Des einen Leid, des anderen Freud: Während sich viele Autofahrer über die rekordhohen Preise für Diesel und Benzin ärgern, wird die Stimmung bei den Öl- und Gasmultis zunehmend besser. Etliche Analysten prognostizieren, dass beim Ölpreis das Ende der Fahnenstange noch längst nicht erreicht ist. Die Finanzprofis der Bank of America sagen für Juni 2022 einen Anstieg bei der Nordseesorte Brent auf 120 Dollar je Barrel vorher. Damit würde sich das ohnehin prächtige Umfeld für Öl- und Gasfirmen weiter verbessern.

Verantwortlich dafür ist, dass mit der Konjunkturerholung die weltweite Nachfrage nach Öl kräftig zugelegt hat. Weil allerdings die OPEC+, also die OPEC und ihre Partner, allen voran Russland, die Förderung um lediglich 400 000 Barrel pro Monat erhöhen, übersteigt die Nachfrage das Angebot deutlich. Dennoch schrauben die US-Fracking-Unternehmen ihre Produktion nur langsam hoch und geben stattdessen einen großen Teil ihrer Gewinne über Aktienrückkäufe an die Anteilseigner weiter. Außerdem drücken wegen der ESG-Thematik viele der weltweiten Unternehmen auf die Investitionsbremse, was das Ölangebot künftig deutlich dämpfen sollte.

Dieses Szenario kommt den US-Branchenriesen ExxonMobil und Chevron zugute. Exxon hat im dritten Quartal aufgrund der hohen Öl- und Gaspreise sowie guter Profitabilität im Raffineriegeschäft den bereinigten Gewinn auf 6,8 Milliarden Dollar gesteigert, das höchste Niveau seit 2014. Für Begeisterung bei Investoren sorgt zudem, dass der Konzern im kommenden Jahr zum ersten Mal seit 2016 sein Aktienrückkaufprogramm wieder aufnehmen und dafür innerhalb von ein bis zwei Jahren bis zu zehn Milliarden Dollar ausgeben will. Vorstandschef Darren Woods ist zuversichtlich. Exxon plane "dasselbe Wachstum bei Gewinn und Cashflow zu liefern, wie es die Vorpandemiepläne vorgesehen haben", sagte Woods. Demnach soll 2025 ein Profit von 30 Milliarden Dollar erzielt werden. Wir passen Kursziel und Stoppkurs nach oben an. Der Gewinn von Chevron ist im dritten Quartal auf 6,1 Milliarden Dollar nach oben geschossen, der freie Cashflow erreichte sogar den Rekord von 6,7 Milliarden Dollar. Da Finanzchef Pierre Greber die Nettoschulden auf 31,3 Milliarden Dollar gedrückt hat, denkt er darüber nach, das Aktienrückkaufprogramm aufzustocken. Für das derzeitige Programm gibt der Konzern rund zwei bis drei Milliarden Dollar pro Jahr aus, davon sind 750 Millionen Dollar für das laufende Quartal geplant. Der Finanzchef will zwar 2022 die Investitionen aufstocken, aber sie sollen unter der Marke von 17 Milliarden Dollar bleiben, was rund 20 Prozent unter dem Vor-Pandemie-Niveau liegt. Wir passen Kursziel und Stoppkurs an.

Treibhausgase reduzieren

In Europa favorisieren wir Equinor. Der norwegische Öl- und Gasriese hat im dritten Quartal vom kräftigen Anstieg der Gaspreise in Europa profitiert. Daher ist der bereinigte Gewinn auf 2,8 Milliarden Dollar nach oben geschossen. Vorstandschef Anders Opedal will die Gasexporte nach Europa erhöhen, indem die Förderung in den Offshore-Feldern Troll und Oseberg gesteigert wird. Er hat die zweite Tranche des Aktienrückkaufprogramms von 300 Millionen auf eine Milliarde Dollar aufgestockt, die Käufe sollen bis Ende Januar 2022 getätigt werden. Der Firmenlenker will zudem die Investitionen von durchschnittlich neun bis zehn Milliarden Dollar für 2021 und 2022 auf durchschnittlich zwölf Milliarden für 2023 und 2024 aufstocken. Die Aktie ist ein Investorenliebling, weil der Konzern deutlich besser bei der Reduzierung der Treibhausgase vorankommt als viele Konkurrenten. So will Equinor massiv in die Herstellung von blauem Wasserstoff, der mithilfe von Erdgas produziert wird, investieren. Dafür sind gemeinsam mit Partnern und mit staatlichen Subventionen Ausgaben von umgerechnet rund 11,7 Milliarden Dollar bis 2035 geplant. Wir erhöhen das Kursziel und ziehen den Stopp nach.

Bei weiter steigenden Öl- und Gaspreisen sollte sich das Umfeld für die größten US-Zulieferer Schlumberger, Baker Hughes und Halliburton aufhellen, denn deren Kunden könnten allmählich wieder investieren. In dem Szenario sollten die Servicefirmen zudem die höheren Kosten, wie etwa für Rohstoffe, an die Kunden weitergeben können. Schlumberger-Chef Olivier Le Peuch sieht einen "außergewöhnlichen Wachstumszyklus" für die Branche und erwartet für 2022 einen Anstieg der Investitionen in Nordamerika von rund 20 Prozent. In der Region erzielt Schlumberger etwa 20 Prozent seiner Umsätze. Für das Auslandsgeschäft geht der Firmenlenker von einem Plus im unteren bis mittleren Zehner-Prozent-Bereich aus. Zuletzt waren die Preise für etliche Industriemetalle wegen der Sorge um die Konjunktur in China eingebrochen. Allerdings bleiben die Aussichten für Aluminium gut, denn es wird verstärkt in den Bereichen erneuerbare Energien und Elektromobilität eingesetzt. Das prächtige Umfeld hat Alcoa im dritten Quartal einen Rekordgewinn von 337 Millionen Dollar beschert. Vorstandschef Roy Harvey will am 19. November eine Quartalsdividende von 0,10 Dollar zahlen - die erste Ausschüttung seit 2016. Zudem hat der Konzern das Aktienrückkaufprogramm um 500 Millionen Dollar aufgestockt. "Wir glauben, dass die Märkte, in denen wir aktiv sind, stärker sein werden und dass dieser Zyklus länger dauern wird", so Harvey. Alcoa will zudem einige stillgelegte Produktionslinien im Werk im australischen Portland in Betrieb nehmen, die Metallproduktion soll im dritten Quartal 2022 starten. Wir erhöhen Kurs- und Stoppziel.

Steigende Lebensmittelpreise

Ebenso wie Aluminium erfreuen sich auch viele Agrarrohstoffe starker Nachfrage, woraufhin die Lagervorräte weltweit schrumpfen. Daher ist beispielsweise der Weizenpreis in die Nähe des Neunjahreshochs gestiegen. Das treibt die Preise für Dünger nach oben, wovon der weltweite Branchenprimus Nutrien profitiert. Die Lagervorräte bei Kalidünger lägen in wichtigen Märkten unter dem historischen Durchschnitt, während China auf seine strategischen Reserven zurückgreife, sagte Nutrien-Chef Mayo Schmidt bei der Zahlenvorlage. Er erhöhte die Prognose für den bereinigten Gewinn je Aktie für 2021 kräftig. Der Firmenlenker erwartet, dass die Lage im Düngermarkt auch 2022 angespannt bleiben wird. Die Aktie hat unser Kursziel erreicht, wir trauen ihr dennoch weiteres Potenzial zu.

Die steigenden Kosten für Agrarrohstoffe gibt Nestlé dank starker Marken an seine Kunden weiter. Die Schweizer erreichten im dritten Quartal ein organisches Umsatzwachstum, also bereinigt um Währungseffekte und Zukäufe, von 6,5 Prozent. Davon entfielen 2,1 Prozent auf Preiserhöhungen, der Rest auf den Absatzanstieg. Vorstandschef Mark Schneider erhöhte die Prognose für das organische Umsatzwachstum für das Gesamtjahr auf sechs bis sieben Prozent. Die Preiserhöhungen sollen dazu beitragen, die operative Gewinnmarge bei 17,5 Prozent zu halten. Auf mittlere Sicht soll sie "moderat" ausgebaut werden. Wir erhöhen unser Kursziel. Die Aktie ist derzeit in Deutschland nur außerbörslich handelbar.

Dem US-Snackhersteller Mondelez kommt zugute, dass viele Verbraucher wegen der Pandemie mehr Zeit zu Hause verbringen als zuvor und daher mehr Snacks verzehren. Vorstandschef Dirk Van de Put hat die Prognose für das organische Umsatzwachstum für das Gesamtjahr auf rund 4,5 Prozent angehoben. Er will die Preise Anfang 2022 in den USA um sieben Prozent erhöhen. Und je nach Kostenentwicklung seien "im Jahresverlauf eventuell weitere Anpassungen notwendig".

 


Auf einen Blick


Bei Verbrauchern steht der Anstieg der Öl- und Gaspreise im Fokus. Während die US-Öllagervorräte am Fünfjahrestief liegen, fließt nur spärlich Gas aus Russland nach Europa. Zudem steigen die Lebensmittelpreise.