Der bullige Zweimetermann Axel Oberwelland gehört zu Deutschlands Reichsten: Sein Vermögen wird auf vier Milliarden Euro geschätzt, das US-Wirtschaftsmagazin "Forbes" führt ihn aktuell auf seiner Reichstenliste mit 4,9 Milliarden Dollar. Der Süßwarengigant beschäftigt über 7000 Angestellte, seine Produkte stehen in über 100 Ländern in den Regalen. Aber der Boss sei "so gesichtslos wie Schokolade ohne Verpackung", schrieb die Presse. Oberwelland gilt als öffentlichkeitsscheu.

Die Erfolgsstory des Familienunternehmens Storck begann in der Kaiserzeit, als Karies in Deutschland noch ein Fremdwort und süßes Naschwerk ein Luxusprodukt war. Im kleinen westfälischen Städtchen Werther gründete August Storck, Besitzer des Oberwellandhofs und deshalb Oberwelland genannt, 1903 zusammen mit drei Mitarbeitern die Werther’sche Dampfzuckerwarenfabrik. In einem einfachen Kessel produzierten sie klebrige Süßigkeiten, die in den Läden der näheren Umgebung in Gläsern verkauft wurden. Die Leckereien waren beliebt, bald versorgte die Firma ganz Westfalen mit Sahnebonbons.

Der Erste Weltkrieg bremste die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens. Erst nach Kriegsende wurde die Produktion wieder hochgefahren. August Storck erkrankte jedoch schwer, Hugo Oberwelland, der jüngste der drei Gründersöhne, übernahm deshalb 1921 die Leitung der Firma. Produziert wurden jetzt über 200 Bonbonvarianten - alles namenlose und unverpackte bunte Süßigkeiten, die nach Gewicht verkauft wurden.

1934 erfand Hugo Oberwelland das erste Markenbonbon. Er wickelte die Bonbons ein und dachte sich einen wohlklingenden Namen aus: "1-Pfennig-Riesen" hieß das Produkt - Stück für Stück einzeln verpackt und mit Namen, dem Preis und dem Namen des Herstellers versehen. "Ein revolutionärer Denkansatz, lange vor dem Aufkommen von Branding-Agenturen und PR-Konzepten", schrieb das "Manager Magazin" anerkennend. Der Marketing-Coup ging auf, innerhalb weniger Jahre eroberten die "Riesen" den Markt, die Firma wuchs bis 1937 auf 71 Mitarbeiter an, ein Jahr später wurden bereits 1680 Tonnen des Naschwerks produziert. Die "Riesen" waren nun in ganz Deutschland erhältlich, in Schötmar bei Bad Salzuflen wurde bereits ein Zweigbetrieb eröffnet. Aber wieder zerschlug der Krieg zunächst die weiteren Expansionshoffnungen.

Nach 1945 kaufte der Patron große Ländereien in Ostwestfalen und ließ ganz in der Nähe des Firmensitzes eine feudale Villa bauen, von der aus bis heute der Blick auf das Firmengelände möglich ist. Gleichzeitig entstand im westfälischen Halle ein neues Werk, das damals als Musteranlage für eine "Industrieanlage im Grünen" galt. Durch die Aufforstung in der Umgebung wurden nämlich freiwillig Ausgleichsmaßnahmen umgesetzt, wie sie heute im Baurecht vorgeschrieben sind. Das Werk erhielt auch einen eigenen Gleisanschluss, Storck kaufte eigene Kesselwagen für den Rohstofftransport und geschlossene Güterwagen für den Transport der Fertigwaren.

In den Wirtschaftswunderjahren der Nachkriegszeit wurde Storck zum Marktführer für Bonbons in Deutschland und produzierte 1952 rund 15 000 Tonnen Süßwaren. Gleichzeitig begann eine Exportoffensive: Die Leckereien waren auch im Ausland begehrt und wurden sogar in den USA und in Hongkong gekauft.

1954 stieg Storck in die Schokoherstellung ein. Dank eigener Milchproduktion konnte man Schokolade mit frischer Sahne herstellen. In rascher Folge kamen neue Marken in die Geschäfte: "nimm2", das Schokokonfekt "Merci", das Fruchtbonbon "Campino" und das Karamellbonbon "Werther’s Echte", das heute "Werther’s Original" heißt und als weltweit erfolgreichste Storck-Marke in über 100 Ländern verkauft wird.

Von Udo Jürgens inspiriert

Das Produktmanagement von Storck war damals der Konkurrenz um Längen voraus. Als Udo Jürgens 1966 beim "Grand Prix d’Eurovision de la Chanson", dem Vorläufer des "Eurovision Song Contest", mit dem Titel "Merci, Chérie" triumphierte, brachte Storck gleich die Schokolade "Merci" auf den Markt, die noch heute ein Topseller ist.

Marketingchef war damals der 23-jährige Klaus Oberwelland, der Sohn des Patrons, der 1971 den Chefposten der Firma übernahm. Schon früh wurde er bei der Entwicklung der Markenphilosophie von dem Düsseldorfer Werbefachmann Otto Pahnke unterstützt. "Ein kongeniales Duo" ("Wirtschaftswoche"), dem bahnbrechende Neuheiten über fast vier Jahrzehnte wie am Fließband gelangen. 1973 kam "Toffifee" auf den Markt, 1981 übernahm Klaus Oberwelland die Firma Dickmann aus Iserlohn und hatte nun auch deren bekannte Schokoküsse im Sortiment. Zwei Jahre später machte die Milch-Haselnuss-Schnitte "Knoppers" den Werbeslogan "Morgens halb zehn in Deutschland" zum geflügelten Wort.

In den 70er-Jahren forcierte Klaus Oberwelland die Internationalisierung und eröffnete Vertriebsgesellschaften in Belgien, den Niederlanden und den USA. Und 1988 wurde Bendicks of Mayfair übernommen, der traditionsreiche englische Schokoladenhersteller und Hoflieferant der Queen. Oberwelland fädelte auch eine wichtige Liaison mit Aldi ein. Bis heute liegen in den Regalen des Discountriesen Storck-Markenprodukte, die zwar von Storck produziert, aber unter anderem Namen verkauft werden.

Nach der Maueröffnung trieb Klaus Oberwelland vor allem die Expansion in den Osten Deutschlands erfolgreich voran. 1993 ließ er in Ohrdruf bei Gera ein Werk bauen, später verlegte er den Hauptsitz des Unternehmens nach Berlin. 2003 stand der nächste Generationenwechsel an: Der Patriarch gab das Zepter an seinen Sohn Axel weiter. Ohne Streit, nicht wie so oft üblich bei einem Generationswechsel in Familienunternehmen.

Axel Oberwelland, der neue Storck-Boss, 1966 geboren, wuchs in Steinhagen bei Bielefeld auf, machte Abitur am Lyceum Alpinum Zuoz, einer internationalen Internatsschule in der Nähe von St. Moritz mit über 100-jähriger Tradition. Zu den bekanntesten Old Boys des Lyceums gehören Ferdinand Piëch, Anton-Wolfgang Graf von Faber-Castell und Götz George. Anschließend studierte er Betriebswirtschaft an der Hochschule St. Gallen, arbeitete als Kontakter in Hamburg für Otto Pahnkes Werbeagentur Markenmacherei. Bei einem Branchentreff der Süßwarenhersteller lernte er seine spätere Ehefrau Birgit kennen, eine Tochter aus der "Mozartkugel"-Familie Reber aus Bad Reichenhall. Das Ehepaar hat vier Kinder.

Die nächste Karrierestation: Marketingmanager für Storck in den USA. 2001 kehrte Oberwelland dann nach Deutschland zurück und trat zwei Jahre später - anlässlich des 100-jährigen Firmenjubiläums - die Nachfolge seines Vaters an. Zwar setzt Storck nach wie vor auf Emotionen bei der Werbung, hat aber seine Imagestrategie neu formuliert. Der Fokus auf familiäre Werte und das Gefühl der Zusammengehörigkeit scheint anzukommen: In einem deutschlandweiten Test zur Verbraucherbeliebt- heit wurde Storck 2018 als "Happy Brand" ausgezeichnet, noch vor Ferrero, Haribo oder Mars.