monaten danach Kursgewinne. Für eine solche Wette ist es aktuell aber vielleicht noch zu früh, weil die Gewinnschätzungen vieler Analysten noch immer auf zu optimistischen Ölpreisprognosen basieren könnten.

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Fluglinien und Autobauer profitieren

Chancen tun sich dafür in anderen Bereichen auf. Schließlich wird das an der Zapfsäule gesparte Geld anderweitig ausgegeben, und bestimmte Unternehmen werden von niedrigeren Energie- und Transportkosten begünstigt. So gelten die Fluggesellschaften als klassische Gewinner fallender Ölpreise. Hier sind nach einer Branchenbereinigung vor allem die USAnbieter im Vorteil. Für die Vertreter aus Übersee als Gruppe sagt die Deutsche Bank ein Plus beim Vorsteuergewinn von 47 Prozent auf 20,7 Milliarden Dollar für 2015 voraus. Für American Airlines wird ein Kursziel von 67 Dollar ausgegeben. Der von uns in Ausgabe 09/2014 zu 26,91 Euro empfohlene Titel ist längst über das damalige Kursziel von 35 Euro hinausgeflogen, bleibt dank einer niedrigen Bewertung allerdings interessant.

Sowohl während als auch nach einer Ölpreisschwäche, auf die keine Rezession folgte, haben sich in der Vergangenheit Nicht-Basis-Konsumgüter in der Regel ebenfalls gut geschlagen. Dazu zählen die Autobauer, die im aktuellen Fall wieder von fallenden Benzinkosten profitieren könnten. Aus der Branche ist in einer Empfehlungsliste von J P Morgan mit potenziellen Profiteuren eines schwachen Ölpreises mit Daimler ein Wert vertreten, dem wir ebenfalls weiter steigende Kurse zutrauen.

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Energieintensive Produktion billiger

Als energieintensive Branche hilft den Produzenten von Düngemitteln der gleichfalls deutlich gefallene Gaspreis. Bleibt er auf tiefem Niveau, wäre das zum Beispiel für den US-Anbieter CF Industries positiv, weil nach dem ersten Quartal die Absicherungsgeschäfte um den Gaspreis auslaufen. Zusammen mit mittelfristig steigenden Kapazitäten beschert das der Aktie derzeit einen beeindruckenden charttechnischen Aufwärtstrend.

Als klare Profiteure gesunkener Energiekosten gelten außerdem die Vertreter der Papier- und Verpackungsindustrie. Den Anbietern aus Europa dürfte wegen der Zyklik des Sektors zudem eine weitere geldpolitische Spritze der Europäischen Zentralbank helfen. Noch dazu stützt der schwache Euro das Exportgeschäft der europäischen Unternehmen.

Beim irischen Produzenten von papierbasierten Verpackungen Smurfit Kappa Group rechnen die Analysten von Jefferies für 2015 und 2016 mit Gewinnsteigerungen von 14,2 und 9,3 Prozent - eine Aussicht, die den Kurs zuletzt fast schon auf neue Rekorde getrieben hat.

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