Angesichts der Börseneuphorie rund um Internetfirmen hatten viele einen fulminanteren Start erwartet - speziell nach dem großen Erfolg des chinesischen Online-Händlers Alibaba an der Wall Street im September. Investoren warnen bereits vor einer neuen Technologieblase wie zu Beginn des Jahrtausends.

"Es fühlt sich ein bisschen an wie eine Einschulung", sagte Zalando-Mitgründer Robert Gentz der Nachrichtenagentur Reuters kurz nach dem Börsenstart des vor sechs Jahren gegründeten Unternehmens. "Jetzt müssen wir nur noch gute Noten schreiben." Zunächst schnellte die Aktie um zwölf Prozent auf 24,10 Euro in die Höhe, bröckelte dann aber rasch wieder ab. Händler hatten vor Börsenstart noch auf Kurse von bis zu 27 Euro gesetzt. Sie äußerten sich entsprechend enttäuscht: "Man kann sagen: schwach angefangen und dann stark nachgelassen", sagte Oliver Roth, Chefhändler bei Close Brothers Seydler, zu Reuters TV. "Der erste Kurs liegt deutlich unter den Erwartungen der letzten zwei, drei Tage."

Zalando feierte den Börsengang wie kaum ein Neuling in den vergangenen Jahren: Mitarbeiter und Vorstände hinter Packtischen verschenkten auf dem Platz vor der Börse weiß-schwarze Zalando-Pakete mit Flip-Flops - dem ersten Produkt, das das Start-up-Unternehmen 2008 verkauft hatte. Auf dem Börsenparkett drängelten sich Zalando-Manager, Investmentbanker, Händler und Journalisten zwischen überdimensionalen Zalando-Schachteln. Auf den Händler-Tresen standen Turnschuhe und hochhackigen Pumps. Models marschierten die Treppe zwischen den Handelssälen auf und ab. Und als der erste Kurs auf der Anzeigetafel zu lesen war, ertönte - noch vor der traditionellen Börsenglocke - der "Schrei vor Glück" über die Lautsprecher, mit dem sich Zalando in der Fernsehwerbung Bekanntheit verschafft hat.

"Das letzte Mal, dass auf dem Parkett mehr Journalisten als Händler waren, war während der Eurokrise", sagte Robert Halver von der Baader Wertpapierhandelsbank. "Bei einem Börsengang habe ich das zuletzt bei der Telekom in den neunziger Jahren erlebt." Er glaube nicht, dass mit Zalando und der Schwesterfirma Rocket Internet, die am Donnerstag an die Börse geht, die Grundlage für eine deutsche Internet-Blase gelegt werde. "Der Vergleich mit dem Neuen Markt ist Quatsch. Wir haben so lange gewartet auf Börsengänge. Das ist ein Zeichen für die Rückkehr einer Aktienkultur." Anders als um die Jahrtausendwende sind Privatanleger weitgehend außen vor: Nur zwei Prozent der 28,1 Millionen Aktien gingen nicht an große Fonds und andere institutionelle Investoren, wie Insider sagten. Das sind allerdings doppelt soviele Privatanleger wie zuletzt üblich.

"DIE EWIGEN ZWEIFLER"

Auch Zalando-Mitgründer Gentz will nichts von einem neuen "Neuen Markt" wissen. "Wir bieten den Kunden einen echten Mehrwert, haben zwei Milliarden Euro Umsatz. Und für die ewigen Zweifler haben wir zuletzt auch Profit ausgewiesen", sagte er. 200.000 Euro Gewinn standen unter dem Strich im ersten Halbjahr zu Buche. An der Börse ist das Unternehmen mit seinen rund 7000 Mitarbeitern 5,5 Milliarden Euro wert.

Einige Experten warnen: "Nie im Leben" würde er Aktien von Zalando oder Rocket kaufen, sagte ein deutscher Großinvestor, der täglich über Milliarden entscheidet. "Zalando schreibt kaum Gewinne und wird mit dem Vierfachen des Umsatzes bewertet. Die Logik dahinter verstehe ich nicht ganz." Beim Börsengang des chinesischen Online-Riesen Alibaba hätte er dagegen gerne zugegriffen. Auch die Aktionärsvereinigung DSW warnt Privatanleger vor Zalando und Rocket. "Das ist nichts für sicherheitsbewusste Privatanleger", sagte DSW-Vizepräsident Klaus Nieding. "Es ist ein spekulatives Investment."

Ayondo-Händler Vinay Sharma schließt nicht aus, dass die Aktie bald unter den Ausgabepreis von 21,50 Euro fällt. Zalando könne es schwer haben, die Wachstumserwartungen zu erfüllen. Der britische Konkurrent Asos hat an der Londoner Börse nach enttäuschenden Zahlen in diesem Jahr mehr als 60 Prozent seines Börsenwertes verloren.

Zalando fließen mit dem Börsengang 605 Millionen Euro zu - platziert werden rund elf Prozent. Die Altaktionäre - allen voran der schwedische Investor Kinnevik und die Berliner Internet-Investoren Oliver, Marc und Alexander Samwer - geben beim Börsengang keine Aktien ab. Kinnevik und die Samwers sind auch die größten Aktionäre beim nächsten Börsenneuling: Rocket Internet will an der Börse 1,6 Milliarden Euro einsammeln. Die Nachfrage dürfte für einen Ausgabepreis am oberen Ende der Preisspanne reichen. Im Graumarkt lag die Aktie am Mittwoch mit 46 Euro über der Spanne. Die Entscheidung sollte noch am Mittwoch fallen.

Rocket Internet wäre dann mehr wert als die Lufthansa, die auf eine Marktkapitalisierung von knapp sechs Milliarden Euro kommt. Aktionärsschützer Nieding hält das für absurd und fühlt sich an die Jahrtausendwende erinnert, als die Kurse defizitärer Internet- und IT-Firmen durch die Decke gingen. "Bei der Lufthansa haben sie Flugzeuge, die sie anfassen können, und ein Geschäftsmodell, das seit Jahren bewiesen hat, dass es Gewinne erwirtschaften kann", sagte er. "Bei Rocket Internet und Zalando kaufen sie - wie bei den Neuen-Markt-Werten - im Grunde genommen Hoffnung."

Reuters