IST DIE GEFAHR EINES WELTWEITEN HANDELSKRIEGS GEBANNT?


Keineswegs. China hat bereits Gegenmaßnahmen angekündigt: Die Regierung in Peking will ihrerseits Zölle auf amerikanische Waren mit einem Wert von bis zu drei Milliarden Dollar erheben. "Mit den von US-Präsident Trump verkündeten umfangreichen Handelssanktionen gegen China droht ein weltweiter Handelskrieg, der die Weltwirtschaft spürbar belasten würde", sagt Commerzbank-Ökonom Bernd Weidensteiner. Deutschland als Exportnation würde darunter besonders leiden.

MACHT SICH BEREITS VERUNSICHERUNG BREIT?


Ja. Der Ifo-Index, der auf einer Umfrage unter 7000 Managern fußt, fiel im März wegen des Handelskonflikts auf den tiefsten Stand seit fast einem Jahr. Auch Anleger sind verunsichert: Der Dax fiel am Freitag auf den tiefsten Stand seit mehr als einem Jahr. Kein Wunder, ist doch kaum ein anderes Land so auf globale Warenströme und Wertschöpfungsketten angewiesen wie Deutschland: Die Außenhandelsquote - das Verhältnis von Ex- und Importen von Waren und Dienstleistungen zum Bruttoinlandsprodukt - stieg zwischen 1991 und 2015 von 48 auf 86 Prozent.

DROHT EIN WACHSTUMSEINBRUCH IN DEUTSCHLAND?


Vorerst nicht. "Die weniger euphorische Stimmung dürfte kaum die tatsächliche Produktion dämpfen", sagt der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding. "Denn unsere Unternehmen haben ja mehr Aufträge, als sie mit dem verfügbaren Personal abarbeiten können. Sie werden deshalb ihre Produktionspläne wohl nicht spürbar zurückfahren." Die deutschen Firmen haben sich ein dickes Auftragspolster angelegt: Auftragsreichweite in der Industrie liegt bei 5,5 Monaten. Selbst wenn von heute auf morgen kein Neugeschäft mehr zustande käme, könnten die Unternehmen durchschnittlich knapp ein halbes Jahr weiter produzieren, ohne Umsatzeinbußen hinnehmen zu müssen. Besonders gut gefüllt sind die Auftragsbücher bei den Herstellern von Investitionsgütern wie Maschinen und Fahrzeugen: Hier reicht der Auftragsbestand sogar 7,6 Monate.

WARUM SIND DIE USA SO WICHTIG FÜR DEUTSCHLAND?


Die USA waren zuletzt drei Jahre in Folge wichtigster Abnehmer deutscher Waren. 2017 wurden Güter im Wert von 111,5 Milliarden Euro dorthin geliefert - vor allem Fahrzeuge, Maschinen und pharmazeutische Produkte. Mehr als eine Million Jobs in Deutschland hängen direkt oder indirekt von den Exporten in die USA ab.

UND WAS IST MIT CHINA?


Die Volksrepublik ist größter deutscher Handelspartner: Der gegenseitige Warenaustausch summierte sich 2017 auf fast 187 Milliarden Euro. "Wir alle sind auch ein bisschen China, denn wir sind ja sehr stark Kunden und Lieferanten von China", sagt DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Habe Deutschlands wichtigster Handelspartner Schwierigkeiten, komme das bei den hiesigen Unternehmen an. "Das hängt alles mit allem immer zusammen."

WAS IST MIT DER DEUTSCHEN STAHLBRANCHE?


Noch sind die Schutzzölle für EU-Länder nicht ganz vom Tisch, sondern bleiben vorerst nur ausgesetzt. Die USA nahmen 2017 aus Deutschland knapp eine Million Tonnen Walzstahl ab. Die Vereinigten Staaten sind damit der wichtigste Auslandsmarkt außerhalb der EU.

DROHT EINE SCHWEMME BILLIGEN CHINA-STAHLS?


Womöglich. Die von den USA angestrebte Reduzierung der Importe von 13 Millionen Tonnen droht zu einem erheblichen Teil in die EU zu fließen. Dabei kämpft die Branche ohnehin mit Überkapazitäten. Den europäischen Herstellern machen seit Jahren Billigimporte insbesondere aus China zu schaffen. Die Stahlindustrie in Deutschland hat zwar in den vergangenen Jahrzehnten an Bedeutung verloren - die Zahl der Beschäftigten ist seit 1980 um rund 200.000 auf noch gut 80.000 geschrumpft. Die Branche mit Playern wie Thyssenkrupp, Salzgitter und Arcelor spielt aber eine große Rolle als Lieferant für die Automobil- und Bauindustrie sowie den Maschinenbau.

WIE KÖNNTE EINE LÖSUNG AUSSEHEN?


Wirtschaftsverbände drängen darauf, die Verhandlungen mit den USA über ein transatlantisches Freihandelsabkommen wieder aufzunehmen. Ziel soll dabei sein, "beidseitig Handelshürden abzubauen", fordert etwa der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Bernhard Mattes. Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) ist für eine Stärkung der Welthandelsorganisation WTO, der Hüterin eines fairen Welthandels. Das Problem der chinesischen Überkapazitäten im Stahlbereich will er im Global Forum on Steel Excess Capacity unter der argentinischen G20-Präsidentschaft angehen.

rtr